Er ahmt Schönheiten nach, die keines Ideals fähig find; er arbeitet also bloß mit dem Auge und mit der Hand; und das Genie hat an seinem Werke wenig oder gar keinen Antheil. Doch ziehe ich noch immer den Landschaftsmahler demjenigen Hiftorienmahler vor, der, ohne seine Hauptabsicht auf die Schönheit zu richten, nur Klumpen Personen mahlt, um seine Geschicklichkeit in dem bloßen Ausdrucke, und nicht in dem der Schönheit untergeordneten Ausdrucke, zu zeigen. XXXII. Allein zur körperlichen Schönheit gehört mehr, als Schön=” heit der Form. Es gehört auch dazu die Schönheit der Farben und die Schönheit des Ausdrucks. Unterschied in Ansehung der Schönheit der Farben zwischen Carnation und Colorirung. Carnation ist die Colorirung solcher Gegenstände, welche eine bestimmte Schönheit der Form haben, also vornehmlich des menschlichen Körpers. Colorirung ist der Gebrauch der Local-Farben überhaupt. Unterschied in Ansehung der Schönheit des Ausdrucks, zwischen transitorischen und permanenten. Jener ist ge= waltsam und folglich nie schön. Dieser ist die Folge von der öftern Wiederholung der erstern, verträgt sich nicht allein mit der Schönheit, sondern bringt auch mehr Verschiedenheit in die Schönheit selbst. XXXIII. Ideal der körperlichen Schönheit. Was es ist? Es bes fteht in dem Ideale der Form vornehmlich, doch auch mit in dem Ideale der Carnation und des permanenten Ausdrucks. Die bloße Colorirung und der transitorische Ausdruck haben kein Ideal: weil die Natur selbst sich nichts bestimm÷ tes darinn vorgesetzt hat. XXXIV. Falsche Uebertragung des mählerischen Ideals in der Poesie. Dort ist es ein Ideal der Körper, hier muß es ein Ideal der Handlungen seyn. Dryden in seiner Vorrede jum Fresnoy, Baco Organ. Lowth. XXXV. Noch übertriebener würde es seyn, wenn man nicht bloß von dem Dichter vollkommene moralische Wesen, sondern wohl gar vollkommene schöne körperliche Wesen erwarten und verlangen wollte. Gleichwohl thut dieses Herr Winkelmann in seinem Urtheile vom Milton. S. 28. G. d. K. Winkelmann scheint den Milton wenig gelesen zu ha ben, sonst würde er wissen, daß man schon längst anges merkt, nur er habe Teufel zu schildern gewußt, ohne zu der Häßlichkeit der Form seine Zuflucht zu nehmen. Ein Ein solches verfeinerte Bild der teuflischen Häßlich= feit hatte vielleicht Guido Reni im Kopfe, (Dryden's Preface to the art of Painting S. IX.) aber weder er, noch sonst einer, hat es ausgeführt. Miltons håßliche Bilder aber, als die Sünde und der Tod, gehören gar nicht zur Handlung, sondern füllen blöß Episoden. Miltons Kunstgriff, auf diese Art in der Persön des Teufels, den Peiniger und den Gepeinigten zu trennen, welche nach dem gemeinen Begriffe in ihm verbunden werden XXXVL Aber auch von den Haupthandlungen Miltons lassen sich die wenigsten mahlent. Wohl; aber daraus folgt nicht, daß sie bey Milton nicht gemahlt sind.gr (1 Die Poesie mahlt durch einen einzigen Zug: die Mahleren muß alles übrige hinzuthun. In jener also kann etwas : fehr mahlerisch seyn, was sich durch diese gar nicht ausführen låßt. XXXVII Folglich liegt es nicht an dem vorzüglichen Genie Homers, daß bey ihm alles zu mahlen ist; sondern lediglich an der Wahl der Materie. Beweis hiervon. Er fter Beweis: aus verschiedenen unsichtbaren Gegen R stånden, welche Homer eben so unmahlerisch behandelt hat, als Milton, z. E. die Zwietracht. XXXVIII. Zweiter Beweis: aus den sichtbaren Gegenständen, welche Milton vortrefflich behandelt hat. Die Liebe im Paradiese. Die Einfältigkeit und Armuth der Mahler über dieses Subjekt. Der gegenseitige Reichthum Miltons. XXXIX. Stärke Miltons in successiven Gemåhlden. Erempel das von aus allen Büchern des verlohrnen Paradieses. Gemåhlde beym Milton. 1) Von progressivischen Gemåhlden, von welchen uns Homer so vortreffliche Beyspiele giebt, finden sich auch sehr schöne beim Milton. Als a) das Erheben des Satans aus den brennenden Pfule. P. L. B. I. v. 221 228. 3) die erste Eröffnung der Höllenforten durch die Sünbe. B. II. v. 811-813. *) die Entstehung der Welt. B. III. v. 708 - 718. d) der Sprung des Satans in das Paradies. B. III. v. 181 183. x) der Flug Raphaels` zur Erde. B. V. v. 246 — .277. ¿) der erste Aufbruch des himmlischen Heeres wider die rebellischen Engel. B. VI. v. 56 — 78.. ») die Annåherung der Schlange zur Évá. IX. 509. 9) die Erbauung der Brücke von der Hölle zur Erbe, von der Sünde und dem Tode. X. 285. •) Satans Zurückkunft zur Hölle und unsichtbare Bes steigung seines Throns. X. 414. ») die Verwandlung des Satans in eine Schlange. X. 510. Auch die Schönheit der Form hat Milton nach Hos mers Manier, nicht so wohl nach ihren Bestandtheilen als nach ihren Wirkungen geschildert. Man sehe die Stelle der Wirkung, welche die Schönheit der Eva auf den Sas tan selbst hat. Buch IX. 455 66. II) Auch an solchen Gemählden, die wirklich von der Mahleren behandelt werden könnett, ist Milton weit reis cher, als ihn Caylus und Winkelmann glaubt; obschon Richardson, der sie ausdrücklich auszeichnen wollen, in ihrer Wahl oft sehr unglücklich und unverständig gewesen ist. 3. E. 1) Richardson hält den Raphael mit seinen drey Paar Flügeln (B. V. v. 277) für einen schönen Gegens stand der Mahlerey; und es ist offenbar, daß er eben dieser sechs Flügel wegen ein sehr untauglicher ist.: Obschon das Bild aus dem Jesaias genommen, so ist es doch darum nichts mahlerischer. Die Gestalt bes Cherubims ist eben so unmahlerisch. XI. v. 129. 2) besgleichen das Bild der aufrechts einhergehenden |