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Ihnen zu verdanken haben werde. Auch dafür wolle Sie Gott durch Ihr ganzes Leben segnen! .

CLXXIV.

Liebste Mademoisell,

Herr

err C - reist morgen nach Dresden, und es wäre unverantwortlich, wenn ich ihm nicht einen Brief an meine beste Correspondentin mitgåbe Doch nein, nicht einen Brief, sondern nur ein paar Zeilen so weit ist es leider mit mir, der ich sonst

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so gern schrieb, so gern an meine liebe schrieb, gekommen. Beydes in Ihrem lehten Briefe, liebe Freundin, sowohl die Beschreibung von Berggießhübel, das ich kaum dem Namen noch gekannt habe, als auch die Geschichte von Ihrem Aufenthalte das selbst, hat mich sehr unterhalten; und da ich auf Ihren feyerlichen Glückwunsch zu meinem Geburtstage kam, konnte ich mich der Thränen nicht enthalten, theils wegen seines frommen Inhalts, theils weil ich fühlte, wie viel mir fehlte, wenn ich alles des Guten, das Sie mir erbitten, werth seyn sollte. Gott wolle es Ihnen ist und nach mir so wohl gehen lassen, als zum Glücke eines guten Herzens dienlich ist. Ich grüße Ihr ganzes Haus und Herrn 3 fein Haus ergebenst.

Leipzig, den 8. Aug.

und

Mi

CLXXV.

Dresden, Sonnabends Abends, den 17. Sept. 1768.

Liebster, bester Freund,

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it einem sehr gerührten Herzen komme ich zu Ihnen; mit einem Herzen voll angenehm trauriger Empfindungen Der ganze heutige Tag ist mir so schnell dahin geschlichen, ganz einförmig in Ruhe, Heiterkeit und anhaltendem Fleiße. Iht gedachte ich, um gleichsam davon auszuruhen, ich wollte Friz chen aufsuchen, und ihr vorschlagen, eine Partie Piquet mit mir zu spielen; ich verließ aber sogleich diesen Einfall wieder. Die Einsamkeit um mich das schwache Licht, das nur das Tischchen vor mir erleuchtet, und den übrigen Theil des Zimmers halb, in Dunkelheit läßt; das Zimmer, an sich selbst, in welchem ich vielleicht den größten Theil meiner glücklichsten Stunden zugebracht, in welchem ich alles gesehen habe, was meinem Herzen jemals sehr theuer gewesen, (nur Sie fehlen, und noch zwo Personen,) in welchem auch Ihr Bildniß hångt; endlich der nicht entfernte Schall feyerlicher Trauergefånge, die eben ist vor der Wohnung des feligen Grafen Rer abgesungen werden; alles dieses machte, daß ich mir eine ehrwürdige Gesellschaft und eine interessante Beschäftigung wünschte, und goß eine Art von sanfter Traurigkeit in meine Seele, ohne dennoch mich betrübt zu machen. Ich weiß auch nicht, warum meine Augen voll Thränen waren,

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als ich diesen Brief hier anfieng. Sie kamer, glaube ich, von einer zärtlichen Aufwallung der Freude, daß ich mich noch Ihnen nähern, mich noch mit Ihnen unterhalten kann.

Wenn wir darauf achten, so finden wir, daß unser ganzes Leben, und alle zeitliche Freude deffelben, in einem beständigen Untergange besteht. Selbst was wir die Fortbauer unsers Vergnügens nennen, ist der immerwährende Fortgang feiner Abnahme jeder vorbenstreichende frohe Augenblick begråbt seine eigenthümliche Freude, und verringert die Zahl derer, die uns vorgezählt sind. Auch ich hatte Freude, die ich nicht mehr unterhalten, deren ich mich nur erinnern, die ich nur beweinen kann. In eilf Tagen wird es um die ißige Stunde neun Jahr. Aber nichts hiervon! Ich bin dennoch glücklicher, als viele. Meine geliebten eltern; den theuren Freund, an den ich schreibe; meine Ge= schwister; und viele mir ergebene gute Personen, die besiße ich noch alle. Durch diese genieße ich mehr Glückseligkeit und Freude, als ich zu genießen werth bin. Herr C machte uns nur kürzlich eine sehr frohe Woche. Vielleicht hat er Ihnen etwas davon erzählt. Er war vergnügt unter uns, und wird herzlich von uns allen geliebt. Er brachte mir einen unerwarteten sehr lieben Brief von Ihnen, für welchen Ihnen mein ganzes Herz dankt; und zwar brachte er ihn mit einer so guten Art, daß ich wohl wünschte, ihm einen dafür an Sie mitzugeben, wenn er ihn vielleicht auch Ihnen mit so guter Art überreichet hätte. Aber die sechs Tage seines Hier

feyns entflohen mir zu geschwind. Größtentheils brachten wir sie in feiner Gesellschaft zu; und die Zeit, in der er nicht um uns war, wandte ich an, einige kleine Sorgen aus meinem Gemüthe zu verbannen, damit solche dieß in seiner Gegenwart nicht umwölken möchten..

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Sie, bester Herr Professor, können es viels leicht vom Herrn Oberpostcommiffår erfahren haben, wie unsers - Anschläge für seine künftige Versorgung auf eine fürchterliche Art bedrohet wurs den. Dieses beunruhigte mich eben damals ein wes nig seinetwegen. Nun hat es sich aufgeklärt, daß es abermals eine vergebliche Unruhe gewesen, wie die meisten menschlichen Unruhen sind, weil sie doch am Ende allemal zu nichts helfen. Sie hat viel mehr eine gute Wirkung gehabt, sie hat unsern

auf acht Tage hieher geführt, und dare åber, ob es nun gleich unnöthig ist, wird doch keis nes von uns unzufrieden seyn. Seitdem wir aus dem Bade nach Hause sind, ist meine Mutter noch nie so heiter und aufgeräumt gewesen, als sie ist bey 8 Besuch geworden. Und in der That, X liebster Herr Profeffor, ich habe oft gedacht, es würde selbst Ihnen bey uns manchmal gefallen has ben, zumal wenn eines von uns Ihr Sohn, oder Ihre Tochter gewesen wåre. Da håtten Sie viel leicht unsern füßen vertraulichen Geschwägen zuge= hört, wie Ihnen meine Mutter zuhörte, wenn wir uns in die ersten Zeiten unserer Bekanntschaft zu= rücksekten.

Solche Zu rickerinnerungen sind sehr angenehm und interessant, fie bringen uns auf die Hauptangelegenheiten unsers Lebens zurück. Denn unsere pflichtmäßigen und tus gendhaften Zuneigungen, und Verhältnisse sind das Einzige, was unserm Leben einen Zusammenhang und ein wesentliches und festes Andenken giebt. Die andern Umstände des Lebens und des Glücks; die Sitten; der Umgang; die Beschäftigungen und die Lebensart: alles åndert oft ab, und verschwindet, von neuen Dingen dieser Art verdrängt, wie cin Traum dem Gedächtnisse. Allein das Verhältniß, in welches Gott uns mit ihm selbst zu sehen uns gewürdiget hat, und dann die heiligen Bande, mit welchen er uns an Seelen von gleicher Natur und gleicher Bestimmung verknüpft, machen ein ununters brochenes Ganzes aus, das stets durch alle abwech felnde Scenen des Lebens daffelbe bleibt, und durch alle Ewigkeit ungehindert und immer vollkommener mit uns fortdauert.

Montags den 19. Sept. früh.

So weit schrieb ich vorgestern Abends. Heute bin ich fröhlicher. Ich denke, ich würde heute bess fer schreiben, als jemals, wenn ich nur nicht sonst so viel zu thun hätte. Es ist ein heiterer schöner Morgen, so schön, daß meine Mutter, die sich sonst nicht leicht zum Spazierengehen entschließt, mit Fristhen spazieren gegangen ist. Bey mir hier ists auch recht hübsch. Ich bin wieder ganz allein; aber von lauter Sonnenschein umgeben. Alles ist Licht und Le

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ben um mich. Wie mögen Sie sich denn ist befinden, theuerster Freund? Wie mag es bey Ihnen seyn ?

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