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verschiedene Schriften von dieser Art geliefert. Uber alle diese Månner, sagt unser Schriftsteller ferner, haben sich nicht so weit heruntergelassen, ein Buch zu schreiben, dessen Erklärung in einem halben oder ganzen Jahre vollendet werden könnte, und welches wirklich den ganzen Umfang der prosaischen und poetischen Wohlredenheit mit gemäßigten Schritten durcheilte. Diesem Mangel hat er also durch gegenwärtiges Werk abzuhelfen gesucht; und wenn durchgehends die Sorgfalt angewendet worden wäre, mit welcher wir einige ziemlich schwere Materien abgehandelt finden, so würde es gewiß ein bloßes Compliment seyn, wenn der Hr. Verf. sagt: er wollte nur einen Gellert oder Schlegel oder Gärtner durch seine Schrift lebhaft erinnern, daß es an einem ,,bequemen Handbuche der ganzen Wohlredenheit, . wenigstens in deutscher Sprache, bisher noch fehle".

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Wir wollen unsern Lesern von allem, was dieses Lehrbuch wichtiges und neues enthält, einen Begriff zu machen suchen, und wo es nöthig seyn wird, unsere Beurtheilung mit Beschei denheit hinzuthun. Wir werden aber einige Materien, als nicht zu unserm Vorhaben gehörig, um desto mehr mit Stillschweigen übergehen können, da der Hr. Verf. selbst von ihnen gesteht, daß sie weggeblieben wåren, wenn er nicht ursprünglich für den dänischen jungen Adel geschrieben hätte, dem zu Gefallen verschiedenes seinen Plah darin hat finden müssen. Von dieser Art sind unter andern einige grammatikalische Vorschriften und Unmerkungen, und ein Verzeichniß von allen Gelegenheiten, wobei man bei Höfen und Gesandtschaften und andern öffentlichen Gelegenheiten Reden zu halten pflegt.

Das ganze Werk enthält drei Theile, davon der erste von den gemeinschaftlichen Regeln der Prosa und Poesie handelt und in drei Hauptstücke abgetheilt ist.

In dem ersten Hauptstücke wird von der Beschaffenheit, Verwandtschaft und von dem Nußen der schönen Wissenschaften überhaupt, von den Kräften eines schönen Geistes, von dem Geschmacke, und endlich von den nöthigen Beschäftigungen eines schönen Geistes gehandelt. Es ist zu bedauern, daß dem Hrn. Verf. gefallen, diesen überaus wichtigen Materien nur 10 Octav seiten zu widmen. Die Überschriften der Paragraphen scheinen vieles zu versprechen; man schlägt begierig auf, und wundert sich, die Materie kaum berührt zu sehen. Was hätten nicht von der Verwandtschaft der schönen Wissenschaften oder von den

Kräften eines schönen Geistes für nüßliche Anmerkungen vorge= bracht werden können! Der Geschmack wird gar nicht erklärt, auch nichts von seiner Verschiedenheit und Veränderlichkeit, in wie weit er von den äußern Umständen, als von der Mode, Erziehung und Gewohnheit, Veränderungen leiden kann, erwähnt. Wir lesen auch nichts von dem Charakter eines schönen Geistes, von dem Genie, und von verschiedenen andern nüßlichen Materien, die allhier vorzüglich einen Plak verdient hätten. Wollte der Hr. Verf. etwa sich damit entschuldigen, daß er diese, wie auch andere ausgelassene Materien in seinen Vorlesungen nach: hole; so hatte er theils doch die ersten Gründe seiner Meinung von solchen wichtigen besondern Materien anzeigen sollen, theils sich erinnert haben, daß er, wie er selbst in der Vorrede sagt, nicht bloß zum Gebrauch seiner Vorlesungen, sondern auch für die Kenner der schönen Wissenschaften habe schreiben wollen, welche in einem neuen Buche neue Gedanken suchen. Unter den Büchern, die zur Bildung des guten Geschmacks angerathen werden, finden wir mit Verwunderung ein Journal unter dem Titel: das Anmuthige in der neuern Gelehrsamkeit. Dieses wird hoffentlich eine Schrift seyn, welche in den hiesigen Gegenden noch unbekannt ist; denn das Neueste aus der anmuthigen Gelehrsamkeit" kann ein Mann von der Einsicht des Hrn. Ba= sedom wohl unmöglich den Anfängern anrathen, deren Geschmack noch nicht gesetzt ist. Doch wir möchten auch wohl wissen, warum er ihnen empfiehlt, Jöcher's Gelehrten-Lexicon zu lesen.

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Das zweite Hauptstück verdient es, daß wir uns etwas länger dabei aufhalten. Es handelt von der Materie und den Gedanken.

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Im § 14-16. werden die gewöhnlichen Regeln von der Erfindung des Hauptinhalts und des Stoffes gegeben. Der Werth dieser Regeln überhaupt wird § 17. sehr vernünftig bes stimmt. Es kann den schönen Wissenschaften nicht schaden“, heißt es,,,daß Einige, die sie (die Regeln der Erfindung) gelernt ,,haben, nichts gutes, Andere, die keine Vorlesungen darüber ge„hört haben, recht viel über diesen oder jenen Inhalt zu sagen ,,wissen. Man muß erst Genie, Arbeitsamkeit, Erfahrung und ,,Wissenschaften auf beiden Seiten gleich machen, und alsdann ,,beiden einen Hauptinhalt geben, wovon ihnen beiden gleich viel ,,und wenig bekannt ist; alsdann wird das Hülfsmittel der Re,,geln gewiß den Ausschlag geben".

In der Folge zeigt der Hr. Verf., wie man seinen Inhalt überdenken, die Begriffe sowohl als die Säße recht verstehen, und sich von der Wahrheit derselben überzeugen soll (bei welcher Gelegenheit uns § 21.: wie man Såge verstehen muß, etwas undeutlich geschienen hat). Ferner handelt er von den Erklårungen, Beweisen, Vergleichungen und ihren verschiedenen Arten. Im 33. § wird der Unterschied der philosophischen, oratorischen und poetischen Wahrscheinlichkeit gründlich auseinandergesezt. Wenn es aber von der lehten heißt:,,bald ist es zur poetischen ,,Wahrscheinlichkeit genug, daß eine Sache, die man erdichtet, ,,irgend einmal geschehen sei, z. E. daß Thiere reden"; so scheint uns diese Bestimmung überflüssig, indem die Äsopische Fabel, ohne sich darauf zu stüßen, daß es jemals geschehen sei, den Thieren, ja sogar den leblosen Dingen eine Sprache leiht, wie der Hr. Verf. am Ende des § selbst zu bemerken scheint § 41. und die folgenden betrachten die wahrscheinlichen Beweise, die Induction und Instanz sehr gründlich und philosophisch. Jedoch wir eilen zu der Abhandlung von den Affecten, welche viel neue Anmerkungen enthält und mit einiger Sorgfalt abgehandelt ist. Wir sagen dieses von der Abhandlung von den Affecten selbst; denn im § 53-58., wo das Vorhaben, von den Affecten zu handeln, entdeckt wird, hätten wir mehr Gründlichkeit anzutreffen gewünscht. Warum hat es z. E. dem Hrn. Verf. § 54. ge= fallen zu behaupten, man sollte die Wörter: Lust, Unlust, Begierde, Abscheu u. s. w. durch keine Definition, sondern durch Exempel zu erklären suchen? „Sie sind das Erste", sagt er, das ,,wir von unserm Willen wissen". Wohl! allein haben alle diese Erempel, dadurch er sie erklären will, nichts gemein, daran diese Gemüthsveränderungen in ihrer Art erkannt werden könnten? Und was hat er an den vortrefflichen Erklärungen, die Cartes, . Wolf, Baumgarten *) und Undere von einzelnen Erempeln abgesondert haben, auszusehen gefunden? Sie konnten ihm wohl nicht unbekannt seyn; und håtte er Schwierigkeiten dabei gefunden, so håtte er sie seinen Lesern billig anzeigen sollen. Im § 56., von dem Temperamente, hätten wir auch etwas von dessen Verschiedenheit überhaupt, und insbesondere von dessen

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*) Des Cartes des Passions de l'ame. Wolf's deutsche Metaphyfik § 439. u. flgd. Baumgarten Metaphysica p. III. c. I. sect. 17.

Veränderung in den dreien Stufen des menschlichen Alters, und durch die äußeren Umstånde, als die Lebensart, Erziehung und Gewohnheit, anzutreffen geglaubt; wie diese verschiedene Materien im zweiten Buche der Rhetorik des Aristoteles sehr grundlich abgehandelt, und wirklich zu Erregung und Dämpfung der Affecten von sehr großem Nußen sind.

Wir würden von dem Hrn. Verf. nicht so viel fordern, wenn er nicht in der Folge, bei der Lehre von den Affecten, gezeigt hätte, daß er es wirklich hätte leisten können. Wir finden darin Spuren eines philosophischen Geistes, der richtig denkt und öfters sehr gründliche Anmerkungen macht, der aber nåher zu seinem Endzwecke gelangt seyn würde, wenn er die neuern Weltweisen hätte fleißiger brauchen wollen. Wir wollen ihm Schritt vor Schritt folgen.

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Im § 58. erklärt er das Wort Affect oder Gemüth 8bewegung durch eine starke und heftige Wirksamkeit des Willens, und verwirft des Hrn. Barons v. Wolf Definition, der ihn in seinen lateinischen Schriften durch conatum vehementiorem producendi vel impediendi perceptiones praevisas, und anderswo durch ein starkes sinnliches Begehren oder Verabscheuen erklärt. Der Unterschied meines Begriffs", seßt er hinzu, „wird ,,daraus erhellen, weil Freude etwas anders als Begehren, und „nicht ein jedes heftige Begehren sinnlich ist“. Der Hr. Verf. håtte bedenken sollen, daß sinnlich bei den neuern Weltweisen nichts anders heißt, als undeutlich; so würde vorerst sein zweiter Einwurf ganz gewiß weggefallen seyn. Will er ferner bei der Freude gar kein Begehren statt finden lassen, so kann er sie viel weniger eine Wirksamkeit des Willens nennen, indem ohne Begehren der Wille nicht wirken kann. - Der Unterschied (eben daselbst) zwischen wirklichen und eingebildeten Affecten hat seinen guten Grund. Der wirkliche Affect", sagt der Hr. Verf., „hat Vergnügen und Mißvergnügen, Verlangen oder ,,Verabscheuung an einer Sache, die der Verstand mit Gewiß,,heit, Wahrscheinlichkeit oder Vermuthung für wirklich hält. ,,Der eingebildete ist eigentlich nur eine Idee, was für Affect „wir haben würden, wenn das, was wir ohne Vermuthung der ,,Wirklichkeit als möglich denken, vermuthlich, wahrscheinlich oder gewiß wirklich wäre". Die Gründe hingegen, die er § 59. angiebt, warum ein jeder eingebildeter starker Affect mit einigen

kleinen wirklichen Affecten verbunden sei, scheinen uns nicht zulänglich, diese seltsame Erscheinung zu erklären.

Wiederum theilt er die Affecten § 61. in åchte und unåchte ein; und auch diese Eintheilung ist in der Theorie der schönen Wissenschaften von sehr großem Nußen. Der Gegenstand des åchten Affects ist das wirkliche Schicksal der Menschen, am meisten aber unser eigenes. Die Wichtigkeit und Wahrscheinlichkeit eben dieses Schicksals trägt auch vieles zu dem Grade des Affects bei. Wenn aber diese Schicksale episch oder dramatisch, d. i. in Erzählungen oder in theatralischen Vorstellungen nur als möglich abgebildet werden; so entsteht ein unåchter Affect. Diesen Affect zählt der Hr. Verf. zu den wirklichen. Denn wir werden während der Erzählung oder der theatralischen Handlung oft in langer Zeit nicht erinnert, daß nur mögliche Schicksale vorgestellt werden. Daher halten wir sie für wirklich; und wenn sie von der Wichtigkeit sind, so ge= rathen wir darüber in wirkliche Affecten, bis wir durch irgend einen Umstand unsers Irrthums erinnert werden. Wenn wir ein gar zu großes unächtes Schrecken, einen gar zu großen unächten Ekel davon annehmen, so finden wir aus der Erfahrung, daß es uns angenehm sei, unåchte Affecten gehabt zu haben. (Die Ursachen, die hiervon angeführt werden, thun uns abermals nicht völlig Genüge.) Die eingebildeten Affecten erwecken oder erzeugen auch einige wirkliche Affecten. Die unächten Affecten aber werden in eingebildete verwandelt, sobald man seines Irrthums gewahr wird; daher ist es ein Mittel zu Erweckung und Erzeugung wirklicher Affecten, wenn man eingebildete und unächte veranlaßt.

Im § 66. und flgd. zeigt der Hr. Verf. die Mittel an, einen Affect zu erwecken, zu erzeugen, und zu lenken. Er nennt aber einen Affect erwecken, wenn die Leidenschaft schon wirklich in der Seele da ist, und nur zum Ausbruche gebracht werden foll. Hingegen wird ein Affect erzeugt, wenn schwächere Neigungen, die eigentlich keine Leidenschaften ausmachen, in Wirksamkeiten des Willens verwandelt werden sollen. Ist aber der Affect schon wirklich erzeugt oder erweckt, so muß er auf die gehörigen Mittel, sich wirksam zu zeigen, geleitet werden; und dieses nennt er den Affect lenken.

Im § 75. schreitet er zu den besondern Arten der Affecten fort und macht mit der Freude den Anfang; wo er zeigt, durch

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