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vorhandenen Handschriften dem Texte eine möglichst sichere Grundlage zu geben bemüht war. Ferner gab er in den ausführlichen Prolegomena' einen genauen Ueberblick über das, was er bezüglich des Lebens unseres Schriftstellers, über die Sprache desselben sowie über den Stand der Handschriften hatte ermitteln können; daher konnte wohl von ihm Peters in seiner Dissertation1) mit vollem Rechte behaupten: „fundamentum cuiusvis doctae quaestionis iecit."

Durch diese Ausgabe wurde das Auge der gelehrten Welt wieder auf unseren Autor gelenkt, sodass bald nach dem grundlegenden Werke Thilos eine Anzahl von Einzelabhandlungen in Zeitschriften, z. B. von Haupt2), Wagner3), und Dissertationen, wie von Meynke'), Phil. Braun) veröffentlicht wurden.

Einige Jahre nach Thilo veranstaltete Schenkl eine weitere Ausgabe der Argonautica), die sich im wesentlichen auf die seines Vorgängers stützt. Bald darauf erschien von ihm eine sehr reichhaltige Abhandlung in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie?), in welcher er sich über die etwa gemachten Emendationen rechtfertigte und eine Anzahl von Fragen, mit denen sich bereits Thilo beschäftigt hatte, von neuem aufnahm.

Während aber Thilo und Schenkl sich im Grunde mehr konservativ verhalten, zeigt die weiterhin veröffentlichte Ausgabe von Bährens) eine zu grosse Menge 9) von teilweise sehr willkürlichen Aenderungen der Ueberlieferung, ein Verfahren, das viele Gegner gefunden hat und mit Recht verurteilt werden muss.

In neuester Zeit hat nun ein bereits um mehrere Gebiete der römischen Literatur hochverdienter Gelehrter, der vor wenigen Jahren aus dem Leben schied, Peter Langen, im

'),de Val. Fl. vita et carmine' Regimonti 1890, S. 1.
2),Hermes' 1869, S. 212-15.

3 Phil. Wagner, Emendationes Valerianae, „Philologus“, 20. Jahrg.
1863, S. 617-47.

*) Meynke,,quaestiones Valerianae', Bonnae 1865.

5),Observationes criticae in Val. Flaccum', Marburg 1869.

6) Weidmann, Berlin 1871.

7) Sitzungsber. d. philol. Klasse 1871, S. 271-382.

8) Aemilius Bährens, Teubner, Lipsiae 1875.

9) nahezu dreihundert.

Jahre 1896 und 1897 eine neue Ausgabe mit lateinischem Commentar, in den auch eine Anzahl von kritischen Bemerkungen verflochten sind, verfasst.

Diese Ausgabe sucht alles, was bisher in der Detailforschung sowie in Textkritik über Valerius erschienen war, zusammenzufassen und uns den Valerius in einer dem neuesten Stande der Wissenschaft angemessenen Form vor Augen zu führen.

Was Langens Werk für das Studium des Valerius bedeutet, den der englische Gelehrte Markland einen „mendorum omnis generis thesaurus locupletissimus" genannt hat, ist zum grössten Teile von den Gelehrten, die in Zeitschriften ihr Urteil über diese neue literarische Erscheinung darlegten, bereits eingehend besprochen worden.

Fassen wir deren Meinungen zusammen, so erkennen wir, dass Langen ein Werk vollendet hat, das im ganzen als eine höchst verdienstvolle Arbeit erklärt werden kann und für jeden, der sich künftighin mit diesem Epiker beschäftigen wird, eine geradezu unentbehrliche Grundlage bildet; mit Recht bezeichnen daher Hosius 1) und Kösters 2) diese neue Ausgabe als einen Grund- und Markstein der Valerius-Forschung. Im Texte um nur einzelnes hervorzuheben geht Langen zunächst von den früheren Herausgebern der älteren wie der neueren Zeit aus, hat aber auch die Beiträge, die zahlreiche Gelehrte in den Zeitschriften, Dissertationen und Programmen geliefert hatten, wie z. B. Slothouwer, Köstlin, Postgate, Ellis u. a., mit grösster Sorgfalt herangezogen und geprüft. Auf diesem Wege sucht er die Mitte zu halten zwischen der konservativen Richtung Thilos und dem zu willkürlichen Verfahren von Bährens; er strebt die Ueberlieferung zu halten und ändert nur, wo es ihm notwendig erscheint.

Wie die Text-Revision, so ist auch der Commentar eine wertvolle Leistung, die ein Bild deutschen Gelehrtenfleisses vor unseren Augen entfaltet; der Verfasser verfolgt mit der ausgebreiteten Kenntnis eines Latinisten manche sprachliche Erscheinung bis in die Zeit der christlichen Schriftsteller und hat

') Neue Jahrbücher f. Philolog. u. Pädag. 1899, S. 116.
*) Neue philolog. Rundschau 1898, S. 200.

in manche bisher dunkle Stelle Licht zu bringen gewusst. Dabei hat auch das Verhältnis des Valerius zu seinen Vorgängern und zu späteren Dichtern eine eingehende Berücksichtigung gefunden.

Doch wie kein literarisches Werk als absolut vollendet erklärt werden kann, so hat auch Langens Ausgabe nicht in allen Punkten die Zustimmung der Gelehrten erhalten. So hat Leo'), der diesem Buche eine sehr ausführliche und belehrende Besprechung gewidmet hat, viele Emendationen im Texte des Valerius für überflüssig erklärt, ebenso Schenk12), Samuelson3) und andere, die nach Langen sich mit kritischer Behandlung des Valerius beschäftigten.

Was die Beziehungen des Valerius zu Vergil betrifft, so sind sie in Langens Commentar ziemlich eingehend verwertet worden. Denn wie bezüglich des Inhaltes dem Dichter ein klares Vorbild im Apollonios von Rhodos vorlag, so hatte er in formeller Hinsicht das beste Muster an Vergil, den Velleius Paterculus II, 36, 3 den,princeps carminum' genannt hat. Anklänge an jenen begegnen uns daher im ganzen Werke, in einzelnen Redensarten wie in zusammenhängenden Abschnitten.

Dass aber auch in dieser Hinsicht in Langens Ausgabe manches ausser acht gelassen wurde, hat Weymann in seiner Rezension klar ausgesprochen mit den Worten: „die imitatio Vergiliana geht weiter, als Langens Angaben erkennen lassen. "4)

Um hier eine gewisse Gründlichkeit zu erzielen, werde ich auf Anregung dieses meines hochverehrten Lehrers die letztere Frage in der folgenden Abhandlung nochmals untersuchen und nach möglichst genauer Prüfung der vorhandenen Literatur diejenigen Stellen anführen, die ausser den von Langen angegebenen im Commentar hätten verwendet werden können; ist ja Langens Werk nicht eine Ausgabe für

1) Götting. gelehrte Anzeig. 953-76, Jahrg. 1897.
2) Wochenschr. f. kl. Philologie 1898, S. 6-11.

*) Symbolae criticae, Anhang zu seiner Dissertation „Studia in Val.
Flaccum", Upsalae 1899 S. 99-135.

4) Blätter f. d. bayer. Gymnasialwesen, 1898, S. 628. Der gleichen Ansicht ist Schenkl sowie H. de la Ville de Mirmont (Revue de philologie, 1897 S. 215).

die Schule, sondern für die gelehrten Kreise und hätte somit, wenn der Verfasser in gewissem Sinne eine Zusammenfassung des vorhandenen literarischen Materials bieten wollte, auch hier ein Abschluss erfolgen sollen.

In dem weiteren Teile meiner Arbeit werde ich alsdann einen ergänzenden Beitrag von bisher in der Literatur noch nicht erwähnten Vergilstellen zu liefern suchen, damit auf diesem Gebiete eine feste Grundlage geschaffen werde. Ferner werde ich, um zu zeigen, wie Valerius in formeller Hinsicht von Vergil beeinflusst wird, einen besonderen Abschnitt über die Variation vergilischer Verse und die Steigerung von Wendungen des genannten Vorbildes anfügen. Den Schluss wird ein kurzer kritischer Anhang bilden.

Bevor ich zur Behandlung des eigentlichen Themas übergehe, sei mir noch gestattet einen kurzen Ueberblick über die Literatur zu geben, die das Verhältnis des Valerius zu Vergil zum Gegenstande gehabt hat.

Nachdem schon die alten Herausgeber Burmann, Wagner und Lemaire in sehr ausgiebiger Weise Stellen aus Vergil zum Vergleiche herangezogen hatten, veröffentlichte 1869 Greiff') eine mehr umfassende Abhandlung,de Valerii Flacci Argonauticis cum Vergili Aeneide comparatis'. Wenige Jahre darauf gab Schenkl am Schlusse seiner „Studien zu Valerius Flaccus“ eine vollständige Sammlung von Stellen, die eine Beziehung zu Vergil aufweisen.2) Seinem Beispiele folgte Bährens, der seiner Bearbeitung des Valerius einen ,Index locorum Vergilianorum anfügte, aber darin manche Stellen seines Vorgängers wegliess. Alsdann brachte die Abhandlung von Manitius „Vorbilder und Nachahmer des Valerius Flaccus❝3) einen sehr reichhaltigen Nachtrag von, wie der Verfasser selbst mit Recht ausspricht, unbedingt heranzuziehenden" Stellen; ferner boten die Dissertationen von Peters) und Grüneberg") eine Anzahl von neuen Vergleichspunkten. Endlich veröffentlichte Schenkl in der Rezension von Langens Werk einige

1) Trient 1869. Gymnasial-Progr.

2) Abh. d. Wien Akad. 1871, S. 371-78.
3) Philologus 1889, S 249 ff.

*) De Val. Fl vita et carmine, S. 42-47.

5) De Val. Fl. imitatore, Berlin 1893.

Parallelstellen aus dem II. Buch'), nachdem er schon vorher in der Schrift,Grammaticorum Batavorum Coniecturae ineditae' 2) die von den alten Philologen Lennep und Francius bereits gefundenen Vergilstellen herausgegeben hatte.

Die Resultate der Studien der oben genannten Gelehrten bilden die Grundlage der folgenden Ausführungen, die als eine vielleicht nicht unwillkommene Ergänzung zu Langens Commentar dienen sollen.

Endlich ist es mir eine angenehme Pflicht, allen Herren, welche mir bei der Abfassung dieses Werkchens fördernd zur Seite standen, meinen herzlichsten Dank zum Ausdruck zu bringen.

Dieser Dank gilt in erster Linie meinen hochverehrten Lehrern, den Universitäts-Professoren Herren Geheimrat Dr. Iwan v. Müller und Dr. Karl Weyman, die meiner Abhandlung stets das wohlwollendste Interesse bezeigten.

Ebenso sei den Herren Beamten der Kgl. Universitäts- und der Hof- und Staats-Bibliothek für ihr jederzeit freundliches Entgegenkommen hiemit wärmstens gedankt!

') Wochenschr. f. kl. Phil. 1898 S 11.

2) Wiener Studien, 1883, S. 139 ff.

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