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uns den Tod verkündigen. Er sagt uns gleichsam durch jede Krankheit: „Nimm dich in Acht! es kann mit dir bald ein Ende nehmen. Bereite dich, du wirst bald vor mir erscheinen müssen!"

Gott meint es also doch am Ehrlichsten mit uns Die Welt will es uns immer verbergen, daß wir sterben müssen. Wer sagt euch etwas hievon, wenn ihr auf der Bierbank oder am Spieltisch sigt? Niemand! Wer erinnert euch an den Tod, wenn ihr heirathet, wenn ihr handelt und wandelt, wenn ihr arbeitet, wenn ihr fündiget? Niemand! Ja, wenn ihr krank seid, so will man euch noch überreden: es sei noch nicht so gefährlich, es werde schon wieder besser gehen. Gott allein rückt aufrichtig mit der Sprache heraus; er allein sagt euch, was er dem König Ezechias durch den Propheten Isaias sagen ließ: „Du wirst sterben und nicht mehr länger leben!"

Jeder Schmerz, welchen du empfindest, verkündet dir, daß dein fleischernes Haus, dein Leib, in welchem du wohnst, bald zusammenfallen werde; daß dich, so gesund und stark du auch seist, eine kleine Krankheit ins Grab bringen könne; daß du, so oft du Athem holst, auch einen Theil deines Lebens von dir stoßest; daß jede Stunde, die du schlagen hörst, dich näher zum Tode führt. Dieses sind die heilsamen Gedanken, welche durch eine gefährliche Krankheit in

uns erweckt werden. Alsdann richtet der Christ seine Augen ins Grab, in welches er bald hinabsteigen wird. Er erkennt, was er sonst niemals geglaubt hat, daß er sterblich sei, und wünscht nun, was er sonst verabscheut hat, daß er bald sterben möge.

Das nühen uns also die Krankheiten. Sie zeigen uns, daß wir Sünder und daß wir Sterbliche find. Jenen Menschen also, welche ihre Sünden nicht erkennen, ihr Leben nicht bessern, ist wahrlich nichts nüglicher als eine langwierige Krankheit, als eine Lehrmeisterin, die es dem Menschen augenscheinlich und handgreiflich zeigt, was er sei und was er thun soll. - Ja, meine Christen! weil es gewiß besser ist, lange leiden und selig sterben, als schnell sterben und auf ewig verloren gehen, so dürfen wir Gott wohl bitten, er wolle uns nicht ohne Krankheit sterben lassen. In gesunden Tagen bereiten wir uns gar zu wenig zu einem guten Tod: es wird also eine Gnade Gottes sein, wenn wir vor unserm Tod noch eine solche Krankheit bekommen, die unsre Sünden abbüßt und zu einem seligen Ende uns vorbereitet. Vom gähen und unversehenen Tod erlöse uns o Herr! Amen.

Frühlehre auf den einundzwanzigsten Sonntag nach Pfingsten.

Die Todsünde ist das größte Uebel, mag man sie mit natürlichen oder mit geisti gen Augen betrachten.

„Das Himmelreich ist gleich. einem König, der mit seinen Knechten abrechnen wollte." Matth. 18, 23.

Das Himmelreich, sagt Jesus im heutigen Evangelium, das Himmelreich ist gleich einem König, der mit seinen Knechten abrechnen wollte; und als er zu rechnen anfing, wurde ihm Einer vorgestellt, der ihm zehntausend Talent, d. i. nach unserm Geld dreiundzwanzig Millionen Gulden, schuldig war. Wahrlich eine ungeheure Summe! Da es aber unter den Menschen nicht wohl möglich ist, daß ein Knecht seinem Herrn so viel Geld schuldig sei; so könnt ihr euch, meine Christen! leicht denken, daß Jesus hier uur gleichnißweise redet, und durch diese Schuld nichts Andres andeuten wollte, als die Todsünde oder jene Schuld, welche man bei Gott macht, wenn man eine schwere Sünde begeht. So gibt es also kein größeres Unglück und kein größeres Uebel als eine Todsünde. Darum werde ich heute zeigen, was eine schwere Sünde oder eine Todsünde für ein großes Uebel sei, wenn man es betrachtet

1. mit den natürlichen Augen,
2. mit den Augen des Glaubens.

1.

Vor mehreren Jahren kehrte ein Geistlicher auf seiner Reise bei einem Wirth ein, welcher ein großes Bauerngut hatte. Weil nun der Geistliche mit dem Wirth schon länger bekannt war, so fragte er ihn, was er denn heuer für ein Jahr gehabt habe? „Kein gutes", gab der Wirth zur Antwort, „es hat mich heuer Alles getroffen. Ich habe lange Zeit die Franzosen im Quartier, einen großen Schauer und den leidigen Viehfall gehabt.“ Der Geistliche fragte ihn wieder, wie hoch er seinen Schaden anschlage? Meinen Schaden, sagte der Wirth, darf ich wohl auf viertausend Gulden anschlagen. Aber das ist ein Unglück! sprach der Geistliche voll Mitleid. „Ha! das ist noch kein so großes Unglück; wenn ich eine Tod= sünde begangen hätte, das wäre wohl ein größeres Unglück," sagte der Wirth.

Schön gesprochen, gut gesprochen! eine Todsünde ist ein weit größeres Uebel, das einzig wahre, das größte Uebel. Was wir sonst für ein Unglück, für ein Uebel halten, ist fein wahres Uebel.

Krankhein ist fein wahres Uebel. Wenn man krank ist, so hat man besser Zeit und Gelegenheit, sich auf einen guten Tod vorzubereiten.

Armsein ist kein wahres Uebel. Die Armen, sagt der Heiland selbst, kommen viel leichter in den Himmel als die Reichen.

Feinde haben ist kein wahres Uebel. Die Feinde nügen uns weit mehr als die besten Freunde, weil fie uns unsre Fehler vorhalten und machen, daß wir mehr auf uns selbst Acht geben.

Ein zeitliches Unglück haben ist kein wahres Uebel. Ein Unglück muß uns oft die Augen öffnen, daß wir unser Herz nicht zu sehr an das Zeitliche hängen, sondern mehr nach dem Ewigen trachten. Nur die Sünde allein ist ein wahres Uebel, wenn wir es mit unsern natürlichen Augen betrachten.

Eine jede Sünde ist eine Unordnung, ist an sich selbst etwas Böses, und aus Bösem kann nichts als Böses entstehen. Die Sünde allein, sagt der königliche Prophet David, die Sünde allein macht die Menschen schon in diesem Leben unglücklich.

Wer feindselig und zornmüthig ist, der verbittert sich und Andern das Leben. Wie hart ist es, wenn man mit feindseligen und zornigen Menschen umgehen muß! Wer geizig ist, der vergönnt sich und Andern Nichts, der leidet oft bei seinem Ueberfluß weit mehr Noth als der ärmste Bettler.

Wer hoffärtig ist, der bringt alle Leute wider fich auf: Niemand kann einen hoffärtigen Menschen leiden. Wer unmäßig im Essen und Trinken ist,

Dreer, Frühlehren. III.

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