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aspicis haec? an te, genitor, cum fulmina torques, nequiquam horremus, caecique in nubibus ignes 210 terrificant animos et inania murmura miscent? femina, quae nostris errans in finibus urbem exiguam pretio posuit, cui litus arandum cuique loci leges dedimus, conubia nostra reppulit ac dominum Aenean in regna recepit. 215 et nunc ille Paris cum semiviro comitatu, Maeonia mentum mitra crinemque madentem subnixus, rapto potitur; nos munera templis quippe tuis ferimus famamque fovemus inanem.' Talibus orantem dictis arasque tenentem 220 audiit omnipotens oculosque ad moenia torsit regia et oblitos famae melioris amantis.

tum sic Mercurium adloquitur ac talia mandat: 'vade age, nate, voca zephyros et labere pinnis Dardaniumque ducem, Tyria Karthagine qui nunc 225 exspectat fatisque datas non respicit urbes,

208. an te miscent, scharfer Gegensatz zu der emphatisch vorangestellten Anrede „Iuppiter omnipotens".

209. caeci, prädicativer Zusatz. ,,Blinde Blitze" (wie blinder Lärm) wirkungslose Blitze. Vgl. v. 2. 210. miscent, mischen darunter; inania wie caeci.

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gien. Die phrygische Mütze war eine Art Hut mit Ohrenklappen, welche unter dem Kinn gebunden wurden.

217. rapto potitur, Hindeutung auf den Raub der Helena.

218. ferimus templis, vgl. v. 185.

inanem, vgl. v. 209. Die ganze bittere Ironie ist mit quippe zu Anfang des Verses hervorgehoben.

219-237. Iuppiter schickt den Mercurius zu Aeneas mit der Mahnung, des ihm und dem Ascanius bestimmten Reiches zu gedenken.

219. orantem tenentem. Bei den Gebeten zu den Göttern glaubte man durch Berührung des Altars und der Götterbilder sich in unmittelbare Berührung mit den Göttern zu setzen.

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adloquere et celeris defer mea dicta per auras.
non illum nobis genetrix pulcherrima talem
promisit Graiumque ideo bis vindicat armis;

sed fore qui gravidam imperiis belloque frementem
230 Italiam regeret, genus alto a sanguine Teucri
proderet ac totum sub leges mitteret orbem.
si nulla accendit tantarum gloria rerum
nec super ipse sua molitur laude laborem,
Ascanione pater Romanas invidet arces?

235 quid struit? aut qua spe inimica in gente moratur, nec prolem Ausoniam et Lavinia respicit arva? naviget! haec summa est, hic nostri nuntius esto.'

mit Auslassung des Objects gebraucht und erscheinen dann als intransitiva; ebenso unser „,warten, abwarten". datas urbes. Der Plural deutet auf die Herrschaft über ganz Latium hin.

227. talem, emphatisch am Ende des Verses mit Bezug auf das zu Anfang des Verses gestellte non illum: als einen solchen, der aus Leidenschaft zur Dido seine grosse Bestimmung vergisst.

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228. Graium. Die Griechen heissen beim Dichter Achivi, Argivi, Grai, Danai, Pelasgi. armis, Ablat. disiunct. bis. Nach Homer wurde Aeneas im Kampfe vor Troia mit Diomedes von Venus, in dem mit Achilles von Neptun gerettet. Vielleicht will der Dichter die zweite Rettung auf die Zerstörung der Stadt, die erste auf den Kampf vor Troia bezogen wissen. vindicat, ist hier nicht reines Präsens historicum, sondern: sie hat ihn gerettet und schützt ihn noch. Daher der Wechsel des Tempus in promisit und vindicat.

229. gravidam imperiis, das viele Herrschaften zur Welt bringen wird, d. i. das über viele Völker herrschen wird.

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gegangene Geschlecht soll den Erdkreis beherrschen.

Uebrigens

spricht hier der Dichter wieder ganz nur aus dem Geiste seiner Zeit, in welcher Augustus die Herrschaft über den grössten Theil des damals bekannten Erdkreises hatte.

232. si nulla laborem. Zwei Gründe sind es, die den Aeneas bestimmen sollen aufzubrechen, die ihm vom Schicksal vorgezeichnete Bahn und dazu noch sein eigener Ruhm (super sua laude). Letzterer verbietet ihm ganz besonders thatenlos die Tage bei Dido zu vergeuden. Aber wenn auch diese Gründe nichts mehr gelten, so soll doch wenig. stens der Vater den Sohn nicht vergessen, wenigstens für den Sohn das Reich schaffen, welches diesem vom Schicksal bestimmt ist. Daher v. 234. pater mit besonderer Betonung neben Ascanio.

234. arces, hier mit spezieller Beziehung auf die Siebenhügelstadt.

235. inimica in gente. Das Volk ist feindlich, nur Dido allein ist freundlich umgestimmt worden.

236. prolem Ausoniam, d. i. im Sinne des Dichters die Römer. Ausones ist dera lte Name für den grössten Theil der mittelitalischen Bevölkerung. Ebenso Lavinia arva, die Gefilde von Latium, d. i. Rom und sein Gebiet.

237. Dieser Vers enthält abschliessend nach der vorausgegangenen Mahnung den gemessenen Befehl des obersten Gottes. nuntius ist

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Dixerat. ille patris magni parere parabat imperio; et primum pedibus talaria nectit 240 aurea, quae sublimem alis sive aequora supra seu terram rapido pariter cum flamine portant. tum virgam capit; hac animas ille evocat Orco pallentis, alias sub Tartara trìstia mittit,

dat somnos adimitque et lumina morte resignat. 245 illa fretus agit ventos et turbida tranat

nubila. iamque volans apicem et latera ardua cernit Atlantis duri, caelum qui vertice fulcit, Atlantis, cinctum assidue cui nubibus atris piniferum caput et vento pulsatur et imbri; 250 nix umeros infusa tegit, tum flumina mento praecipitant senis, et glacie riget horrida barba. hic primum paribus nitens Cyllenius alis

constitit; hinc toto praeceps se corpore ad undas misit, avi similis, quae circum litora, circum 255 piscosos scopulos humilis volat aequora iuxta. haud aliter terras inter caelumque volabat litus harenosum ad Libyae ventosque secabat materno veniens ab avo Cyllenia proles.

ut primum alatis tetigit magalia plantis, 260 Aenean fundantem arces ac tecta novantem

ebensowohl der Bote, als die Botschaft, welche der Bote bringt.

238-278. Mercurius verkündet dem Aeneas den Befehl Iuppiters. 240. sublimem, hier malerisch,,in der Höhe schwebend".

242. virgam capit. Nach einer nachhomerischen Sage geleitet Hermes die Todten in die Unterwelt (ψυχοπομπός) und kann sie aus derselben wieder zur Oberwelt führen.

244. lumina morte resignat, eine epische Wiederholung von animas evocat Orco.

245. illa fretus agit ist nicht coordinirt zu hac evocat, sondern Fortsetzung in der Erzählung von der Ausführung des erhaltenen Befehls.

247. Atlas, eine Personifizirung des für den Griechen im fernen Südwesten den Horizont schliessenden, hohen Gebirges, dessen Einzelnheiten die folgenden Verse geben. Vgl. Aen. I, 741. duri, des harten, in Wind und Wetter ausdauernden.

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251. senis. So lange die Menschen wissen, steht er an seinem

Platze (duri); auch die schneebedeckten Gipfel erinnern an das Greisenhaar.

252. paribus nitens alis, malerisch der Natur nachgebildet. Cyllenius, von dem Berge Cyllene im nördlichen Arkadien, wo Mercurius geboren sein sollte und einen Tempel

hatte.

-

quae

254. misit, vgl. v. 70. iuxta, Umschreibung des Tauchers (mergus).

- ter

256. haud aliter, hebt, wie das homerische çavtoos, das Tertium comparationis scharf hervor. ras inter caelumque, unser „,zwischen Himmel und Erde".

258. materno ab avo. Die Mutter des Mercurius, Maia, war eine der Pleiaden, der Töchter des Atlas.

259. magalia. Die niedrigen Hütten der Numider hiessen magalia oder mapalia und hatten eine eigentümliche, Schiffskielen ähnliche Form. Die Vorstädte von Karthago behielten diesen Namen.

260. fundantem novantem, zu seiner bleibenden Niederlassung.

conspicit. atque illi stellatus iaspide fulva
ensis erat, Tyrioque ardebat murice laena
demissa ex umeris, dives quae munera Dido
fecerat et tenui telas discreverat auro.

265 continuo invadit: 'tu nunc Karthaginis altae
fundamenta locas pulchramque uxorius urbem
exstruis, heu! regni rerumque oblite tuarum?
ipse deum tibi me claro demittit Olympo
regnator, caelum et terras qui numine torquet,
270 ipse haec ferre iubet celeris mandata per auras:
quid struis? aut qua spe Libycis teris otia terris?
si te nulla movet tantarum gloria rerum,
[nec super ipse tua moliris laude laborem]
Ascanium surgentem et spes heredis Iuli
275 respice, cui regnum Italiae Romanaque tellus
debentur.' tali Cyllenius ore locutus

mortalis visus medio sermone reliquit

et procul in tenuem ex oculis evanuit auram. At vero Aeneas aspectu obmutuit amens, 280 arrectaeque horrore comae, et vox faucibus haesit. ardet abire fuga dulcisque relinquere terras, attonitus tanto monitu imperioque deorum.

heu quid agat? quo nunc reginam ambire furentem

Daber führt ihn der Dichter auch schon in tyrischem Schmuck ein. arces, die festen Punkte der Stadt, tecta, der Palast zu eigenem Gebrauch. Vgl. v. 266.

261. stellatus iaspide. Der Griff des Schwertes ist, wie jetzt noch, mit Edelsteinen geschmückt.

262. ardebat, wie wir von der Farbe sagen: „sie hat Feuer“; es bezieht sich also nicht auf die rothe Farbe, sondern auf den feurigen Glanz der Farbe.

263. munera, bezieht sich zunächst nur auf das Gewand, das Dido aus Purpur mit feinem Goldgewebe gemacht hat. Doch ist wohl auch das reiche Schwert ein Geschenk der Dido gewesen.

265. continuo invadit, zur Bezeichnung der eilenden Entschiedenheit: sogleich geht er auf ihn zu und redet ihn an.

268. ipse, zweimal in der Anaphora und zu Anfang des Verses, um den Ernst des Gebotes zu betonen.

270. ferre iubet, vgl. v. 12.

273. Dieser Vers fehlt in den besten Handschriften.

277. mortalis visus reliquit. Plötzlich, wie er den Aeneas scharf angeredet hat, entfernt er sich, ohne ein Wort von diesem abzuwarten (medio sermone). Bei der Entfernung legt er die menschliche Gestalt wieder ab und bekräftigt dadurch, dass er sich als Gott zu erkennen giebt, den Ernst der göttlichen Warnung.

279-295. Aeneas betreibt heimlich die Flucht.

279. amens, ausser sich vor Staunen, Ueberraschung, wie furens ausser sich vor Leidenschaft. Die Gewalt der Ueberraschung zeigt sich auch in dem Aeussern, wie es in v. 280 beschrieben wird.

282. deorum. Der Plural steht manchmal, wo nur die Beziehung auf einen Gott stattfindet. Vgl. v. 204. 283. heu quid agat? in einem bedeutungsvollen Asyndeton angereiht. ambire mehr als adire; er

audeat adfatu? quae prima exordia sumat?

285 atque animum nunc huc celerem, nunc dividit illuc
in partisque rapit varias perque omnia versat.
haec alternanti potior sententia visa est:

Mnesthea Sergestumque vocat fortemque Serestum,
classem aptent taciti sociosque ad litora cogant,
290 arma parent et, quae rebus sit causa novandis,
dissimulent; sese interea, quando optima Dido
nesciat et tantos rumpi non speret amores,
tentaturum aditus et quae mollissima fandi
tempora, quis rebus dexter modus.
295 imperio laeti parent ac iussa facessunt.
At regina dolos quis fallere possit amantem?
praesensit motusque excepit prima futuros,
omnia tuta timens. eadem impia Fama furenti
detulit armari classem cursumque parari.

ocius omnes

300 saevit inops animi totamque incensa per urbem bacchatur, qualis commotis excita sacris

Thyias, ubi audito stimulant trieterica Baccho

kann ihr seinen durch den Götterwillen gebotenen Entschluss nur auf ,,Umwegen" beibringen. Daher muss er auch weit ausholen (quae prima exordia sumat).

285. celerem, prädicativ.

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287. alternanti, weist auf huc illuc zurück. Aeneas steht vor einem,,entweder oder".

293. quae modus, epische Epexegese zu aditus. rebus. Der Dativ ist hier schärfer als der Genetiv: welches die rechte Art sei für die Lage, welche Weise der Sache am besten diene.

296-330. Dido, welcher der geheime Plan nicht entgangen ist, überhäuft den Aeneas mit Vorwürfen.

297. excepit prima, sie war die erste, welche das auffing, was vorgehen sollte. futuros, die im Werden begriffene Bewegung, den nahen Aufbruch.

298. omnia tuta timens, im engen Anschluss an excepit. Sie hatte den Aeneas gefesselt, aber sie kannte auch das ihm bestimmte Schicksal. Daher fürchtete sie immer, auch wo Alles für sie, für den Besitz des Aeneas sicher schien, und daher

hatte sie auch eine so scharfe Aufmerksamkeit. eadem impia Fama, die gleiche lieblose, unbarmherzige Fama, wie sie v. 173-197 geschildert worden ist. Nicht genug, dass sie böse Gerüchte über Dido ausgestreut hat, ist sie auch unbarmherzig genug, ihr den weitern Schmerz, die vorbereitete Abreise des Aeneas zuzutragen.

300. saevit incensa bacchatur, eine Steigerung von furens in Folge der Kunde. inops animi, der Besinnung nicht mehr mächtig, von aller Ueberlegung verlassen.

301. commotis sacris. Bei dem alle drei Jahre wiederkehrenden Feste des Bacchus wurden in Theben die heiligen Gefässe des Gottes aus dem Tempel geholt, und mit ihnen begab sich ein feierlicher Aufzug in der Nacht auf den nahen Cithäron. Dabei geriethen die Bacchantinnen (Thyiaden, Mänaden), unter lautem Rufen (Io Bacche) den Thyrsusstab schwingend und Pauken schlagend in wilde Begeisterung und geleiteten den Zug auf den Cithäron, wo die Orgien, d. h. die stürmischen nächtlichen Gelage dem Bacchus zu Ehren gefeiert wurden. Daher audito Baccho, orgia.

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