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HERRN PASTOR

JOHANN DOROTHEOS FRITZSCHE,

DEM THEUERSTEN VATER,

ZUM FÜNFUNDSIEBENZIGSTEN GEBURTSTAGE

IN KINDLICHER LIEBE

DER VERFASSER.

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Bringe ich Dir, mein guter Vater, heute ausser meinen frommen kindlichen Wünschen als Angebinde eine wissenschaftliche Untersuchung, von der ich, wie die Philologen von vielem Aehnlichen sagen kann:

non omnes arbusta iuvant humilesque myricae :

so thue ich diess deshalb, weil ich das rege Interesse kenne, mit welchem Du alles das verfolgst, was auf die classischen Studien überhaupt und insbesondere auf jene Feinheit und Eleganz Bezug hat, in welcher die Dichter von Hellas und Latium als unübertroffene Muster dastehen. Findet Dich doch noch in Deinem fünfundvierzigsten Amtsjahre die späte Abendstunde beim Lesen Deines Cicero, Flaccus oder Maro. Und so weisst Du denn mehr als mancher Andere aus der Fülle Deiner Erfahrungen, was die Worte Cicero's besagen: haec studia adolescentiam agunt, senectutem oblectant, secundas res ornant, adversis perfugium ac solatium praebent, delectant domi, non impediunt foris, pernoctant nobiscum, peregrinantur, rusticantur.

So nimm denn diese Gabe der Liebe hin. Es betrifft unsere gemeinsamen Freunde, Theokrit und Virgil.

In der für die Kritik unentbehrlichen Ausgabe der Bukoliker von Ahrens sind unter dem griechischen Texte als imitationes diejenigen Stellen späterer Autoren abgedruckt, wo dieselben, insbesondere Virgil, die Idyllen des Theokrit vor Augen hatten. Leider konnten aber hier nach der Anlage jener Ausgabe die metrischen Eigenthümlichkeiten nicht durchgängig und ausdrücklich angegeben werden, welche einen nachweisbaren Einfluss auf den Bau der Verse in Virgils Eklogen ausübten. Ich sage: einen nachweisbaren Einfluss; denn es ist sehr verführerisch, hier mehr anzunehmen, als es, genauer erwogen, die Natur der Sache erlaubt. Betrachten wir also einige hierher gehörige Stellen.

In Theokrits erster Idylle lesen wir folgende Verse (80—81), auf die uns der Gang unserer Untersuchung wiederholt zurückführen wird:

ἦνθον τοὶ βοῦται, τοὶ ποιμένες, πόλοι ἦνθον·

πάντες ἀνηρώτευν τί πάθοι κακόν. ἦνθ ̓ ὁ Πρίηπος κτλ. Hierzu habe ich in meiner Ausgabe des Theokrit bemerkt, dass Virgil Ekl. 10, 19 diese Stelle mit den Worten nachahmt:

venit et upilio, tardi venere subulci,

uvidus hiberna venit de glande Menalcas:

wie denn auch Ahrens zu Theokrit, Woldemar Ribbeck in der jetzt erschienenen Ausgabe des Virgil von Otto Ribbeck Vol. I. p. 249 und andere Gelehrte diess angenommen haben. Allein ich bin zu weit gegangen, wenn ich sagte, dass auch die Wortstellung, nach welcher dasselbe Wort (vov - ἦνθον) den Vers anfängt und schliesst, von Virgil, nämlich Ekl. 7, 4 ambo florentes aetatibus, Arcades ambo, und 10, 39 et nigrae violae sunt et vaccinia nigra, nachgeahmt worden sei. Statt Ekl. 10, 39 hätte ich eher Ekl. 5, 52 (Daphnim ad astra feremus: amavit nos quoque Daphnis) und vergleichsweise Ekl. 8, 78 (nectenecto) nennen können. Denn es handelt sich Theokr. 1, 80 darum, dass der Hexameter gleich vorn in der Arsis des ersten Fusses mit demjenigen Spondeus oder Trochaeus anhebe, welcher dann den sechsten Fuss füllt, was bei Theokrit nur noch 15, 1 geschieht. Aus Virgils Eklogen lässt sich zu 7, 4 (ambo cet.) der Vers 10, 39 (et nigrae cet.) nur als ähnlich, aber nicht als congruent anführen (vgl. unten p. 21) und einigermassen mit Ekl. 5, 6. 5, 83. 7, 51. [9, 57. 6, 9. 7, 35. 9, 48] zusammenhalten. Allerdings lesen wir noch Theokrit 2, 21 πάσσ', ἅμα καὶ λέγε ταῦτα· τὰ Δέλφιδος ὄστια πάσσω, aber vorn mit einem apostrophirten Worte; und diess hatte Virgil Ekl. 8, 78 vor Augen: necte, Amarylli, modo et Veneris dic,,vincula necto", wie Wortstellung, Sinn und Zusammenhang lehren. Vgl. Ribbeck Verg. I. p. 247, während wir bei Ahrens zu Theokr. 2, 21 diese imitatio vermissen. Wenn aber an dieser Stelle Virgil sich eng an Theokrit anschloss, so folgt daraus nicht, dass für die rhythmisch ganz anders wirkende Wortstellung in Ekl, 5, 52 (Daphnim cet.) und 7, 4 (ambo cet.) oder gar für die entfernteren Ausdrucksweisen gerade Theokrit 1, 80 und 15, 1 das Vorbild gewesen sein

müsse. Vielmehr schwebte Virgil in Ekl. 7, 4 (am bo cet.) Theokrit 8, 3 vor: ἄμφω τώγ' ἤστην πυρροτρίχω, ἄμφω ἀνάβω κτλ. Er stellte aber das zweite ambo in den sechsten Fuss des Verses, weil die so entstehende Epanalepsis für die rhetorisirende Sprache des Römers ganz wie geschaffen und schon seit Lucrez geläufig war. Vgl. Lucr. 4, 1255. 1, 815. Hor. Ep. 1, 1, 25 aeque pauperibus prodest, locupletibus aeque. Prop. 1, 4, 5. Tibull. 1, 3, 11 illa sacras pueri sortes ter sustulit, illi 2, 4, 51 vera quidem moneo, sed prosunt quid mihi vera? 4, 5, 5 uror uror. Virg. Georg. 2, 536 ante etiam sceptrum Dictaei regis et ante. 3, 358 nec quum invectus equis allum petit aethera, nec quum. 4, 65 ipsae

ante

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ipsae. 4, 306

ante. 4, 342 ambae auro, pictis incinctae pellibus ambae, was wieder an das oben Erwähnte, Ekl. 7, 4 ambo cet., und an Aen. 11, 291 ambo animis, ambo insignes cet., erinnert. Aen. 1, 750 und das. Ladewig. Von späteren Dichtern will ich nur beispielsweise hier nennen: Stat. Silv. 1, 3, 102. 2, 3, 70. Juvenal 1, 15. 2, 82. 2, 127 und Cul. 309. Nachklänge finden wir auch bei den Humanisten des fünfzehnten Jahrhunderts, z. B. bei Jo. Baptista Mantuanus Ekl. 6 ed. Junt. 1504:

vester erit stimulus, vester ligo, pastina vestra,

vester erit vomer, iuga vestra, agrestia vestra.

Hierzu kommt, dass Virgil auch in seinen Eklogen Eigenthümlichkeiten in der Wortstellung zeigt, welche er offenbar nicht dem Theokrit nachgebildet hat, sondern auf welche der Römer beim Baue des Hexameters, durch das Wesen seiner Sprache veranlasst, leicht kommen konnte. Der Art ist die Gewohnheit, das einsilbige Wort, mit welchem ein Hexameter beginnt, am Schlusse des vierten Fusses, also vor der bukolischen Cäsur oder nach der caesura έφθημιμερής, wieder zu setzen. Dies geschieht in Virgils Eklogen, an folgenden Stellen: Ekl. 1, 22 (23 v.)

-.

sic canibus catulos similes, sic matribus haedos Ferner 1, 32 nec spes libertatis erat nec cura peculi. 2, 20 quam quam. [2, 22 lac mihi non non frigore defit].

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