INHALT. Seite 1 Manuskripte für das Dezember- heft 1917 werden bis spätestens ende Oktober a. c. erbeten an Prof. Dr. Eugen Einenkel, Halle - Giebichenstein, In folge von raummangel mufs sich die redaktion die annahme von dissertationen bis auf weiteres versagen! Die für die 'Anglia' bestimmten rezensionsexemplare neu erschienener druckschriften sind zu senden an: Prof. Dr. Max Mann, Herausgeber des 'Beiblattes', Frankfurt a/M., Humbrachtstrafse 11. Die herren mitarbeiter werden höflichst ersucht, manuskripte druck- fertig einzusenden und in den korrekturbogen nach möglichkeit solche änderungen zu vermeiden, die mit zeilen- oder seitenumbrechung verknüpft sind. Die verlagsbuchhandlung trägt die kosten für die von der druckerei nicht verschuldeten korrekturen nur bis 3 mark pro druckbogen. Etwaige BAND-INHALT. Seite Gertrud Goetze, Die Richard - Anna - szene in Shakespeares 1 Ph. Aronstein, Shall und will zum ausdrucke der identität im 10 Max Förster, Die altenglische glossenhandschrift Plantinus 32 (Antwerpen) und Additional 32246 (London) . 94 Victor Langhans, Der prolog zu Chaucers legende von Guten 162 A. E. H. Swaen, Sir Tristrem 297 und 869 182 A. E. H. Swaen, As. scœnan = ae. sheen 184 Lilly Baschó, Englische schriftstellerinnen in ihren beziehungen zur französischen revolution 185 Ph. Aronstein, Shall und will zum ausdrucke der idealität im 301 Hugo Lange, Chaucer und die prologe zur Legend of Gode Women. F. Holthausen, Kleinere altenglische dichtungen H. W. Keim, Aepelwold und die Mönchreform in England Elisabeth Westergaard, A few Remarks on the Use and the Significations of the Prepositions in Lowland Scotch. F. Holthausen, Zu mittelenglischen romanzen. V. Amis and Amiloun VI. Ipomadon VII. Le bone Florence of Rome 367166 393 400 405 444 456 463 497 DIE RICHARD-ANNA-SZENE IN SHAKESPEARES RICHARD III. (I, 2.) "Wenn die könige bau'n, haben die kärrner zu tun.” Allein um der werbeszene Richards um lady Anne willen sind viele bedeutende federn in bewegung gesetzt worden. Als kuriosum sei an der spitze erwähnt die ansicht Vershofens, der Anna eine "stolze seele" nennt. 1) Eine stolze seele! Woraus schliefst er das? Rümelin lehnt die szene überhaupt als ganz unmöglich und künstlerisch verfehlt ab. 2) Andre erklärungen sind vortrefflich, aber nicht vollständig, auch die von Wetz scheint mir nicht ins schwarze zu treffen. Näher kommen Heine und stellenweise Fr. Th. Vischer, am besten ist die erklärung von Mrs. Jameson. Wetz führt ein urteil an 3): es sei eine so schwierige sache, in die geheimsten falten des weiblichen herzens einzudringen, "dafs gerade die erfahrensten psychologen und frauenkenner, wie Stendhal, offen eingestehen, dafs sie immer wieder einzelne erfahrungen machen mussten, die von ihnen für völlig sicher gehaltenen annahmen widersprachen und ihnen den beweis dafür zu liefern schienen, dafs der mann mit seinen stumpferen organen über manche seiten des weiblichen gemüts überhaupt nur unzulängliches aussagen könne". Vielleicht! Denn Mrs. Jamesons auffassung ist die treffendste. Aber Shakespeare selber! Die kenntnis der weiblichen wie der männlichen seele ist eine sache der 1) In seinem vortrefflichen buch: Charakterisierung durch Mithandelnde bei Shakespeare s. 83. Bonner Beitr. z. Anglistik XX. 2) G. v. Rümelin, Shakespeare-Studien eines Realisten, s. 106. Stuttgart 1866. 3) Wetz, Die Menschen in Sh.'s Dramen s. 118. Anglia. N. F. XXIX. 1 66 besonderen psychologischen oder noch besser der rein künstlerischen, divinatorischen begabung. "Es ist daher auch ein meist befolgtes gebot der klugheit", fährt Wetz fort, wenn der psycholog sich darauf beschränkt, die komplizierteren phänomene des weiblichen seelenlebens, welche ihm aufstofsen, zu erklären, statt apodiktische sätze über die möglichkeit oder unmöglichkeit dieser oder jener handlungsweise bei dem weibe aufzustellen." Es sei darum genaue sachkenntnis auf dem gebiet der weiblichen herzenskunde erforderlich. Gewifs. Es ist aber ganz verfehlt, die weibliche psyche immer als ein fremdes, unheimliches wesen zu betrachten, das sich plötzlich in einen werwolf verwandeln könne. In der männlichen seele sind auch abgründe, woran scheiterte sonst immer die Hamletpsychologie? Mann und weib folgen bestimmten psychologischen gesetzen, die für die gattung mensch gelten, und auch die weibliche seelentätigkeit hat keine sondergesetze, die bisher noch unbekannt geblieben wären. Hier in Lady Anne haben wir überdies nicht einmal ein solches "kompliziertes phänomen"; im gegenteil, dutzendware. "Lady Anne is just one of those women whom we see walking in crowds through the drawing-rooms of the world. The puppets of habit, the fools of fortune, without any particular inclination for vice or any steady principle for virtue; whose actions are inspired by vanity not affection, and regulated by opinion not by conscience: who are good while there is no temptation to be otherwise and ready victims of the first soliciting to evil..... Cressida is another modification of vanity, weakness and falsehood drawn in stronger colours. The world contains many Lady Annes and Cressidas, polished and refined externally whom chance and vanity keep right, whom chance and vanity lead wrong just as it may happen. When we read in history of the enormities of certain women, perfect scarecrows and ogresses, we can safely hug ourselves in our secure virtue and thank God that we are not as others are: but the wicked women in Shakespeare are portrayed with such perfect consistency and truth that they leave us no such resource; they frighten us into reflection, they make us believe and tremble." 1) 1) Mrs. Jameson, Characteristics of Women, Moral, Poetical and Historical. 2. aufl. London 1870. Introduction p. 21. |