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4. Ekl. zu Ehren des Pollio, der gerade Consul geworden war. Im folg. Jahre 715 erfüllte Verg. sein dem Varus gegebenes Versprechen; doch an der Art und Weise, wie er den Varus besang, Ekl. 6, merkt man deutlich, wie ungern Verg. sich zur Besingung des Varus, der die Mantuaner so schlecht beschützt hatte, entschloss. Um so freudiger aber besang er nochmals, Ekl. 8, den Pollio, der im Herbste d. J. von einem glücklichen Feldzuge gegen die aufrührerischen Parthiner, eine Völkerschaft Dalmatiens, zurückkehrte. Die Ruhe, deren Verg, sich jetzt erfreute, benutzte er, um, wahrscheinlich im folg. J., die 7. und im Jahre 717 die letzte (10.) Ekl. zu dichten.

Durch diese 10 Eklogen begründete Verg. seinen Dichterruhm und erwarb sich treue Freunde und mächtige Gönner. Zu letzteren gehören Pollio, Maecenas und Octavianus ; zu ersteren Cornelius Gallus, hochgeschätzt als Verfasser von 4 Büchern Elegien, der didaktische Dichter Aemilius Macer und L. Varius, bekannt als tragischer Dichter, bald auch Plotius Tucca, Propertius und Horatius, welcher letztere sich Sat. I, 5, 40-42 über dies Freundschaftsverhältniss so • äussert:

Plotius et Varius Sinuessae Vergiliusque

Occurrunt, animae, quales neque candidiores
Terra tulit neque quis me sit devinctior alter.

Spricht d. St. deutlich für den edlen und reinen Sinn Vergil's, so geht auch aus anderen Zeugnissen, sowie aus seinen Gedichten hervor, dass Bescheidenheit, Herzensgüte und grosse Geneigtheit, die Verdienste Anderer anzuerkennen, Hauptcharakterzüge Vergil's waren. Dennoch fehlte es ihm nicht an Feinden, welche ihm die Gunst, in der er bei Octav. stand, beneideten, oder als Anhänger der alten Dichterschule der neuen Richtung, welcher Verg. Bahn brach, überall entgegentraten. Bekannt sind von diesen Gegnern die von Verg. verspotteten Dichterlinge Bavius, Maevius und Anser, vgl. E. 3, 90. 9, 36. Dass Verg. sich aber so eng an Octav. anschloss, kann nicht Wunder nehmen, da er theils durch die Bande der Dankbarkeit an ihn geknüpft war, theils in ihm den Beschützer und Pfleger der Wissenschaften verehrte, theils endlich die Republik nur in einer Zeit kennen gelernt hatte, wo der Staat ein Spielball in den Händen einiger Ehr

geizigen geworden war, so dass Ruhe und Sicherheit sich nur in einer Monarchie erwarten liess; dass aber Octav. zu dieser Alleinherrschaft von der Gottheit berufen sei, schien sein unerhörtes Glück hinlänglich anzudeuten, sowie die Mässigung und Milde, welche er bewies, ihm auch die Herzen vieler früheren Gegner allmählig zuführte.

Ueber die ferneren Lebensverhältnisse Vergil's haben wir äusserst wenig verbürgte Nachrichten; nur so viel steht fest, dass er viel an Brustschmerzen litt und, wahrscheinlich durch seine Kränklichkeit veranlasst, seine späteren Jahre grösstentheils in Neapel verlebte, von wo er nur dann und wann zum Besuch seiner Freunde nach Rom kam. In Neapel vollendete er auch sein zweites Werk, die Georgica, Lehrgedicht über den Landbau in 4 Büchern, an dem er 7 Jahre, von 717724, gearbeitet hatte. Gleich als ahnte er, dass ihm nur ein kurzes Leben beschieden, sei und dass er seine Zeit eifrig zusammennehmen müsse, wenn er sein G. III, 46–48 gegebenes Versprechen, den Octavianus durch ein Epos zu verherrlichen, erfüllen wolle, legte er unmittelbar nach Beendigung der Georgica Hand an sein berühmtestes und von den Römern mit unglaublicher Sehnsucht erwartetes Werk, 'die Aeneide, ein Epos in 12 Büchern, das er jedoch nicht so vollendet, wie die Georgica, hinterlassen sollte. Im Jahre 735 nämlich reiste er nach Griechenland, um hier und in Kleinasien die letzte Feile an dies Werk zu legen; doch in Athen traf er auf den aus dem Oriente zurückkehrenden Octav. und liess sich von diesem zur Umkehr nach Italien bereden. Schon kränkelnd bestieg er das Schiff, und sein Uebelbefinden nahm während der Ueberfahrt so zu, dass er bald nach seiner Ankunft in Italien zu Brundisium am 22. Sept. 735 starb. Kurz vor seinem Ende soll Verg. die Absicht gehabt haben, die Aeneide als ein noch nicht gehörig durchgefeiltes Werk zu verbrennen; an der Ausführung dieses Vorhabens durch seine Freunde Tucca und Varius verhindert, vermachte er ihnen in seinem Testamente die Aeneide mit dem Auftrage, alles Unvollendete zu streichen, aber Nichts hinzuzufügen. Inwiefern Tucca und Varius diesem Verlangen entgegengekommen sind, wissen wir nicht, ausser dass sie nach der Angabe einiger Grammatiker die 4 einleitenden Verse der Aeneide und eine Stelle im zweiten Buche (v. 567-588) strichen, sonst aber Nichts tilgten.

Vergil wurde von den Römern für einen ihrer grössten

Dichter gehalten. Seine Sprache diente allen späteren Dichtern zur Norm, seine Werke wurden in den Schulen Jahrhunderte lang gelesen und von gelehrten Grammatikern, wie von Servius aus der Zeit des Kaisers Theodosius, vielfältig und sorgsam erklärt. Die Gründe dieses Ruhmes sind theils in der Wahl und Behandlung seiner Stoffe, theils in der vollendeten Form, die er seinen Gedichten gab, zu suchen. Denn nicht genug, dass er die Härten und Archaismen*) der früheren Dichter vermied, er wusste den Griechen auch viele Wendungen und Feinheiten abzulauschen und seiner Darstellung Fülle, Eleganz und Würde zu geben. Nicht minder gross sind seine Verdienste um die Ausbildung des Hexameters **); kein anderer römischer Dichter hat es wie er ver

* Einzelne Archaismen finden sich allerdings auch im Verg., doch sind sie theils absichtlich aufgenommen, um der Rede alterthümlichen Anstrich zu geben, theils aus Noth gebraucht, um Worte und Formen für den Hexameter zu gewinnen. Dahin gehören die Formen ast, quianam, olli (f. illi), ollis, der Genet. auf ai, der Dat. auf u, der Inf. pass. auf ier (wie immiscerier G. I, 454), fuat, faxo, iusso, Ausstossung des Vokals kurzer Sylben, wie repostus, periclum, aspris (A. II, 379), und Abwandlung der Verba nach der dritten, als der ältesten und ursprünglichen Conjugation, wie lavere (f. lavare), fervěĕre, fulgĕre, stridere, potitur (A. III, 56).

**) Den Hiatus erlaubt sich Verg. 1) in der Arsis des 2. 3. 4. und 5. Fusses, besonders in Nom. propr., bei hinzutretender Interpunction oder beim Zusammenstossen desselben Vokales; 2) in der Thesis, wenn nach griech. Vorgange eine lange Sylbe verkürzt wird, wie E. 3, 79: valē, vale, inquit Iolla, besonders bei Nom. propr. und Interjectionen; bei einer kurzen Sylbe nur, wenn eine starke İnterpunction folgt, wie E. 2, 53. A. I, 405. Die Verlängerung mancher als kurz geltender Sylben, von der sich im Verg. viele Beispiele finden, hat nur theilweise in der verlängernden Kraft des Ictus ihren Grund, in den meisten Fällen folgt Verg. der ursprünglichen Quantität, nach der gar viele consonantisch ausgehenden Verbal- und Nominalendungen lang waren, z. B. restāt, patēr. — Die Synizesis findet sich bei Verg. viel seltener, als bei den früheren römischen Dichtern: ausser in Nom. propr. meist nur bei ee (wie in den Formen von deesse), ei (wie ferrei, anteirent), eo (wie alveo, aureo), selten bei ea (aurea A. I, 698. alvearia G. IV, 34. ocreas A. VII, 634). Zur Synizesis wurden von den alten Grammatikern auch die Fälle gerechnet, wo i und u in die Consonanten j und v übergehen und die vorhergehende Sylbe verlängern, z. B. pārjetibus, abjete, omnja, fluvjorum, genva, tenvis. Von Verbalformen finden sich Eine im Verg. so nur precantja A. VII, 237 und arjetat A. XI, 890. Zusammenziehung von uu in u erlaubt sich Verg. nur in currum, A. VI, 653. und in manum, A. VII, 490. Die Tmesis kommt im Verg. ausser

standen, den beabsichtigten Eindruck durch den Rhythmus hervorzuzaubern.

Wenden wir uns jetzt zur näheren Betrachtung der einzelnen Werke Vergil's.

1) Eclogae. Die 10 Gedichte, welche spätere Grammatiker eclogae d. h. ausgewählte Lieder gleichen Inhalts nannten unter welchem Namen Vergil selbst sie veröffentlicht habe, wissen wir nicht - gehören der bukolischen Dichtart an. Erfinder und Vollender dieser Dichtart war der Sicilier Theokrit, der einige Zeit zu Alexandria am Hofe des Ptolemäus Philadelphus (285-246 v. Chr.) lebte, später aber unter Hiero's II. Regierung (269-215 v. Chr.) nach Syrakus zurückkehrte. Unter den Griechen fand er an Bion und Moschus Nachahmer. Von den Römern versuchte es zuerst Vergil (s. E. 6, 1), in seine Fusstapfen zu treten; denn der E. 5, 11. 7, 22. 26 erwähnte Codrus war entweder ein in Rom lebender Grieche, der Idyllen in griechischer Sprache schrieb, oder ist nur der Name eines fingirten Hirten. Vergil fühlte sich durch die Idyllen Theokrit's angezogen, es sprach ihn darin das warme Gefühl für Naturschönheiten und die schöne Zeichnung des einfachen und natürlichen Lebens der Hirten an: und hierin suchte er seine Gedichte denen des Griechen ähnlich zu machen; sonst aber findet sich ein bedeutender Unterschied zwischen den bukolischen Liedern Theokrit's und Vergil's. Denn während Theokrit als glücklicher Landschaftsmaler uns überall die Scene klar vor die Augen führt, verschwimmen Vergil's Landschaftsbilder, ausser wo er uns die Lage seines eigenen Gutes schildert (E. 1, 47-59. 7, 11-13. 9, 7-9), ins Unbestimmte; während Theokrit als scharfer Beobachter und Menschenkenner überall den rechten Volkston zu treffen weiss, haben Vergil's Hirten die Kenntnisse und reden im Tone der gebildeten Römer; während Theokrit endlich aufs glücklichste individualisirt, allegorisirt Vergil auf künstliche Weise. Wegen dieser Abweichungen würde Vergil Tadel verdienen, wenn er denselben Zweck verfolgt hätte, wie Theokrit; aber wie dieser Erfinder der reinen Idylle ist, so ist Vergil Schöpfer der allegorischen Idylle. Dazu wurde Vergil durch seine Zeit

bei den auch adverbial gebrauchten zweisylbigen Präpositionen, wie super, circum, praeter, nur so vor, dass die Präposition durch ein angehängtes que von ihrem zugehörigen Worte getrennt ist, wie A. IX, 288: inque salutatam.

gemacht. Da nämlich bei den damaligen Wirren der Besitz seines Gutes, ja sein Leben selbst gefährdet war, so sah er sich zur Erhaltung seines Eigenthums gezwungen, sich um die Gunst hochgestellter Personen zu bemühen, und diese konnte er, der auf eine politische Carriere verzichtet hatte, sich durch Nichts, als durch seine Lieder erwerben. So benutzt er denn die sicilischen Hirten, in deren Welt er sich durch fleissige Lectüre des Theokrit eingelebt hatte, um durch sie seine Gemüthszustände, wie sie durch die damaligen Zeitverhältnisse hervorgerufen wurden, zu schildern und um seine Gönner durch feines Lob zu kräftigem Schutze seines Eigenthums zu veranlassen. Dabei verdient, wie Süpfle sehr richtig bemerkt,,,die geistreiche Erfindung mancher Situationen, der Reichthum an Bildern, die Zartheit und Feinheit seiner Anspielungen auf die politischen Begebenheiten und seine eigenen Verhältnisse, die edle Form und Ausführung der Gedichte, und endlich die Beherrschung der für diese Dichtungsart damals noch nicht ausgebildeten Sprache unsere ganze Aufmerksamkeit. In diesen Eigenschaften hatte Vergil seinem Zeitalter auch völlig genügt, wie die grosse Bewunderung dieser Gedichte zeigt; er hatte erkannt, dass der Geschmack seiner Zeit vor Allem Schönheit der Form oder eine gewisse Eleganz verlange und ihr gerne die theokritische Treue und Einfachheit aufopfere."

2) Die Georgica. Wie-Vergil zu den Eklogen durch Asinius Pollio veranlasst wurde, so erhielt er durch den Maecenas den Anstoss zu den Georgicis, s. G. HII, 41; wie er in den Eklogen geschickt ein begeistertes Lob seiner Freunde. und Gönner anzubringen wusste, so verherrlicht er in den Georg. den Maecenas und den Octavianus; wie sich in den Eklogen ein offener Sinn für die Reize der Natur und des ländlichen Stilllebens ausspricht, so offenbaren die Georg. des Dichters Vorliebe für das Landleben und für die ruhigen Beschäftigungen des Landmanns. Aber einen Fortschritt des Dichters offenbaren die Georg. im Vergleich mit den Eklogen in zweifacher Beziehung: einmal zeigt die Sprache Nichts mehr von dem in den Eklogen noch bisweilen sichtbaren Ringen mit dem Gedanken, sondern bekundet überall die sichere Hand des Meisters; sodann tritt Vergil in den Georg. völlig selbständig auf, während er in den Eklogen Anlage und Ton dem Theokrit nachzubilden sucht. Waren auch viele der in den Georg. behandelten Gegenstände schon von griechischen Dichtern be

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