Page images
PDF
EPUB

wäre, wenn ihnen diese Lehren verloren seyn würden. Sie haben, kann man in dieser Hinsicht mit Recht fagen, und hat man auch wohl schon gesagt, Mosen und die Propheten, laßt sie dieselbigen hören!

1. Indessen hat gerade dieser lehtere Punct seine ganz besondern Schwierigkeiten, besonders in Hins ficht der Frage, ob denn in Deutschland wie in den genannten Ländern die politische Freiheit, und nicht bloß die bürgerliche, sich entwickelt hat, oder sich wenigstens in der Folge wird entwickeln Fönnen; eine Frage, durch deren Beantwortung sich zugleich die Hauptgrenzen bestimmen lassen, in wie weit fremde Verfassungen, namentlich die, Englisch e, fich in den Deutschen nachbilden laffen, in wiefern also befagter Moses zu hören sei. Daß eine Untersuchung dieser Art nicht bloß müssige Speculation ist, fondern, wenn sie anders nur wirklich gelingt und genügt, einen Beitrag zur beffern Gestallung unsers constitutionellen Lebens geben kann, wird um so wes niger in Abrede gestellt werden können, als dieses Leben ja nicht abgeschlossen und beendigt, sondern noch in seiner ersten Entwickelung begriffen ist. Die vorliegenden Bemerkungen bieten sich als einen bloßen Versuch der Beantwortung jener wichtigen Frage

dar, welche Beantwortung es jedoch erst erheischt, eis nige geschichtliche Bemerkungen vorauszuschicken, um eis nige noch immer herrschende Vorurtheile zu widerlegen.

Zu diesen legtern rechnen wir vor allen bie Meinung, als wäre das jezige constitutionelle Leben in Deutschland eine ganz neue Schöpfung, und blog aus Nachahmung Frankreichs and Englands hervors gegangen, wovon die Anhänger der unbeschränkten Regierungsform so gern einen Grund gegen die Ents faltung jenes Lebens hernehmen. Dies ist ganz Irrig; vielmehr ist, um die treffenden Worte der Hannoverischen Gesandtschaft beim Wiener Congreß zu brauchen: „ein Repräsentativsystem in Deutschland von den ältesten Zeiten her Rechtens gewesen. In vielen Staaten beruhten dessen nåherè Bestimmungen auf förmlichen Verträgen zwischen den Landesherren und ihren Unterthanen, und selbst in benen Landen, wo keine ständische Verfassungen ers halten waren, hatten die Unterthanen gewisse und wichtige Rechte, welche die Reichsgeseße nicht nur bestimmt darlegten, sondern auch schüßten. Kann man nicht zugeben, daß der Verfall der Reichsvers

1) Klüber Acten des Wien. Congr. 1. S. 68.

faffung die Territorialverhältnisse unter den Fürsten und ihren Unterthanen nothwendig aufhob, so last fich auch nicht behaupten, daß die zwischen den Deuts schen Fürsten und Bonaparte geschlossenen Verträge den Rechten ihrer Unterthanen de jure etwas verg geben konnten sie durften gar kein Gegens stand der Transactionen seyn. *) Ebenso wenig läßt sich behaupten, daß die späterhin mit den alliirten Mächten geschlossenen Verträge, in denen diese die Souveränitätsrechte der dem Bunde beitretenden Fürsten sichern, diese vorhin nicht legaliter besessenen Rechte über ihre Unterthas nen hatten beilegen wollen oder können. Jene Rechte machten einmal keinen Gegenstand der Transaction aus, und anderntheils liegt im Begriff der Souveränitäts Rechte keine Idee der Despotie (Unbeschränktheit). Der König von Großbritannien

1) Bekanntlich wurden in Wirtemberg 1805, Baden, Hessen Darmstadt, Coburg, Holstein 1806 die beftes henden Verfassungen eigenmächtig aufgeboben. Vgl. Klüber Uebersicht u. f. w. S. 242. ff. Heeren Europ. St. Gesch. (S. 698), welcher ebenfalls nachs weist, wie die f. g. Souveränität,,widerrechtlich zur Zertrümmerung der Verfassungen gebraucht ward."

ist unleugbar ebenso souverån, als jeder anberè Fürst in Europa, und die Freiheiten seines Volks befestigen seinen Thron, anstatt' ihn zu untergraben *)" Nachdem hierauf die Rechte namhaft gemacht sind, die den Deutschen Unterthanen von Alters her zustan. den, oder ihnen noch zuzuerkennen sind, 2) heißt es schlüßlich: „Nur durch solche liberale Grundsåge köns nen wir beim jebigen Zeitgeiste und den billi gen Forderungen der Deutschen Nation Ruhe und Zufriedenheit herzustellen hoffen."

Diesen treffenden Bemerkungen wird Jeder, der bie Deutsche Geschichte kennt, vollkommen beistimmen.

1) Dieß erinnert an das Wort der Mad. de Staël: un prince qui ne se contenteroit pas du pouvoir accordé au roi d'Angleterre, ne seroit pas digne de regner. Mem. et consid. P. II. ch. 15. 2) Also solche find bezeichnet (und zwar in Uebereins ftimmung mit den übrigen 29 souveränen Fürsten und Städten):

a) die Einwilligung der Stände zu den aufzules genden Steuern,

b) Stimmrecht bei neu zu verfassenden Gefeßen, c) Mitaufsicht über die Verwendung der Steuern, d) Recht, im Fall der Malversation die Beftras fung schuldiger Staatsdiener zu begehren.

3

Schranken hatte die Fürstenmacht in Deutschland von jeher, wie schon aus dem Tacitus zu ersehen; ") und selbst ihrem Hermann haben die Deutschen nicht vergeben, diese richt anerkennen zu wollen; 2) ber Fürst mußte dem Volke schwören, wie dieses jes nem; 3) und überhaupt war, wie Joh. Müller fagt, 4),,nur die Majestät bei den Königen, bie Macht bei der Gemeinde; jene waren die ersten Bürs ger, Herren aber nur als Repräsentanten des lang zu vielem wirklich versammelten Volks, in deffen Ans fehn sie handelten." Die allgemeinen Reichsangelegen= heiten wurden auf Reichstagen berathschlagt und ab. gethan, welche schon bei den Merowingern und Carolingern (im März und Mai) vorkommen, 5)

[ocr errors]

1) Nec regibus infinita aut libera potestas. Ger

man. c. 7:

2) Regnum affectans libertatem popularium adversam habuit. Tac. Ann. II. 88.

3). So die Könige der Franken: se unumquemque pro suo gradu ac persona, quantum possint, honoratnros et defensuros esse etc. Gregor. Turon. IX. 30. Vgl. Capitul. 820. c. 23. Kaiserrecht IV. 8. Sachsenspiegel I. 61, 66, 71; II, 2, 7, 30.

4) Darft. d. Fürstenbundes B. III. c. 4.

5) Bùnau Teutsche Reichshift. Th. II. S. 328.

« PreviousContinue »