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Egen, die dieß nicht gethan, schreibt der Pfarrer einen Warnungsbrief; hören sie darauf nicht, so nennt er fie den nächsten Sonntag bei der Messe als solche, welche jener heiligen Pflicht sich entzogen haben. Auf biese Weise werden die Schuldigen der Gegenstand bes allgemeinen Gesprächs, man zeigt mit den Fingern auf sie, man vermeidet fie, in manchen Gegens ben versammeln sich die Kinder vor ihren Wohnungen oder begleiten sie, wenn sie ausgehen, behandeln und schimpfen sie als Keger, oder gar als Juben", wel cher Ausdruck bekanntlich dort die årgste Injurie ist, brohen ihnen mit der Inquisition, Excommunication. In Pampeluna, und wahrscheinlich auch in andern Spanischen Städten, lautet der Sacristan mit einer Glocke vor ihrem Thore, und oft schlägt man ihre Namen an die Kirchthüren an. Daß in den großen Städten, wo man sich nicht wie auf dem Lande pers sönlich kennt, mit diesen Beichtzetteln, deren Lösung eine unerläßliche Pflicht ist, ein scandaldser Handel mit solchen Frömmigkeitstestimonien getrieben wird, läßt sich leicht denken, und findet dort überall Statt.

Eine nicht minder verwerfliche, aber die Macht des Priesterthums ebenso sehr begünstigende. Sitte

fft die Nothwendigkeit, sich die sogenannte Kreuzzugss bulle (la bula de la Crusada) anzuschaffen. Diese von den Påpsten seit mehr als drei Jahrhunderten erlassene Bulle gewährt den Königen von Spanien und allen denjenigen seiner Unterthanen, die ihm in der Bekämpfung aller Feinde des Christenthums (0. h. des Papstthums) behülflich sind, außerordentliche Indulgenzen, namentlich dispensirt fie alle Soldaten, als im Kampfe für die Religion begriffen, von den Fasten, und zwar so, daß die Soldaten sich dieselbe nicht erst zu erwerben brauchen; die übrigen Perso nen, die sich einer ähnlichen Dispensation erfreuen wollen, müssen sich eine andere Bulle, carne, huevos y lacticinios genannt, anschaffen, die ihnen je doch nicht eher gegeben wird, bis sie auch die bula de la crusada haben. Diese lettere kostet dri Realen (funfzehn Sous) in ganz Spanien, und fünf Realen im Königreich Navarra; die erstere (die ihren Namen von der Erlaubniß, Fleisch, Eier and Milch zu effen, hat) zwei Realen (zehn Sous). Die große Mehrzahl der Einwohner kauft sich jährlich beide was eine Art Impost von 25 oder 35 Sous auf die Person giebt. Die Kreuzzugsbulle wird alle zehn Jahr vom Papst renovirt oder prorogirt, bri

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welcher Gelegenheit derselbe in Bausch und Bogen zwei ober drei Millionen Francs vom König dafür erhält, der jene Bulle dann durch eigene dazu bes stimmte Ablaßkråmer (apocerados de las bulas) im Einzelnen verkaufen läßt. Im J. 1826 fand eine folche Prorogation durch den Papst Leo XII. Statt, der übrigens diesmal von dem Könige nichts dafür. erhielt, weil sich dieser mit einem völligen Geldmangel entschuldigte, und wahrscheinlich mit gutem Grunde.

Die Bulle zu kaufen, machen die Mönche und Pfarrer Allen, die beichten wollen (und dieß läßt sich angeführtermaßen gar nicht wohl umgehen), zur unerläßlichen Pflicht, und mit so gutem Erfolge, (zus mal da sie nur so wenig kostet), daß Haus- oder Familienvåter sie nicht bloß für sich, sondern auch für alle ihre Angehörigen und selbst für ihre Dienstboten anzuschaffen pflegen. Ueberdieß ist es diese Kreuzzugsbulle, welche bei einer plößlichen Todesgefahr Denjenigen, die nicht mehr zu beichten im Stande find, die Absolution und die Sacramente gewährt, z. B. denen, die von einem Schlagfluß oder einer an= dern Krankheit, die ihnen das Bewußtsein, die Vers nunft oder die Sprache raubt, befallen worden sind. Ja selbst zu Gunsten verstorbener Personen, z. B.

ber Eltern, Gatten, Freunde, kauft man diese Bulle, und hofft dadurch die Gnade des Himmels ihnen zus zuwenden, und ihre Seele früher aus dem Fegefeuer zu retten. Im Anfang des Jahres 1826 kaufte Fers dinand VII. sich dergleichen für sich selbst, feinen Vater und Mutter und seine zwei ersten Frauen; dann nahm er noch zwei dazu, und fragte einen aus seis ner Umgebung: „Für wen glaubst du, daß diese bes stimmt sind?" Da Niemand es errieth, sagte er felbst:,, die eine ist für Vinueffo (den Beichtvater Sr. Majestát, der von dem Póbel in Madrid am 5. Mai 1821 im Gefängniß ermordet wurde), und die andere ist für ben armen Teufel Riego, der wie ein Wahnsinniger gekommen ist, um sich hången zu lassen!" Dabei muß man nicht vergessen, daß Riego nur auf ausdrücklichen Befehl des Königs Ca= dir verließ, um sich in das Innere von Spanien zu begeben.

Es ist üblich, daß, wenn Jemand drei Tage lang Fieber hat, der Arzt seinen Verwandten oder Dienern den Rath giebt, den Kranken mit den Sterbes Sacramenten zu versorgen. Wohl wissend, daß es um ihren guten Ruf und die Freiheit ihrer Kunst gethan seyn würde, wenn sie anders handelten, ha

ben die Schüler des Hippocrates nichts Elligers zu thun, als jenen Rath zu geben, sollten sie auch den Kranken und seine Familie dadurch noch so sehr und oft unnöthiger, immer schädlicher Weise erschrecken ; übrigens sollen sie freilich auch, wie Spotter behaup ten, das Ihrige reblich beitragen, um ihre Prognose oder indirecte Prophezeiung zu bewahrheiten, und jene Vorsorge nicht überflüssig zu machen. Diese Sitte ist so allgemein eingeführt, daß man in Matrit und ben andern großen Städten fast niemals aus dem Hause gehen kann, ohne Priestern mit dem Viatis cum zu begegnen; vorzüglich des Nachts bei Fackel. schein, wo dann die Gebühren das Doppelte betras gen. Wenn hierbei eine passende und anständige Equis page dem Priester begegnet, so nimmt er sie ohne Weiteres in Beschlag, läßt den Herrn derselben auss stelgen, sich zu dem Kranken und dann in seine Kirche zurückfahren. Der König selbst ist nicht von dieser Pflicht, feinen Wagen herzugeben, eximirt, und erst vor einigen Jahren ereignete sich ein solcher Fall; doch scheint man jeßt sich allemal vorzusehen, daß so etwas nicht wieder vorkommt. Bei Gelegenheit eis ner Proceffion, die jedesmal acht Tage nach Ostern Statt findet, um den Kranken die Communion zu

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