Page images
PDF
EPUB

Wohl des Staats so wenig am Herzen liegt, daß er jede günstige Gelegenheit, feine eigene Macht auf Kosten jenes zu vermehren, ergreift? Dieß aber ist, mit wenigen Worten ausgedrückt, der Grundcharacter dee gegenwärtigen Spanischen Clerus.

Im Besise unermeßlicher Güter, die ebenso unver Außerlich sind, wie die Majorate des Adels, und im Be= fige bes Vertrauens des Volks um seine Superioris tåt zu behaupten, ist er jeden Augenblick bereit, alles zu bekämpfen, was ihm jenen rauben oder beeins trächtigen könnte, und dieß gelingt ihm durch die Macht des Beichtstuhls bei diesem Bolke um so ge wiffer, dessen religiöser Fanatismus und Unwissenheit so groß ist, daß dort den Pfaffen möglich geworden ist, ihn glauben zu machen, daß es, selbst wenn es sich gegen seinen König auflehnt, dieses zu Nuz und Frommen der Krone selbst thut! So antwortet denn der Elerus auf alle Schritte, welche die Re gierung zur Aufklärung des Volkes zu thun etwa beabsichtigt, durch Drohungen von Aufruhr, und der Souverán, der wohl weiß, daß dieß keine bloßen Demonstrationen im Sinn der militärischen Kunstsprache sind, sieht sich genöthigt nachzugeben, zu schweigen und nur das zu thun, was jene eigentliche

[ocr errors][ocr errors][merged small]

höchste Macht im Staate will.

Napoleons Genle

und Ruf wirkte gewaltig auf die Geister von ganz

Europa, die Macht, die er nach Spanien sandte, war sehr beträchtlich; aber die Mönche und Pfaffen, die von ihm nichts für sich hofften, predigten die ,,Unabhängigkeit," und das ganze Volk erhob sich. Die Häupter der provisorischen Regierung und der Armeen sprachen von „Cortes" und „Constitution"; der Clerus ließ sie gewähren und sprechen, wohl wissend, daß nach glücklichem Ausgang der Sache boch bloß sein Wille den Ausschlag geben würde. Napoleons Macht ward zertrümmert; Ferdinand kehrte zurück, ließ jedoch Plane zur Verbesserung des ganzen Staatswesens blicken. Sofort bedeuteten ihn die Mönche, daß sie seine Rückkehr nur unter der Bedingung oder Vorausseßung bewirkt hätten, daß er nichts gegen fie unternahme. Der König verstand diesen Wink, die Cortes wurden proscribirt, die Con stitution vernichtet, und der König regierte,,wie feine Vorfahren", d. h. unter demselben Einflusse, welchen die Mönche über diese gehabt hatten.

Sobald ein Spanier zu sprechen anfångt, bemächtigen sich sofort die Priester seiner, um ihn mürbe zu machen, zu bearbeiten und zu lenken sein

ganzes Lebelang, ja noch im Grabe bürden sie ihm das Zeichen dieser Sclaverei auf "). Schon bei brz Geburt wird dem jungen Castilianer um den Hals ein Scapulier gehängt, welches ihn sein ganzes Leben hindurch schüßen soll. Wird er krank, oder has ben die Eltern schon mehrere Söhne verloren, so wird er bis zu seinem siebenten Jahre in die Mönchdtracht gehüllt, so daß man in Madrit und andern Städten oft auf der Straße drei - und vierjährige Capuciner, Franciscaner und Dominicaner spielen fieht. Auch die Taufnamen der Mädchen beweisen bie alles übersteigende Verehrung der Spanier für die Heiligen und insbesondere für die hellige Jungfrau. Wenn es nur nicht den Zweck der Namengebung selbst aufhöbe, würde man gewiß alle jungen Mädchen Marie“ nennen; obwohl dieß nun nicht angeht, so ist jener Name doch der allerhäufigste, und man hülft sich um Verwirrung und Verwechselung zu vermeiden, mit Beifäßen, die aus der Lebens und

[ocr errors]

1) In Spanien begråbt man die Leute in der Regel im Franciscanercostüm, welches einst einen Reisenden zu der Bemerkung verleitete, es schienen ihm bloß die Mönche in Spanien ju sterben!

Wundergeschichte der Madonna genommen find. Daż her hört man von nichts als von Marien mit Concepcion, Incarnacion, Purificacion, Gandelaria, Carmen, Dolores, Seledad, Augustia, Cruz, Rosareo, Buensuccessa, Salud, Jesusa, Assumcion, Miserecordia, etc. etc.

In den Schulen lehrt man die Kinder jeden Tag, alle zugleich geistliche Lieder und Gebete zu fingen, zur Unterstüßung der Catechismusdogmen, die fie das ganze Jahr hindurch auswendig lernen mús sen, und bei den geringfügigsten Processionen ihres Kirchspiels müssen sie mit figuriren, und in schweis gender, demüthigster Stellung und Haltung stundenlang verweilen lernen.

Mit dem siebenten Jahr treten sie in das Ulter der menschlichen Sündhaftigkeit", wovon sie übrigens schon lange vorher benachrichtigt werden, indem man ihre kindische Phantasie mit Bildern der beleidigten Gottheit, vom höllischen Dámon, von jüngsten Ge= richt, vom Fegfeuer und von der Hölle, in der man eine Ewigkeit hindurch brennen muß, u. s. w. anfüllt. Als ein Vorspiel dieser Strafen lernen sie die grausamen maßlosen Züchtigungen ansehen, die sich ihre Eltern und Lehrer in der Schule gegen sie er

[ocr errors]

lauben, und um sie in ihrer Furcht vor den Strafen der f. g. andern Welt, sowie mithin in ihrer Unters würfigkeit gegen die Priester zu bestårken, sendet man fie schon in jenem zarten Alter regelmäßig zur Beichte. Die Beichtangelegenheiten selber werden völlig als eine Art Polizei oder Steuerfache abgemacht. gen Ostern jedes Jahrs versammelt der Pfarrer jeder Gemeinde seine Glieder jedes Alters und Geschlechts, und examinirt sie, oder läßt sie durch seinen Vicar examiniren, über den Catechismus und den Glauben. Hat er sie für tüchtig befunden, so giebt er jedem einen Bettel, auf welchem die Worte stehen: exami nado de la doctrina christiana. Mit diesem Bettel begiebt man sich zur Beichte und zum Abende mahl, bei welchem legtern man ihn gegen einen an Dern austauscht, worauf die Worte stehen: complido oder cumplido con la iglesia, oder comulgo en tal iglesia, wodurch angezeigt werden soll, daß man seine Pflicht gegen die Kirche erfüllt, oder in dieser oder jener Kirche communicirt habe. Zwei bis vier Wochen darauf begiebt sich der Pfarrer mit seinem Register in jedes Haus, sammelt diese Zettel ein, und überzeugt sich so, ob feine Schafe sich bei ihren Seelenhirten gehörigermaßen eingefunden. Denjeni,

« PreviousContinue »