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Selbstvergiftung Napoleons.

Aus den Memoires von Conftant.

Was ich hier erzählen will, verdient bie ganze Aufmerksamkeit des Lesers; ich werde in diesem Augenblick Historiker, indem ich eines der merkwürdig Sten Ereignisse in der großen Geschichte des Kaisers erzähle, nämlich die Vergiftung deffelben in Fontai nebleau. Ich hoffe, nicht nöthig zu haben, meine Wahrheitsliebe zu versichern; ich fühle die Wichtigkeit einer solchen Entdeckung zu sehr, um mir zu gestat ten, ihr irgend etwas zu entnehmen ober beizufügen, Ich will also die Dinge erzählen, wie sie sich zuges tragen haben, wie ich sie geschen, wie die grausame Erinnerung desselben ewig meinem Gedächtniß einges prägt seyn wird.

Am 11. April (1814) hatte ich den Kaiser, wie gewöhnlich, zu Bette gebracht, ich glaube sogar ets was früher, als sonst; denn wenn ich mich genau ers innere, war es noch nicht 10 Uhr. Als er sich legte, schien er mir sich etwas besser zu befinden, als den Tag über, und ungefähr so, wie ich ihn die frü

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hern Abende gesehen hatte. Ich schlief In einem Zim*: mer über dem des Kaisers, mit welchem es mittels einer heimlichen Treppe in Verbindung stand. Seit einiger Zeit war ich gewohnt, mich angekleidet zu Bett zu legen, um schneller bei bern Kaiser zu seyn, wenn er mich rufen ließ. Ich schlief ziemlich fest,.. als um Mitternacht ich vom Herrn. Pelard geweckt :: wurde, der den Dienst hatte. Er sagte mir, der Kais fer verlange nach mir, und als ich die, Augen auf schlug, sah ich in seinem Gesichte eine schreckensvolle Miene, die mich bestürzt machte. Mitlerweile war; #ich vom Bette herabgesprungen, und als ich die Treppe : hinunterging, fügte Pelard hinzu: Der Kaiser hat etwas in einem Glase eingerührt und dann getrune ken.". Ich trat in das Zimmer des Kaifers, der in folchen Aengsten lag, wie man es sich nicht vorstels len kann. Er hatte sich wieder gelegt; ale ich aber zu seinem Bette trat, sah ich auf der Camine die Stücken eines Säckchens

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Erde vor dem

von Leder und

welches er feit

schwarzem Taffet. Es war daffelbe,
dem Feldzug in Spanien gewöhnlich an seinem Halse
trug, und ich ihm in der Zwischenzeit von einem Feld-
zug zum anderu forgfältig bewahren mußte. Hätte ich
nur ahnen können, was es enthielt! In diesem yer..

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hängnisvotten Augenblickwurde mir bie⋅ schreckliche' Wahrheit endlich entdeckt! Ich stand dabei immer: an dem Köpfliffen des Käisers. Constant, fagte er zu mie mit einer bald schwachen, bald heftig heraus. › fahrenden Siimme, ich sterbe! Ich konnte den Quaż len, welche ich leide, besonders den Demüthigungen, mich bald von Agentèn des Ausländes umgeben zu sehen, nicht widerstehen...Man hat meine Abler im Kothe herumgeschleppt!.... Sie haben mich: schlecht gekannt!.... Mein armer Conftant, es wird ihnen um mich Leid thun, wenn ich nicht mehr feyn werde!... Marmont hat mir den legten Streich versest. Der Unglückliche!... Ich liebte thn!.... Daß mich Berthier verließ, verursachte mir viel Kum nier!.... Meine alten Freunde meine ehemaligen Waffengefährten!...." Der Kaiser sagte mir noch Mandherlei, welches ich mich scheue, auf eine unges! treue Weise wieder zu erzählen; und es ist begreifs lich, daß ich, in der heftigsten Verzweiflung, nicht darauf ausging, die Worte, welche der Kaiser abge= brochen Sprach), meinem Gedächtniß einzuprägen; denn was er sagte, hatte keine Folge, und es traten im mer einige Zwischenmomente von Ruhe oder Ermat. tung ein. Meine Augen #fest auf das Gesicht des

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Kaffers geheftet, bemerkte ich, in sofern meine Thränen es gestatteten, einige convulfivische Bewegungen. Es waren dieß die Symptome einer Crisis, über die ich heftig Serschrak. #Sum“ Glück führte sie ein leichtes Erbrechen. Herbel, welches mir wieder einige Hoffnungen gewährte. Der Kalfer hatte in ber Complication seiner physischen und mörälischen Leiden seine Kalt= Brätigkeit nicht verloren. Nach dieser ersten Auslee= rung "fagte er zu mir: "Constant, laffen Sie Cou laincourt und Yŵan rufen.” – Ich öffnete die Thür, um diefen Befehl Herrn Pelard: mitzutheilen, ohne bas” Zimmer des Kaisers zir verlassen. Als ich wieder an sein Bett_kam,bat sich ihn, Teine niederschlas gende #Arznei»«zu nehmen; alle meine Bémühungen wären vergeblich, so sehr ich auch bitten mochte. Er Hatte, selbst in Gegenwart des Todes, den festen Wil» ten zu sterben. "Ich fuhr Indessen fort, in ihn zu bringent als Herr von Coulaincourt und Herr Ywan ins Zimmer traten Der Kaiser gab dem Erstern ein Beichen, an sein Bett zu treten, und sagte:,, Cous laincourt, ich empfehle Ihnen meine Frau und mein Kind dienen Sie ihnen, wie Sie mir gedient haben, ich werde nicht lange mehr leben!...." In diesem Augenblic trat ein neues Erbrechen ein, aber noch

Leichter, Bals: dass erstere.. Während dieser Belt--ver= suchte ich, dem Herzog von Vicenza zu sagen, der Kaifer hatte Gift genommen. Er errieth mich; mehr, als daß er mich verstanden hätte, denn mein Schluchzen erstickte die Stimme so: sehr, daß ich kein Work beutlich zu sprechen vermochte. Herr Ywan trat ans Bett, und der Kaiser sagte zu ihm: Glauben Sie, die Dosis sei stark genug?". Diese Worte waren: wirklich räthselhaft für Herrn: Vwan, denn er hat nie etwas von dem Dasein des Säckchent gewußt, wenigstens so viel mir bekannt, ist. Auch antwortete er:,,Ich weiß nicht, was Ew. Majestát sagen wole len;" der Kaiser erwiderte nichtë. af

"

Wir drei, der Herzog von Vicenza, Vwan und ich, thaten nun unser Mögliches, und waren so glüde lich, ihn, obwohl nicht ohne viele Mühe, dahin zu bringen, eine Tasse Thee zu trinken. Als ich diesen, eiligst herbeigeschafft hatte, weigerte er sich doch noch, ihn zu trinken, und sagte: „, Laß mich, Constant, laß mich." Da wir aber von Neuem in ihn drangen, trank er endlich, und das Erbrechen hörte auf. Kurz nachdem der Kaiser diese Taffe Thee getrunken hatte, schien er ruhiger; er schlummerte ein, die Herren gingen leise weg, und ich blieb allein in seinem Bimmer,

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