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unter ›nichtigen Vorwanden (z. B. der Unentbehrlichkeit der Gewählten für ihre ́ bürgerlichen Aemter und Geschäftskreise) für ungültig zu erklären. Wie schwach mußte eine Regierung fich fühlen, welche nicht, einigen ihr fein bz feligen Individuen gegenüber, mit Kraft und Würde sich zu behaupten vers möchte!".

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Ucber die Vertretung des geistlichen Standes auf dem
· Landrage.

Defters ist neuerdings von diesem Gegenstande die Rede gewesen, ohne daß man jedoch diese Streitfrage in der Theorie zu Ende zu bringen, und in der Praxis eine Gleichförmigkeit der Grundfäße hierüber geltend zu machen im Stande war. Eine große Bers wirrung der Begriffe hat in dieser Hinsicht schon da= durch Statt gefunden, daß man „Kirche“ und „geist lichen Stand" oder „Geistlichkeit“ meistens mit einander verwechselte, da doch beide sehr genau gerade in jener Hinsicht zu unterscheiden sind. Wir müssen uns be

gnügen, hier nur einige Anbeutungen über die Hauptpuncte, worauf es, bei der Frage nach der Vertretung des geistlichen Standes ankommt, zu geben, ein ties feres Eingehen in das Verhältniß zwischen Kirche und Staat uns für ein andermal aufsparend.

Wie bekannt wird in der Wissenschaft ein gros Ber, auch practisch sehr wichtiger, Unterschied zwischen der landständischen und Repräsentati vs Verfassung gemacht, obgleich im gemeinen Leben beide Ausdrücke als gleichbedeutend gelten. Der Haupts unterschied beruht darauf, daß nach dem Princip des ørstern Systems nur die Intereffen der einzels nen, dazu berufenen, Stände, nach dem legtern die des ganzen Volkes vertreten werden. Dieß testere System ist gegenwärtig als das allein unserer jebigen Zeit angemessene anerkannt, wenn gleich es fich rein und streng nur in solchen Staaten durch führen läßt, wo das Lehnsystem mit allen feinen Fols gen völlig aufgehoben ist. ) Dieß ist nun, wie ebenfalls bekannt, in den Deutschen Staaten noch nicht der Fall, daher überall eine Vermischung des landständischen und Repråsentativsystems in den neuern

1) Pólik das conftitut. Leben S. 79.

und neuesten Verfassungen vorkommt. Bu ben Grüne den, warum die alte landständische Verfassung, (wos nach bloß Adel, Geistlichkeit und Städte vertreten wurden) jest nicht mehr past, gehört nun, außer dem Umstande, daß die Güter des Bauernstandes wieder,,Wehrgüter" geworden, das Lehnsystem und der Abel ihre ursprüngliche Bedeutung verloren, Hans del und Gewerbe dagegen durch Geldreichthum Macht gewonnen haben, vornehmlich die gänzlich veränderte Stellung, welche der geistliche Stand, fast überall aus seinem alten Befißthum gefeßt, zu dem Fürsten und Volk erhalten hat. *) Und zwar war bas alte Besißthum (was wohl zu beachten ist, aber meistens, besonders von den Geistlichen selbst, die eigene Vertretung verlangen, übersehen wird) nicht bloß ein körperliches, materielles, sondern auch ein geistiges, immaterielles. Zunächst hat den frühern fo bedeutenden Grundbesiß die Geistlichkeit fast überall bis zu dem Grade verloren, daß derselbe im Verhältniß zu bem übrigen Grundbesig so klein ist, daß. die Geistlichen in dieser Hinsicht kaum in den Kreis

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1) Zacharia v. Staate II. 246. Vollgraff Syft. d. Pol. IV. 266.

des kleinen Gründbefißes eingerechnet werden kön nen *); wozu noch kommt, daß sie bloße Nuhn i en Ber desselben sind, mithin nicht die vollen Rechte bes wirklichen Eigenthümers ansprechen können; ferner daß des geistlichen Besigthums Ertrag bloß pars salarii ht, welchen der Staat, wenn er es für zweckmäßiger halt, jeden Augenblick in fire Besoldung verwandeln fann; endlich, daß dieser Grundbesig in der Regel steuerfrei ist, mithin hier das Hauptmotiv der Vers tretung des Grundbesißes gar nicht vorkommt. Es hat aber auch zweitens der geistliche Stand sein frům heres geistiges Alleineigenthum verloren; er ist nicht mehr im Monopol der Intelligenz, wie er es früherhin (vor der Reformation) war; Wissenschaft und Kunst ist den Laken, wie Krug fagt, 2) in folchem Maße zu Theil worden, daß Viele derselben in dieser Hinsicht nicht nur ebenso, sondern noch mehr gebildet sind, als die Geistlichkeit selbst." Uus der frühern Vertretung der leztern im Land stå n dischen System kann mithin bei so gänzlich veráns derter Lage der Dinge kein Rechtsgrund hergenommen/

1) Pólik a. a. D. S. 94.

2) Das Repräsentativsystem S. 55.

werden; und ebenso wenig kann es in Betracht kom

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men, daß in mehrern neuen Verfassungen eine Vers tretung durch Erzbischöfe oder andere kirchliche Prálas ten, Präsidenten des Consistoriums u. s. w. wirklich Statt findet); denn eine solche Vertretung ist eigentlich ganz wider den Geist des Repräsentativsys stems, indem, wenn einmal wahre Vertretung des geistlichen Standes Statt finden soll, die Kirche oder der geistliche Stand die Repråsentanten selbst muß wählen können. - Es fragt sich daher nur, ob nach dem Repråsentativsystem eine besondere Vertretung des geistlichen Standes zu wünschen und einzuführen ist?

Für die Bejabung dieser Frage ist angeführt worden, daß ja nach diesem System alle Inter effen, nicht bloß die einzelner bevorrechteter Stände, vertreten werden sollen, die religiösen Interessen aber offenbar zu den wichtigsten gehören, und an der Geistlichkeit ihre natürlichen Vertreter hätten. Läst sich überhaupt ein Staat ohne Religion und Kirche denken, und ist nicht unser ganzes modernes Staatsleben ein christliches? Muß nicht daher auch unser

1) Z. B. in Baiern, Baden, Darmstadt, Nassau u. f. w.

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