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Felbe beweisenz übrigens: haben wir uns hierauf nicht weiter einzulassen, da' wir, diesen Punct nicht vom staatsrechtlichen, sondern vom politischen Standpunct aus betrachten, und nur zeigen wollen, daß die Ausübung dieses Rechtes nothwendig verderbs lich seyn muß.

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Eine solche Recusation steht zunächst überhaupt mit dem ganzen Geist der neuern Repräsentativ oder synkratischen Verfassung in Widerspruch. Die Grundlage und Seele dieses Systems ist offenbar freie, von aller und jeder Einwirkung von Seiten der Regierung unabhängige, Wahl der Vertreter, Ohne eine solche Freiheit der Wahl würde jenes Sys stem nur eine Illusion und um so verwerflicher seyn, jesverderblicher, die bekannte, freilich schon uralte *) Marime schlauer Herrschsucht ist, wenn sie der Freis heit die Seele geraubt hat, die körperliche Hülle, der felben auf der Erde zu lassen und auszustellen. Ob nun auf die Wahlen direct durch leitende Regierungscommiffáre (es versteht sich, daß unter der Leitung" hier nicht das bloß Formelle verstanden wird), oder indirect auf diese oder jene Weise eingewirkt wird, ist

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1) Hillmann Urgeschichte d. Staats S. 158.

fm Wesentlichen ganz basselbe. Gesteht man einmal bem Volke das Recht zu, sich seine Vertreter selbst zu wählen, und finden bei diesen die verfassungsmås Big erforderlichen Bedingungen (Alter, Einkünfte, Religion, Unbeschottenheit u. f. w.) Statt, so müss sen die Gewählten auch einberufen und zugelassent werden, wenn man nicht mit der einen Hand, was man mit der andern gegeben, wieder nehmen, mithin Comödie spielen will.

Wieviel auf das Wahlsystem in der Repräsen tativverfassung überhaupt ankommt, ist zu oft schon gezeigt worden,) als daß es nöthig wäre, hierauf weitläufiger einzugehen. Wir begnügen uns, an ben bekannten Sah zu erinnern, daß das Volk sehr gut biejenigen zu wählen weiß, denen ein Theil der Staatsgewalt anvertraut werden soll, eine Wahrs heit, die Montesquieu 2) - fattsam erwiesen hat, und welche ein zweites Argument gegen alle Einmi

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") Wyvill Considerat. on the twofold mode of election etc. Malthus üb.. Bevölkerung (v. Heges wisch) B. IV. K. 7. Me.. de Staël Mémoires II. 1. c. 21. Benj. Constant Considerat. sur les élections etc. u. A.

2) De l'espr, d. 1. II. 24

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fhung und Bevormundung von Seiten der Regies rùng ntbalt.

Ganz falsch würde der Schluß seyn, daß, weil die Regierung das Recht hat und haben muß, die gewählte Kammer ganz aufzuldsen, sie um so mehr befugt seyn müsse, Einzelne zu recusiren; denn jene Befugniß muß der Natur der Sache und der richti #gen Ansicht nach der Regierung nur darum zustehen, ,,damit sie dadurch, wenn ihr die Stimmung der ges wählten (zweiten) Kammer mit der öffentlichen Meinung in Widerspruch zu stehen scheint, die Berufung an bas Volk einlegen könne." ") Sonach würde der Schluß vom majus ad minus hier ganz folgewidrig seyn; wozu noch kommt, daß bei einer solchen gene3 rellen Auflösung durchaus die Ehre und der politische Ruf der Einzelnen, in der Regel wenigstens, nicht im Geringsten angetastet wird.

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Eine folche Recusation entfremdet ferner Regierung und Volk, untergråbt die wahre sittliche Grundlage des Staatsgebäudes, die Liebe und das Vertrauen der Bürger. In der Regel wird die Recusation quaest, nur in Hinsicht auf Beamte oder Staats=

1) Zacharia v. Staate Th. II. S. 287.

diener unter dem Vorwande Statt finden, daß man ihrer in ihrem amtlichen Wirkungskreise nicht entbehren könne. Die Regierung läßt sie erst vom Volk wählen, giebt ihnen aber dann keinen Urlaub, rine Sache, die natürlich nur in s. g. octroirten, d. h. als Ausflüsse der höchsten Machtvollkommenheit oder Souveränetåt und Auctoritåt (octroi), mithin bloß als Geschenk und Gnade ertheilten, Constitutio nen vorkommen wird, obwohl nicht vorkommen muß *), Denn daß sie in paciscirten, d. h. im Wege: des Vertrags zwischen Fürst und Volksvertretern zu Stande gekommenen, Statt finden könnte, ist ganz unwahrscheinlich, da Volksvertreter, wenn sie bet der Entwerfung der Constitution eine berathende und entscheidende Stimme haben, eine solche Beschränkung ihres Wahlrechts unmöglich gutheißen können und werden. Betrachten wir nun diese Recusation nåher.

Bekanntlich ist es eine noch sehr bestrittene Frage, ob Staatsdiener überhaupt sich zu Bolts.

1) Detroirt find . B. die Verfassungen von Baiern, Baden, Nassau, Meiningen, Schwarzburg - Rudolstadt, Lippe Schaumburg und Lichtenstein; Res cusation kommt unsers Wissens nur in der erftges nannten vor.

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bertretern gut eignen. In mehrern Staaten sind sie als folche (namentlich, wenn sie nicht außer ihrem Dienstgehalt ein hinreichendes ganz unabhängiges Einkommen besigen) verfassungsmäßig ausgeschlossen, wie 3. B. in Großbritannien (nur die Minister ausgenom. men), in Norwegen, Polen (infandum regina ! —), Waldeck, Weimar, Basel und Teffin. *) Auch haben ausgezeichnete Politiker wie z. B. Uncillon, 2) fich ganz in diesem Sinn erklärt, und sowohl die höhern, als die niedern Beamten von der Volksvertretung ausgeschlossen wiffen gewollt, wofern sie nicht unab. Hängige Eigenthümer, befonders Grundeigenthümer Find Alle übrigen Beamten stehen nicht selbstständig da, sondern leben für den Dienst und von dem Dienst des Staats. Diejenigen von ihnen, die hoch stehen, and die ersten Stellen einnehmen, theilen gern in allen Sachen den Gesichtspunct der Regierung und sprechen sich in der Regel ausschließlich für dieselbe aus; allein darin besteht doch der Hauptvortheil einer guten ständischen Verfassung, daß eine jede Sache vielseitig, und noch aus andern Gesichtspuncten, als

1) Bollgraff Polit. IV. 6. 415. 2) Ueb. die Staatswiff. S. 108.

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