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Schwarzenberg hielt es für den Augenblick am klúgsten, wenn man sich nicht durchaus schlagen müßte, neue entscheidende Schlachten zu vermeiden. Uebers haupt war das häufige Streben der einzelnen vers bündeten Monarchen, ihre persönlichen Interessen vor dem allgemeinen Interesse zu begünstigen, selbst bei dem gemeinschaftlichen Bedürfniß, Napoleons Macht zu brechen, wie in allen andern Staatsbündnissen vieler Souveräne, auch dießmal sichtbar.

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Am 4. November 1813 theilte mir der Kron= prinz von Schweden in einer Audienz mit, daß er durch den Grafen Löwenhielm dem Russischen Kaiser Folgendes vorzuschlagen habe: die große Armee der Verbündeten mit dem linken Flügel an den Main ́und den rechten Flügel an die Mündung der Sieg in den Rhein und bis Düsseldorf auszudehnen. Das gegen wolle der Kronprinz mit seinem Heere Wesel belagern, und von dort in Holland eindringen, um folches wieder von Frankreichs Joch frei zu machen. Aledann könnten sich die Heere am rechten Rheinufer wieder organisiren, recrutiren, auch so früh als móg= lich den Rhein passiren, indeß die zurückgebliebenen Corps die Französischen Festungen an der Elbe und

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Ober einzuschließen fortführen. Auch dürften die Fes stungen Stettin und Torgau in den nächsten vierzehn Lagen fich den Verbündeten ergeben.

Es war damals des Kronprinzen Absicht, mit einem Theile seines Heeres nach Harburg zu mar schiren, um von dort den Marschall Davoust in Hamburg anzugreifen und sich an der Niederelbe fest zusehen, und hernach mit dem ganzen Heere nach Stralsund sich zurückzuziehen.

Es brachte aber der Graf Löwenhielm statt ber Annahme des Schwedischen Planes einen andern aus dem Hauptquartier der Verbündeten zurück, worüber der Kronprinz sehr mißvergnügt war. Er sagte mir, daß die Verbündeten seinem zu Erachenberg vorgeleg= ten Project, das sie angenommen hätten, ihre Siege verdankten, daß er von keiner fremden Macht Befehle anzunehmen brauche; daß er aber doch den schlechten Gegenplan gelten lassen würde, wenn er vom Kaifer oder einem berühmten General herrühre. Er glaube aber, daß der Plan nur ein Werk der kaiserlichen Adjutantur sei, welche jest den Krieg ebenso gut als er zu verstehen glaubten, oder von Desterreich her rühre, welches nicht eilig genug den Besiß seiner Erblande in Italien wieder gewinnen könne, und

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danach mehr strebe, als nach Dingen, welche das allgemeine Interesse fördern könnten.

Dann machte mir der Kronprinz seine Lage in Schweden bemerklich. Er sei der Einzige unter den Verbündeten, welcher bisher sich nicht den Militärbesig eines bedeutenden Landes, verschafft habe, sein Rücken müsse gedeckt seyn und Hamburg beseßt wers den. Sein Entschluß sei gefaßt, dem Plane des Kais fers einige militärische Gegenbemerkungen beizufügen; denn jest müsse man nicht den Trachenberger Operas tionsplan weiter verfolgen, sondern die ganz veráns derten jezigen Verhältnisse der Politik und der Arz meen erwägen. Diese Verschiedenheit der Lage wolle er jcht geltend machen, und hoffe, damit Gehör zu finden, wenn er auch nicht länger der Feldherr eines großen Heeres bleiben könne.

In manchen Ansichten, räumte ich dem Krons prinzen ein, möge er sehr recht haben. Doch möchte Se. königliche Hoheit bedenken, daß auf jeden Fall die Befolgung eines allgemeinen Plans besser sei, ald daß jedes einzelne Heer ohne Uebereinstimmung mit den andern Verbündeten handele. Darauf erwiderte der Kronprinz, daß, wenn er in einer Gegenvorstel= lung an den Kaiser sich selbst Gerechtigkeit verschafft

habe, und sich wegen Davousts und der Dänen Un ternehmungen etwas sicherer gestellt hätte, er freilich, so sehr er auch den Plan mißibillige, solchen zu voll. ziehen beslissen seyn werde, daß er aber in der Zwi. schenzeit sich nach Minden und Bremen, und von dort nach Stralsund zu begeben gedenke. Im Verein mit dem General Woronzow, der schon auf dem Marsche sei, und dem General Walmoden am rechten Ufer der Elbe, hoffe er mit Davoust fertig zu wers ben. Sollte sich aber die Abmachung verschieben, so könne man immer noch neue Verfügungen verab

reden.

Besonders schien dem Kronprinzen widerlich, daß seine Schweden so sehr zerstreut werden sollten. Auch bemerkte er, daß man ihm bei dieser Gelegenheit so wenig Achtung bewiesen habe. Er schien einen Eins marsch der Kosaken in Frankreich als etwas Abscheuliches zu betrachten, weil er die Nation liebe und ungern aufgereizt såhe, so sehr er auch ihren Mos narchen verabscheue, und schrieb eine sehr wohl anges brachte Proclamation nieder, worin er freilich sich selbst und seine Thaten wohl etwas zu sehr erhob.

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Bei der mir bekannten Beharrlichkeit des Krons prinzen, das ins Leben einzuführen, was er sich ein

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mat vorgenommen hatte, ließ ich meine Gegenbemers Fungen ruhen, bis nåhere Nachrichten aus dem Hauptquartier eingetroffen seyn würden.

Viel Werth legte ferner der Kronprinz auf die Zweckmäßigkeit eines Manifestes für Frankreich, worin die Verbündeten bekannt machen müßten, unter wel chen Bedingungen sie. Frieden machen würden, um zum allgemeinen Besten die Nation für sich zu ge= winnen. Von mir erfuhren Se. königliche Hoheit zus erst, daß Fürst Metternich den Herrn von Saint Aignan an Napoleon mit Friedensvorschlägen zurückgeschickt habe.

Dagegen bemerkte der Kronpring, er höre zwar gern, daß dieß geschehen sei, aber dieser Schritt der Diplomatik werde nicht genug bekannt werden; und ich mußte allerdings einräumen, daß die Verbündeten unpolitisch gehandelt håtten, den Prinzen, von dem fie die Befolgung ihrer Beschlüsse erwarteten, nicht auch über die ihrigen zu Rathe gezogen zu haben. Dieß hielt er für eine Geringschäßung. Je mehr die Verbündeten sich jest fähig fühlten, Schwedens Hülfe etwa entbehren zu können, desto mehr wurde der Kronprinz vernachlässigt.

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