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huc se provecti deserto in litore condunt.

Gegen die Auffassung huc provecti se deserto in litore condunt wenden manche ein, dass die Stellung des se dagegen spreche, und dass man darum huc mit condunt verbinden müsse. Die Construction huc se condunt ist natürlich an und für sich zulässig, (vgl. Plaut. Truc. III 1 9 minas viginti in crumenam, Liv. XXXI 23 condere aliquem in custodiam; vgl. auch se abdere, z. B. Verg. Aen. XI 810 ac velut ille, prius quam tela inimica sequantur, continuo in montes sese avius abdidit altos); aber sehr ungefällig wäre innerhalb desselben kurzen Satzes die verschiedene Bezeichnung des Ortes huc se deserto in litore condunt. Da ist denn doch ungeachtet der Wortstellung wahrscheinlicher die Verbindung huc provecti. Vielleicht beabsichtigte der Dichter ursprünglich zu sagen hic se provecti deserto in litore condunt, wobei zu provecti ein huc zu denken wäre; aber die Nähe des provecti übte auf das Adverbium eine Attraction aus. Uebrigens finden sich bei Dichtern ja mitunter Beispiele einer noch kühneren Wortstellung; vgl. Hor. Sat. I 3 60 f. cum genus hoc inter vitae versemur, ubi acris invidia atque vigent ubi crimina; ebd. I 6 66 f. purus et insons (ut me collaudem) si et vivo carus amicis. Vgl. auch Aen. X 420 quem sic Pallas petit ante precatus (sic zu precatus gehörig).

Eussner (N. Jahrb. f. Phil. 1876 S. 77) wollte in getilgt und deserto litore auf die Küste, welche die Griechen verlassen hatten, bezogen wissen. Richtig bemerkt dagegen Schaper, dass die Oede des Ufers mit der V. 23 erwähnten Blüthe in keinem Widerspruch stehe, da diese Blüthe schon während des Krieges durch Achilleus Kvíčala: Neue Beiträge z. Erkl. d. Aen.

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(Hom. 1 625) zerstört worden sei.*) Auch entsteht durch Eussner's Conjectur ein lästiger Ueberfluss, indem die Abfahrt auf doppelte Weise, durch provecti und deserto litore, bezeichnet wäre.

Uebrigens ist sehr richtig, was Servius bemerkt: „,aut certe ideo deserto, ut facilius latere possint". Die Griechen suchten eine einsame Gegend auf, damit niemand von den Einheimischen sie sähe und ihren Plan den Troern verriethe.

Aen. II 25.

nos abiisse rati et vento petiisse Mycenas.

Für diese seltene Ellipse von sumus führt man als Analogie an die ebenfalls seltene Auslassung von estis Aen. I 201 f. vos et Cyclopia saxa experti, Aen. V 191 f. nunc illas promite vires, nunc animos, quibus in Gaetulis Syrtibus usi und von es V 687 f. Iuppiter omnipotens, si nondum exosus ad unum Troianos. Mit der Auslassung der ersten Person von esse kann man vergleichen dieselbe Erscheinung, welche im Griechischen bei toquos und пóνμοs nicht selten sich findet, freilich gewöhnlich im Singular, z. B. Eur. Med. 612 ἕτοιμος αφθόνῳ δοῦναι χερί (näml. εἰμί) oder Dem. IV 29 ἐγὼ πάσχειν ὁτιοῦν ἕτοιμος Eur. Hel. 1523 εἰδέναι пóðνμos. Vgl. Plat. Lach. 180 A. Phaidr. 238 C. Euthyd. 285 C. Parm. 137 B. Doch auch im Plural: Plat. Rep. VI 499 D лεì τούτου ἕτοιμοι τῷ λόγῳ διαμάχεσθαι.

Eine noch genauere Eutsprechung bietet für unsere Stelle eine im Böhmischen in der Umgangssprache sehr übliche Wendung, nämlich die Verbindung des Personalpronomen já (ego), my (nos) mit dem Participium der Vergangenheit im Sinne eines Praeteritums, z. B. já to řekl (wörtlich ¿yà touto εionиás) = ¿yà touto εἰρηκώς) ἶπον. Já slyšel (wörtlich ἐγὼ ἀκηκοώς) statt já jsem slyšel (= ἐγώ εἰμι ἀκηκοώς) = ἐγὼ ἤκουσα. My slyšeli (wortlich ἡμεῖς ἀκηκοότες) statt my jsme slyšeli (= ἡμεῖς ἐσμεν ἀκηκοότες) = ἡμεῖς ἠκούσαμεν.

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*) Natürlich erstreckt sich die mit den Worten Priami dum regna manebant im V. 22 bezeichnete Zeit nicht bis zur Eroberung Troias, sondern nur bis zur Ankunft der Griechen vor Troia. Mit der Ankunft der Griechen und der Einschliessung der Troer in der Stadt hörte factisch die Herrschaft über die Umgegend von Troia auf.

Unsere Stelle würde darnach ganz genau wiedergegeben werden my (nos) myslili (rati) že odešli (őtı άñelyλvdóres scil. eloí = öti άлlov). Nothwendig ist jedoch im Böhmischen in diesem Falle (nämlich in der ersten Person) die Setzung des Personalpronomens zu dem Participium. Noch viel häufiger, ja geradezu ganz regelmässig ist diese Anwendung des Particips ohne jest (est), jsou (sunt) in der dritten Person, wobei das Subject, wenn es aus dem Zusammenhange bekannt ist, nicht ausdrücklich bezeichnet werden muss, z. B. otec (pater) napomenul (hortatus) syna (filium) = pater hortatus est filium. Otcové (patres) napomenuli (hortati) syny (filios) = patres hortati sunt filios. Ohne ausdrücklich gesetztes Subject z. B. : kdy odešel? = πότε ἀπεληλυθώς d. i. πότε ἀπῆλθε; Aen. II 45 ff.

aut hoc inclusi ligno occultantur Achivi,

aut haec in nostros fabricata est machina muros
inspectura domos venturaque desuper urbi,

aut aliquis latet error; equo ne credite Teucri.

Ribbeck bezeichnet die Verse 45 46 47 mit Sternchen und spricht die Meinung aus: „poetam ipsum arbitror dubium utrum v. 45 an 46 sq. versui 48 opponeret, interim utraque adposuisse, ut tamen in edendo textu aut v. 45 aut 46 sq. omissurus esset". Diese Ansicht ist von manchen (z. B. Ladewig) gebilligt, von anderen verworfen worden. Weidner meinte (S. 281), dass Ribbeck's Ansicht eine Stütze erhalte durch Priscian XVI 7, der den Vers 45 nicht gekannt zu haben scheine. „Es ist wenigstens nicht unmöglich,“ sagt er,,,dass in seinem Exemplar dieser Vers ganz fehlte oder mit einem Obelus (cf. Ribb. Prol. p. 152) versehen war.“ Weidner's Ansicht über diese Stelle war aber eine schwankende; er bemerkt weiter,,ganz unmöglich ist freilich die Ueberlieferung nicht," wobei er den Gedankenzusammenhang nach der Ueberlieferung in vortrefflicher Weise angibt. Und S. 282 findet Weidner die Ueberlieferung ,,sogar sehr wahrscheinlich."

Ich finde Ribbeck's Vermuthung nicht wahrscheinlich. Dass V. 46 f. und V. 45 wesentlich verschiedene Dinge bezeichnen, haben Weidner und andere dargethan. Dazu kommt, dass das

dritte mit aut eingeleitete Glied aut aliquis latet error,,oder es steckt überhaupt irgend ein Betrug dahinter"*), welches allgemein gehalten ist, seine volle Wirkung erst dann thut, wenn mehr als ein specielles Glied vorausgeht. Es finden sich zwar auch solche Beispiele, in welchen schon auf ein einziges specielles Glied ein zweites allgemeines mit aut aliquid (oder überhaupt irgend etwas) folgt, z. B. Cic. off. I 7 23 nam qui iniuste facit. impetum in quempiam, facit aut ira aut aliqua perturbatione incitatus. Sall. Cat. 17 5 quos magis dominationis spes hortabatur quam inopia aut aliqua necessitas. Aber gewöhnlich gehen in diesem Falle (zumal wenn schon das erste Glied mit der disjunctiven Conjunction eingeleitet ist) wenigstens zwei specielle Glieder voraus, wie ja auch theoretisch betrachtet es natürlich ist, dass man, wenn man abbrechend vom speciellen Ausdruck zu einem allgemeinen übergehen will, vorher wenigstens zwei specielle Punkte namhaft macht. Vgl. Plaut. Aul. pr. 24 aut ture aut vino aut aliqui semper supplicat. Ennius fragm. trag. 275 f. (Vahlen): astrologorum signa in caelo quaesit, observat, Iovis cum capra aut nepa aut exoritur lumen aliquod beluae. Cic. de orat. II 42 178 plura enim multo homines iudicant odio aut amore aut cupiditate aut iracundia aut dolore aut laetitia aut spe aut timore aut errore aut aliqua permotione mentis. Cic. Verr. Act. sec. I 27 70 cum seditionem sedare vellem, cum frumentum imperarem, cum stipendium cogerem, cum aliquid denique rei publicae causa gererem. Vgl. noch Cic. Tusc. III 14 30; ders. Tim. 5; ders. de rep. III 14 23; ders. Brut. 90 310. Att. VII 12 extr. Da nun die Ueberlieferung eine Ausdrucksweise darbietet, wie man sie eben erwartet, so ist anzunehmen, dass der Dichter absichtlich die Stelle gerade so, und nicht anders, gestaltete.

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Was V. 45 betrifft, so vergleiche man Quintus Sm. XII 393 f., wo es von Laokoon heisst πάντας δ ̓ ὀτρύνεσκε θοῶς ἐμπρησέμεν ἵππον, ἵππον δουράτεον, καὶ γνώμεναι εἴ τι κέκευθε. Und bei

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*) Vgl. über diesen Gebrauch von aliquis meine Untersuchungen auf dem Gebiete der Pronomina" S. 11 (Sitzungsberichte der philos.-hist. Cl. der Wiener Akad. LXV Band S. 87).

Tryphiodoros sagt Kassandra von dem hölzernen Rosse V. 413 δολόεντα δὲ σώματα κεύθων ὀλλύσθω.

Aen. II 86 f.

illi me comitem et consanguinitate propinquum
pauper in arma pater primis huc misit ab annis.

Bezüglich der Worte primis ab annis war schon Servius ungewiss, ob dieselben auf das Alter Sinon's oder auf den Krieg zu beziehen seien. „Primis annis; aut adolescentiae, aut belli". Gegen die zweite Auffassung hat schon Peerlkamp mit Grund eingewendet: Quod cur Sinon memoraret, non video. omnes enim Graeci ad Troiam profecti sunt primo belli anno, nihil in eo erat memoratu dignum. fuisset, si quarto quintove vel sequentibus annis venisset". Von vornherein ist es übrigens wahrscheinlich (vgl. auch VIII 515 ff. sub te tolerare magistro militiam et grave Martis opus, tua cernere facta adsuescat primis et te miretur ab annis), dass primis ab annis auf Sinon zu beziehen ist. Doch stellen sich, wenn man die Ueberlieferung beibehält, auch dieser Auffassung gewichtige Bedenken entgegen. Wenn nämlich Sinon von seinem Vater schon primis ab annis huc (d. i. nach Troia) als Begleiter des Palamedes geschickt wurde, wie kann er V. 137 f. sagen nec mihi iam patriam antiquam spes ulla videndi, nec dulcis natos? und wie kann er V. 88 sagen dum stabat regno incolumis... et nos aliquod nomenque decusque gessimus?

Diese Schwierigkeiten suchte Weidner*) dadurch zu beheben, dass er primis ab annis nicht mit misit, sondern mit comitem verband und propinquum als Begründung dieses Verhältnisses auffasste : „Mein Vater gab mich ihm, da ich sein Verwandter war, von Jugend auf zum Begleiter und hat mich dadurch, ob er es wollte oder nicht, auch hieher vor Troia gebracht. Dadurch dass der Vater den Sohn dem Palamedes zum Begleiter, zum Contubernalen

*) Ich ersehe aus Ladewigs Bemerkung, dass vor Weidner schon Friedrich (in seinen Teschen 1868 erschienenen Beiträgen) diese Stelle in dieser Weise erklärt hat. Die Beiträge Friedrichs stehen mir nicht zu Gebote; doch bemerkt Ladewig, dass Weidner in allem Wesentlichen mit Friedrich übereinstimmt.

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