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Miscellen.

Handschriftliches.

Zu den Tironischen Noten.

(Vgl. B. XXX, S. 455.)

24.

Die Pariser Handschriften der Tironischen Noten. Die Gruppen der sämmtlichen Handschriften.

Die Pariser Nationalbibliothek besitzt unter den Katalogsnummern Lat. 190. 7493. 8777. 8778. 8779. 8780 sechs, mit Ausnahme der letztbezeichneten, quartförmige, theils vollständige, theils fragmentarische Pergamenthandschriften der 'Commentarii Notarum'. Auf Grund einer Vergleichung derselben mit dem Gruter'schen Drucke der Noten, wie ich sie innerhalb der letzten Herbstferien an Ort und Stelle vorgenommen habe, glaube ich über diese Codices einen genaueren Bericht erstatten zu können, als ihn Kopp in der Palaeographie, I p. 301 ff., gegeben hat. Gegenüber dem Umstande, dass der Inhalt dieser Hdss. fast ganz unbekannt ist, wird es zunächst darauf ankommen, neben den Formalien, die Gesammtmasse ihres Gehaltes im Vergleiche mit dem Gruter'schen Texte wenigstens im Allgemeinen anzugeben und dann kurz anzudeuten, welche Gruppen der Handschriften überhaupt sich ergeben, sowie ob und welcher bestimmten Gruppe die einzelnen Pariser Codices zuzuweisen sind.

I.

1. Cod. 190.

Die Hds. ist gegen Ende des 9. Jhrhdts geschrieben und besteht aus 57 Blättern; aber nur fol. 1-42 enthalten in je zwei Columnen auf jeder Seite Listen der Tir. Noten; auf fol. 43-57 stehen, uns hier nicht näher beschäftigende, Theile des Psalteriums [Ps. 5-70] in Tironischer Schrift. Der Codex, früher der Bibliothek Philibert's de la Mare angehörig und ehemals mit den Nummern 224 und 6078 bezeichnet, ist fragmentarisch und zugleich in seiner Blätterfolge verwirrt. Er enthält ff. Bestandtheile :

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1) fol. 1-8 PRAETEXTA- Re [d. i. resecat]

=

p. 157, 27-168, 20 (IV)
= PV TEOLIS

2) fol. 9-24b
157, 26 (III)

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3) fol. 25-40b
-136, 27 (II)

Aequinoctium

= Grut.

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4) fol. 41-42b == caesareum

67, 19 (I).

Ein Blick auf die Gruter'schen Seitenzahlen zeigt, wie ich es auch noch durch die in Klammern beigefügten römischen Ziffern angedeutet habe, dass die vier Blättercomplexe genau in umgekehrter Reihenfolge geordnet sein müssten.

2. Cod. 7493.

Diese Hds., ein Miscellancodex, der Kopp unbekannt geblieben ist, enthält auf fol. 1-104 einen unvollständigen Diomedestext [s. Keil's Vorrede zum I. Bd. der Gramm. Latt. p. XXXI], auf fol. 105-167 meistens in drei Columnen auf jeder Seite die Tir. Noten; von fol. 168 ab ist beigefügt eine im 14. Jahrh. geschriebene expositio Petri Abaelardi super Topica. Den Text des Diomedes und der Noten hat eine und dieselbe Hand im Anfang des 10. Jahrh. geschrieben. Unter der im 15. Jahrh. beigefügten Ueberschrift Vulgares notae Romanorum beginnen dieselben mit AB ad con de dis ex in ob u. s. w. und schliessen fol. 167b mit placiola. Die auf der ersten Seite stehenden Noten sind von derselben Hand des 15. Jahrh., welche die erwähnte Ueberschrift zusetzte, theils über den ursprünglichen, mehr verwischten Text geschrieben theils auf freiem Raume ganz neu angebracht. Mit einer kleinen Ausnahme ist die Hds. vollständig, wie sie denn auch, ebenfalls mit geringer Abweichung, die richtige Folge zeigt; denn nur die jetzigen Blätter 128 und 129 mit den Noten aiunt pestis = Grut. 81, 33-87, 22, müssen vielmehr hinter dem jetzigen fol. 130 stehen. Auf pestis aber, das Schlusswort von fol. 129b, folgt nicht, wie bei Gruter pag. 87, 53 pestilens, sondern fol. 131a beginnt mit vindex: also fehlen in der Hds. die Noten von pestilens bis einschliesslich substratorium (Grut. p. 90, 50), im Ganzen = 194. Da nun auf jeder Seite dieser Hds. durchgehends 90 Noten stehen, bald einige mehr, bald einige weniger, so ergibt sich, dass hinter dem jetzigen fol. 129 ein Blatt ausgefallen ist. Erwähnenswerth ist auch, was auf fol. 184 steht: De vulgaribus notis quae sunt in medio huius libri. Incipit de vulgaribus notis quomodo prius inventae sunt. Vulgares notas Ennius primus u. s. w. die bekannte Stelle aus Suetonius Isidori mit einigen Varianten; der Schluss lautet: quas qui didicerunt proprie Lannotarii (d. i. iam notarii) appellantur. Explicit prologus de vulgaribus notis quem ego J. Gosselinus [Vorsteher der Königl. Bibliothek unter Karl IX. und Heinrich III.] hic transcripsi ex alio libro manuscripto huius bibliothecae 1598. Diese Abschrift Gosselin's stammt, wie ich durch Vergleichung ersehen habe, aus Cod. 8779, worüber weiter unten.

3. Cod. 8777.

Diese Hds., ehemals No. 6078, bezeichnet sich selbst zu Anfang als Liber notarum Claudii Puteani und hat auf fol. 1-98 den im 10. Jahrh. geschriebenen Notentext, und zwar meist auf jeder Seite drei Columnen mit je 20-22 Noten. Integram nota

rum collectionem continere videtur', sagt Kopp, Palaeogr. I § 340 p. 302. Das ist in doppelter Beziehung nicht richtig; denn die Blätterfolge ist verwirrt und der Text lückenhaft. Die Hds. enthält:

=

=

1) fol. 1-39b (AB)- Adheret Grut. p. 1, 1-84, 25 [I]

2) fol. 40-47b = Siricum
173, 44 [II]

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concinnit Grut. 159,

45

3) fol. 48-87b = SVBTILIS - Multiceum = Grut. 84, 36

-159, 44 [II]

4) fol. 88-95b = concentus
188, 39 [IV]

5) fol. 96 Herodiadis ·

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Dns nrt ihs xps = Grut. 192, 14

60 [V] 6) fol. 96-98 [VI] ein von dem Gruter'schen Texte vielfach abweichendes Verzeichniss biblisch-christlicher Noten, an die sich zum Schlusse anreihen: Pausat, Pausatum, Pausabilis Platea, Plateola nebst der zweimaligen Unterschrift: EXPLICIVNT NOTAE SENECAE | NVMERO QVINQVE MILIA.

Die richtige Blätterfolge ist aus den von mir beigefügten römischen Ziffern ersichtlich. Es fehlen die zehn Noten coheret - heuresis nebst Schlussangabe des 4. und Anfangsbeziehung des 5. Cap. im II. Commentar Grut. p. 84, 26—35, sowie die Noten Lartensis Herodes = Grut. p. 188, 40-192, 13.

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4. Cod. 8778.

Diese aus der Colbert'schen Bibliothek stammende Hds. des 10. Jahrh., welche ehedem die Katalogsnummern 3557 und 6078 trug, enthält 95 Blätter, von denen aber nur 93 mit Noten beschrieben sind. Sie ist zu Anfang fragmentirt; denn sie beginnt erst mit der Note Quosdam (= Grut. p. 15, 14); weiterhin aber ist sie vollständig; denn sie schliesst mit platiola (Grut. 194, 41). Mit dieser Note endigte ursprünglich der Text, wie aus den dahinter stehenden Worten hervorgeht: HIC FINEM FACIVNT NOTAS. Von jüngerer Hand ist dann eine von der Gruter'schen verschiedene Reihe biblischer Noten beigefügt, die mit Zacheus beginnt und mit Agar schliesst. Die Hds. hat ursprünglich aus 13 Quaternionen bestanden, von denen der erste ganz verschwunden ist, der letzte ein Blatt zu wenig hat. Die elf vollständig vorhandenen tragen noch jetzt folgende Bezeichnungen am untern Rande der betr. Folioseite:

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2 İ; fol. 72b: 2 K; fol. 80b: 2 L; fol. 88b: 2 m. m. Noch erwähne ich folgende am unteren Rande von fol. 95 befindliche Namen: berardus andreas Guichar/ dus hugo petrus pocius (?)/ dong abbs Stphs: vielleicht könnten sie einmal einen Anhalt bieten zur Bestimmung des unbekannten Klosters, dem die Hds. ehemals angehört hat.

5. Cod. 8779.

Die Hds. war ehemals der bibliotheca Puteana angehörig und früher mit den Nri 874 und 5512 bezeichnet. Sie besteht aus 51 (nicht 41, wie Kopp Palaeogr. I § 342 p. 303 angibt) Quartblättern und ist im 10., nicht, wie Kopp a. a. O. will, im 9. Jahrh. geschrieben. Ihr Inhalt ist folgender:

Auf fol. 1-4 einschliesslich steht:

I. die schon oben erwähnte Stelle aus Suetonius Isidori (ed. Reiffersch. p. 135) über die Erfindung und Vermehrung der Noten.

II. ein in barbarischem Latein abgefasster PROLOGVS DE NOTIS SENICIS ET QVALITER BEATISSIMVS (wofür es weiterhin bona quoque memoria heisst) GREGORIVS PAPA DICTATOS SVOS PER NOTARIORVM SCEDVLAE RECITARE CONSVEVERAT......: welchen Prolog Kopp a. a. O. I § 343 p. 304 ff. mit einigen wissentlichen, weil unwesentlichen, Auslassungen hat abdrucken lassen. Es ist derselbe Prologus', der, von Pet. Daniel's Hand aus diesem Pariser Codex 8779, wie ich mich jetzt überzeugt habe, abgeschrieben ist und sich in der Berner Hds. 358 befindet (vgl. Notae Bernenses p. 5).

III. Die kurze Notiz IN NOMINE DEI SVMMI INCIPIVNT NOTAE SENECAE cet., welche gleichfalls von Daniel copirt in der genannten Berner Hds. steht (NOMININE pag. 5 der Nott. Bern. ist verdruckt).

с

Schon Kopp erkannte richtig (s. S. 311), dass, zufolge des Zusatzes bona memoria', der Urheber des Prologs nach dem Tode des Papstes Gregorius' geschrieben habe, dass ferner bei dem Fehlen einer Unterscheidungszahl des Namens nur an Gregor I., den Grossen, gedacht werden könne und dass, da Gregor I. (am 12. März) 604 gestorben sei, Gregor's II. Pontificat aber (am 19. Mai) 715 begonnen habe, der Verfasser des Prologs zwischen 604 und 715 gelebt haben müsse. Es lassen sich aber noch jetzt aus Gregor's I. Werken die Stellen nachweisen, auf die sich jene Worte des Prologs offenbar beziehen.

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In der Vorrede zu den um 595 redigirten zwei Büchern der Homilien zum Ezechiel (die Vorrede zum 2. Buche schrieb Gregor, als er vernommen hatte, Agilulphum Longobardorum Regem ad obsidionem nostram summopere festinantem Padum transisse') heisst es [ed. Bened. opp. tom. I p. 1174]: Homilias, quae in beatum Ezechielem prophetam, ita ut coram populo loquebar, exceptae sunt, multis curis irruentibus in abolitione reliqueram. Sed post annos octo, petentibus fratribus notariorum schedas requirere studui, easque favente Domino transcurrens, in quantum ab augustiis tribu

lationum licuit, emendavi. Weiterhin sagt er in der Vorrede zu den vierzig in zwei Bücher abgetheilten Evangelienhomilien [p. 1434]: Inter sacra Missarum solemnia, ex his quae diebus certis in hac Ecclesia legi ex more solent, sancti Evangelii quadraginta lectiones exposui. Et quarundam quidem dictata expositio, assistente plebe, est per notarium recitata: quarundam vero explanationem coram populo ipse locutus sum: atque ita ut loquebar, excepta est.... Easdem quoque Homilias, eo quo dictae sunt ordine, in duobus codicibus ponere curavi: ut et priores viginti, quae dictatae sunt, et posteriores totidem, quae sub oculis dictae, in singulis essent distinctae corporibus. Hierher gehören auch die Worte der 21. Evangelienhomilie [p. 1526]: Multis vobis lectionibus, fratres carissimi, per dictatum loqui consuevi: sed quia lassescente stomacho, ea quae dictavero, legere ipse non possum, quosdam vestrum minus libenter audientes intueor. Damit stimmen zusammen die Worte des Johannes Diaconus, der in der Biographie Gregor's I. [lib. II, 18] bemerkt: dum adhuc eloqui praevaleret, viginti homilias Evangelii coram Ecclesia diverso tempore declamavit: reliquas vero eiusdem numeri dictavit quidem sed lassescente stomacho languore continuo aliis pronuntiandas commisit [vgl. IV, 74]. Derselbe Biograph hat den Namen wenigstens eines der beim Nachschreiben der Homilien beschäftigten Tachygraphen ausdrücklich überliefert [II, 11]: ..... Gregorius, remotis a suo cubiculo secularibus, Clericorum sibi prudentissimos consiliarios familiaresque delegit: inter quos Petrum Diaconum.. Aemilianum quoque notarium, qui quadraginta homilias Evangelii cum sociis suis excepit, Paterium aeque notarium, qui ab eo Secundicerius factus ex libris ipsius aliqua utillima (!) defloravit.

=

.....

Wie Kopp die Entstehungszeit des Prologs' richtig zwischen die Jahre 604 und 715 verlegte, so scheint auch die Annahme beifallswürdig, dass der Prologschreiber die silbenstenographischen Abschnitte [ Grut. p. 26-31] verfasst habe, und zwar wegen der folgenden in dem Prolog selbst enthaltenen Angaben: meo nunc nomine ea quae spoponderam lingua mea crebrius ingerente [Kopp interpretirt: quum meo nunc nomine ea, quae saepius ore spoponderam, tradenda sint']. ab ea quae ad utilitatem pertinet de hac arte agnosco qualis sit eius affectus (lies: effectus) [Kopp: veram hujus artis naturam et indolem usumque nunc perspicio]. hoc ea quae spoponderam opus varieturum adnixa (d. i. adnexa) syllaba ut ordine magis clarent et quasi per species [Kopp: Quod pollicitus sum opus ita variare institui, ut ex diversis notis syllabas singulas eruerem, easque suo quasque generi subjicerem, quo magis in hunc ordinem digestae illustrarentur'] et sub nomine tullii lectione hac (lectionem hanc) designo. Libet opifices unius cuiusque claritatem conatus nectere. Adhuc me in prolixitate seriem consonantem adhuc crebrius ingerentem, coepi memet ipsum multo sudore perstringere [Kopp: Decet quidem auctores cujuslibet conatus, rem illustrare: in tanta autem rerum copia multum sudavi, ut seriem et nexum ingererem'.]..... Iamque iter coepi aliorum

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