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derungen pflegt wohl auch ein Schüler, der des anderen Aufsatz abschreibt, vorzunehmen, ohne darum dem corrigirenden Lehrer die Ueberzeugung beizubringen, dass er selbständig gearbeitet habe 1. In demselben von Buchon veröffentlichten Märchen finden wir übrigens auch, wenngleich in etwas anderem Zusammenhange, den Zauberer mit dem geflügelten Wunderpferde wieder, auf welchem er eine schöne Prinzessin in einem Augenblicke weit aus dem elterlichen Schlosse wegträgt; und bei dem ersten Versuche, sie dem Entführer wieder zu entreissen, wird der Held des Märchens von diesem in zwei Stücke gespalten, worauf, wie der Storch in Lenormant's Legende mittelst eines Zauberkrautes, so hier der König der Vögel durch Unsterblichkeitswasser den Todten ins Leben zurückruft.

Hiernach dürfte wohl das Urtheil über die ganze Legende feststehen: man wird nun auch nicht mehr zweifelhaft sein, wie man sich die manichfachen überraschenden Anklänge an den berühmten homerischen Hymnos zu erklären habe.

Wenn demnach die eleusinische Legende in einer Zusammenstellung neugriechischer Volkssagen keinen Platz finden konnte, so habe ich es doch nicht für ganz überflüssig gehalten die Gründe hierfür in dieser Zeitschrift des Genaueren auseinanderzusetzen, zur Ergänzung desjenigen, was von andren Seiten 2 zur Beurtheilung der fides des Herrn François Lenormant beigebracht worden ist.

Freiburg i. Br.

Bernhard Schmidt.

1 Man vergleiche dagegen die Variante des von Buchon mitgetheilten Märchens bei Hahn Griech. und albanes. Märchen Nr. 52, wo derselbe Zug vorkommt.

S. A. Kirchhoff in Haupt's Zeitschrift f. deutsches Alterthum X, S. 197 ff. und R. Schöll im Hermes VII, S. 235 ff.

Attische Richtertäfelchen des Berliner Museums.

Zu den mannigfaltigen und reichen Erwerbungen, welche das Berliner Museum in der letzten Zeit gemacht hat, gehören auch drei Richtertäfelchen, die im Jahre 1873 von Lambros in Athen angekauft (Catalog der Broncen n. 6313-15) und, so viel ich. weiss, noch nicht edirt sind.

ΠΟΛΥΚΛΗΣ

A

ΦΛΥΕ

Πολυκλῆς

A

Φλυε[ύς].

Ein Polykles aus Phlya findet sich nebst seiner Frau und seiner Tochter auch auf einer Stele, welche auf einem Familiengrabe im Peiraieus errichtet war (Ross, Demen n. 74% Rang. 1448). Da die Inschrift dem 4. Jahrhundert v. Chr. angehören kann, so ist er möglicher Weise identisch mit dem gleichnamigen Heliasten. Denn dass die Schriftzüge des лváxiov etwas alterthümlicher erscheinen, ist, wie wir unten sehen werden, kein Beweis dagegen.

ΠΟΛΥΜΝΗ ΣΤΟ Σ
ΝΗΣΤΟΣ

A PI

Ο ΦΛΥΕΥΣ ΑΡΙ

Πολύμνηστος
Ο Φλυεὺς ̓Αριμνήστου

Eule

ΟΛΥ ΜΝΗΣΤΟ

Φ Λ Υ Ε
ΛΎ

Ο [Π]ολύμνηστος
Φλυεύ[ς

Υ

E Y

Trotz des in n. 3 fehlenden Zusatzes API, welcher nur den Namen des Vaters bezeichnen kann (also etwa Αριμνήστου, Αριστείδου, Αριζήλου u. s. w.), gehören die beiden Täfelchen ohne Zweifel derselben Person an. Finden sich doch auch auf zwei andern Exemplaren, welche aus demselben Grabe stammen und denselben Namen tragen (Καλλίας Κηφισοδώ[ρου] Αγνούσι[ος] Ross, Demen n. 25), Abweichungen in den Abkürzungen und im Stempel. Auffallend ist hier in n. 2 allerdings, dass gegen die Analogie aller mir bekannten Täfelchen der Name des Vaters dem Demotikon nachgestellt ist. Hieran reihe ich noch

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ein Bruchstück, dem die grössere rechte Hälfte fehlt, mit dem Buchstaben d in vertieftem Vierecke und der Inschrift Μνησικλῆς..., wobei zu bemerken ist, dass dieses Täfelchen nicht wie gewöhnlich in zwei Zeilen beschrieben war, sondern allem Anschein nach nur in einer Zeile (vgl. W. Vischer, epigr. und archäol. Kleinigkeiten. Basel 1871, S. 14.)

5. Das bereits bei Ross, Demen n. 37 und bei Rang. n. 1301 edirte Täfelchen (Catal. d. Br. 3425)

Ε ΑΝΤΙΚΡΑΤΗΣ: ΕΥΚΟ

ΘΑΞΩΝΕΥΣ

Ε ̓Αντικράτης Εὐκτ[ήμονος

Αιξωνεύς.

Denn in den beiden genannten Publicationen ist die Gestalt der Buchstaben nicht genau wiedergegeben. Ob der in einem Verzeichniss von λειτουργήσαντες bei Rang. n. 1241 genannte Αντικράτης Av[uxoáτ]ove aus der Kekropischen Phyle, der auch der Demos Aixone angehörte, ein Nachkomme des hier erwähnten ist, lässt sich nicht sicher entscheiden.

Bekannt ist, dass die Heliasten jährlich ausgeloost und in 10 Decurien zu 500 vertheilt wurden, und dass sie auf die Dauer ihres Amtsjahres ein лváxov erhielten, auf dem links durch die Buchstaben A-K, welche in einem runden oder viereckigen Stempel erhöht angebracht wurden, die Decurie bezeichnet ward, welcher jeder, Einzelne zugetheilt war, (vgl. Schol. Aristoph. Plut. v. 277. Schömann, opusc. I 203 ff. K. F. Hermann, gr. Staatsalt. I § 134, 11). Und in der That sind auf den jetzt noch vorhandenen Broncetäfelchen (im Ganzen etwa 25) alle 10 Buchstaben in einem Exemplar oder mehrmals bezeugt. Aus den Inschriften geht, wie Benndorf (Gött. Gel. Anz. 1870 S. 276 ff.) nachgewiesen hat, mit ziemlicher Sicherheit hervor, dass die Eintheilung der Richter in Decurien nicht nach Phylen geschah. Ein Täfelchen aber hat statt der üblichen Nummer ein eigenthümliches Zeichen , welches an eine Verbindung von E und H erinnert. Hieraus will der Herausgeber Vidal-Lablache im bulletin de l'école franç. d'Athènes n. III-IV p. 51 mit Hinzuziehung von Aristoph. Plut. v. 1166-67 folgern, dass manche Heliasten, um häufiger den Richtersold zu erhalten, sich in mehrere Decurien einschreiben liessen, während Schömann (opusc. I, 212) das bei Aristophanes erwähnte Verfahren mit Recht als einen Betrug bezeichnet. Da ein solcher durch ein doppeltes Zahlzeichen doch sicher nicht verheimlicht, sondern eher verrathen wäre, so wird man wohl mit Benndorf in besagtem Zeichen vielmehr ein Versehen oder eine Correctur sehen müssen.

Nach dem Zahlzeichen folgt der Name des Richters und auf vielen Exemplaren (aber nicht auf allen, wie man nach Schol. Ar. Plut. 277 πινάκιον ἔχων ἐπιγεγραμμένον τὸ ὄνομα αὐτοῦ καὶ πα τρόθεν καὶ τοῦ δήμου annehmen möchte) auch der Name des Vaters, sodann stets das Demotikon. Das letztere ist bald ausgeschrieben, bald abgekürzt, während der Vatersname mit zwei Ausnahmen (Dumont, revue archéol. 1868 vol. 17 p. 140 ff. 1869 vol. 19 p. 225 vgl. Vischer epigr. u. arch. Kleinigk. p. 13 ff.) immer abgekürzt erscheint. Die Inschriften gehören sämmtlich der nacheuklidischen Zeit an und zwar meist wohl dem 4. Jahrhundert v. Chr., wenn gleich die unregelmässig und unsicher gravirten Schriftzüge und namentlich die mehrfach vorkommenden Trennungspunkte zwischen den Wörtern ihnen ein etwas alterthümlicheres Aussehen geben (vgl. Rhusopulos 'Eqnu. dey. N. F. n. 380 und A. v. Schütz hist. alph. att. p. 20).

Besondere Beachtung verdienen endlich die Stempel, welche auf vielen dieser váxia eingeschlagen sind. Sie zeigen eine Eule, zwei Eulen, Gorgoneion, Mondsichel, Sphinx, Pallaskopf und nach

Dumont auch das Haupt eines Mannes (vielleicht des Demos). Einige Täfelchen haben einen Stempel, andere zwei, eins (bei Dumont a. a. O.) sogar drei Stempel, manche aber auch keinen. Wo nur ein Stempel ist, sehen wir meist die Eule links unter dem Zahlzeichen. Denn die Eule (en face mit Olivenzweig und den Buchstaben OH) und der behelmte Pallaskopf bildeten das officielle Staatswappen Athens, welches sich in gleicher Weise auch auf den älteren Triobolen, auf einem geaichten attischen Hohlmass mit der Inschrift AHMOZION (Dumont, revue arch. 1867 vol. 16 p. p. 292 inscr. ceram. p. 417) und auf einer Anzahl attischer piombi findet. In den letzteren hat Benndorf (Beitr. z. Kenntn. d. att. Theaters. Wien 1875 S. 63) die von den Rednern und Scholiasten mehrfach erwähnten ovußola der Heliasten erkannt. Dieselben trugen nämlich wie die váza auf der Rückseite das Zahlzeichen der Decurie und dienten zur Controle bei Auszahlung des Richtersoldes (vgl. Postolakkas, medaglie ined. in annal. dell' inst. 1866 p. 342: Enle) (4- p. 344: Pallaskopf) (O). Wenn aber auf einem Richtertäfelchen mit einem Stempel sich nicht die Eule, sondern eine Mondsichel (Ross, Demen n. 25b), auf einem andern zweimal der Kopf des Pallas ('Ep. oz. N. F. n. 380 Taf. 46) findet, so müssen wir diese Erscheinung wohl mit dem Streben nach Mannigfaltigkeit und Abwechslung auch im Gebrauch der Wappen erklären (vgl. E. Curtius, über Wappengebrauch und Wappenstil im gr. Alt. in Abh. d. Berl. Ak. 1874 S. 88). Einen besonderen Grund muss es aber gehabt haben, wenn einige Täfelchen mehrere Stempel, andere gar keine hatten. Mögen sie nun von den Richtern selbst angeschafft sein (Kaibel, bullett. dell' inst. 1873 p. 4), oder, was wahrscheinlicher ist, ihnen von Staatswegen bei ihrer Ausloosung ausgetheilt sein, jedenfalls waren sie Anfangs ohne Stempel, und wurden erst mit diesem versehen, wenn der Inhaber zur Ausübung seines Amtes gelangte. Ein neuer Stempel wurde dann innerhalb desselben Jahres entweder bei wiederholtem Gebrauche oder um den betreffenden Heliasten zu irgend einer besonderen Funktion (Schömann, gr. Alt. I 2 S. 493) zu legitimiren, hinzugefügt. Die ungestempelten Täfelchen schliesslich gehörten solchen an, die zwar ausgeloost aber nicht als Geschworene thätig gewesen waren. Welchen Werth aber die Bürger auf den Besitz und die Aufbewahrung dieser kleinen váxia legten, zeigen die Funde derselben in den Gräbern.

Lübeck.

Carl Curtius.

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