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zug auf dessen oratio ac stiluos' später keinen Gefallen mehr, und das Publikum mochte bei Wiederaufführungen jenes den gleichen Geschmack verrathen. Gleichwohl hielt der Dichter die inhaltliche Grundlage, die Verwickelung und Lösung des Knotens für glücklich genug, um diese einer neuen Bearbeitung zu unterziehen. Da in diese nur wenige Bausteine des älteren Dramas unverändert übernommen wurden, so gab er dem in neuer Form erstandenen Lustspiel auch einen neuen Namen. Nur darüber kann füglich Streit sein, welches der beiden Lustspiele das ältere, welches die Ueberarbeitung sei. Die gewöhnliche Annahme hält die Andria für das frühere Stück, die Perinthia für eine um die Rollen des Charinus und Byrria vermehrte Bearbeitung jener (s. Ihne a. O. S. 8 f.). Man stützt sich dabei auf die an sich nahe liegende Meinung, die einfachere Fassung des Dramas müsse der verwickelteren vorausgegangen sein; und dem Einwand, dass Terenz dann wohl gleich die Perinthia sich zum Muster genommen hätte, begegnet man mit der Berufung auf'oratio ac stilus', die dem Terenz an der Perinthia minder gefallen haben. Indess ist, wie ich glaube, die gegentheilige Ansicht nicht schlechter zu begründen. Von den Rollen des Charinus und Byrria muss man zugeben, dass sie die Handlung in keiner Weise fördern, zwar etwas Abwechselung in die Scenerie bringen, im Ganzen aber gleichgiltig lassen. Es ist daher recht wohl denkbar, dass der Dichter, der sich früher viel von dem Auftreten zweier jugendlicher Liebhaber und ihrer Gehilfen versprochen hatte, später diese Doppelung als unnützen Ballast wegliess 1. Eine derartige Hypothese liegt um so näher, als Menanders dichterische Eigenthümlichkeit ihn gewiss mit der Zeit nicht zu reicherer Entfaltung der Handlung, sondern zu eingehenderer Motivirung, feinerer Charakteristik und stärkerer Hervorkehrung der ethischen und unter Umständen der pathetischen Momente des Dramas führen musste. Fand Menander selbst gerade die A u sführung in einem seiner Dramen einer Umarbeitung bedürftig, so

1 Kein Gewicht ist darauf zu legen, dass Terenz Andr. Prolog V. 9 die Andria vor der Perinthia als Werk des Menander nennt; jenes Stück war für ihn natürlich das wichtigere. Andrerseits wage ich es auch nicht mich auf Donat zu Andr. Prol. V. 13 (Test. II) casu esse translata ea, quae ex Perinthia in Andriam eodem sensu iisdemque verbis perscripta fuerant' zu berufen. Diese Worte beziehen sich zwar auf die griechische Andria, gehen aber kaum aus einer genauen Kenntniss von der Chronologie der Menandreischen Dramen hervor.

wird voraussichtlich in dieser Hinsicht das spätere vollendeter gewesen sein, und man weiss nicht, was Terenz bewegen konnte, sich an das frühere, minder vollendete zu halten, zumal wenn er im Inhalt doch von dem späteren Lustspiel Manches entlehnen zu müssen glaubte.

Zum Schlusse gestatte ich mir noch eine Bemerkung über die Motive, welche Terenz zu einem Abweichen von der griechischen Andria bewogen haben mögen 1. Bezüglich der Eingangsscene wies ich bereits in der Abhandlung Ueb. d. Pl. Prol.' S. 15 darauf hin, dass Terenz in der Andria wie auch in andern Stücken lange Monologe zur Darlegung des Inhaltes vermieden und deshalb die monotonen Einzelreden des griechischen Originals in lebhaftere Dialoge umgewandelt hat 2. Aehnliches lässt sich für die Einführung des Charinus und Byrria annehmen. Sowohl Act III Sc. 1 (Vulg. II 1) als Act IV Sc. 1, vor dem Eingreifen des listigen Davos und nach dem unglücklichen Ausgang seines ersten Versuches der Sache des jungen Herrn eine günstige Wendung zu geben, ist die Handlung in ein gewisses Stocken gerathen: nur für die Gefühlsausbrüche des verzweifelnden Pamphilus ist Platz da. Dass in der Andria des Menander an diesen Stellen ausgedehnte lyrische Partien in Euripideischer, nur der Comoedie angepasster Manier sich befanden, scheint mir ziemlich sicher. Nun dürfen wir uns nicht verhehlen, dass in den lyrischen Partien nicht die Stärke und der Vorzug der lateinischen Palliatcomoedie liegt und auch nicht liegen kann; war in dieser doch der Dichter, dem Wesen aller Lyrik entgegen, nur der Interpret des Interpreten fremder Gefühle. Wir brauchen daher dem Geschmacke des Terenz, mit welchem wohl das Urtheil seiner literarischen Gönner und vielleicht auch schon des grösseren Publikums sich in Uebereinstimmung befand, nicht zuviel zuzutrauen, wenn wir annehmen, er habe mit Absicht jene einförmigen Monodien vermieden, sie durch Zuziehung weiterer Personen in Dialogpartien verwandelt und dadurch der Handlung wenigstens äusserlich mehr Lebendigkeit und Mannigfaltigkeit verschafft 3. Ich sehe hierin einen neuen Beleg für den besonders kunstgemässen Charakter der Terenzischen Dramen. Breslau. Carl Dziatzko.

1 Ohne Werth ist natürlich das von Donat zu V. 301 (s. Test. III) dem Terenz untergeschobene Motiv: ... ne άлоdéαтоv fieret Philumenam spretam relinquere.. sine sponso Pamphilo aliam ducente. Nur E. Rummler hat (a. O. S. 8. 14) diesen Grund, zugleich auf die falsche Lesart ne 10ayızάτegov u. s. w. sich stützend, im Ernst aufgenommen und weiter ausgeführt.

2 S. Don. zu Eun. III 4, 1 (V. 539): Bene inuenta persona est, cui narret Chaerea, ne unus diu loquatur ut apud Menandrum.

3 Dass Charinus ausserdem noch in der Schlussscene des Stückes vorkam, war ersichtlich nur die Folge seiner früheren Verwendung und geschah naturgemäss in möglichster Kürze (s. S. 247).

Zur lateinischen Anthologie.

(Vergl. oben S. 89-104 1.)

IV. Studien zum Vossianus L. Q. 86.

Der einzige Bestandtheil der lat. Anth., welcher einen, wenn auch einstweilen nur schwachen, Vergleich mit der griechischen Anthologie aushält, ist bekanntlich die Sammlung des codex Salmasianus. Freilich kann das, was uns jetzt in dieser Hdschft noch erhalten ist, nur ein ungenügendes Bild von dem Umfang der ursprünglichen Sammlung geben. Um so mehr muss es die Aufgabe des Bearbeiters der lat. Anth. sein, diese urspr. Sammlung (ich bezeichne sie im Folgenden mit X) ihrer einstigen Integrität möglichst wiederzugeben, indem er ihr theils das wiederzustellt, was daraus in andere Hdschften geflossen ist, theils indem er, das Verlorene nach Analogie des Uebrigen ergänzend, ihren Plan und Anordnung nachweist. Nach den wenigen in S(almasianus) am Rande beigeschriebenen Zahlen zu schliessen, bestand X aus 24 Büchern; davon sind in S Buch I-VI nebst einem Theil von VII verloren gegangen. In den übrigen in S erhaltenen Büchern schimmert ein gewisses System der Anordnung immerhin durch. Buch VII enthielt centones Vergiliani; Buch IX (Ged. 38-80 nach meiner Vermuthung; die Nummer fehlt in S) versus serpintini; Buch X (Ged. 81) wiederum ähnliche Kunststücke des Porphyrius. Freilich sind die Ueberreste in S von so trauriger Beschaffenheit, dass sich nur mehr oder weniger problematische Vermuthungen aufstellen lassen. Denn erstlich ist auch das in S erhaltene nur ein Auszug (denn wer wollte z. B. glauben, dass Buch X und XI ursprünglich aus nur je einem Gedichte bestanden haben?), zweitens aber

S. 103, Z. 7 ist zu verbessern Mostrum feminei bimembre sexus'. Leider ist mir entgangen, dass das oben S. 89 abgedruckte Gedicht sich schon bei Venantius Fortunatus VII, 6 (allerdings mit veränderten Namen) vorfindet. Ich verdanke den Nachweis M. Hertz.

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hat auch S nicht die frühere Ordnung beibehalten, sondern bietet ein zusammengewürfeltes, buntes Conglomerat. Um das näher zu beweisen, bedarf es einer Reconstruktion der in S verlorenen Bücher mit Benutzung anderer Hdschften.

Unter den mit S verwandten Hdschften nehmen bekanntlich der Thuaneus und der Vossianus L. Q. 86 die ersten Plätze ein. Während aber der erstere mit Ausnahme weniger Gedichte (389-391) nur in S befindliche Stücke meist in derselben Reihenfolge enthält, bietet der Vossianus (V) ausser solchen eine ganz stattliche Reihe in jenen beiden fehlender Gedichte. Um diese genau festzustellen, bedarf es einer gründlicheren Untersuchung über die Bestandtheile von V, als sie von Riese angestellt ist. Nach diesem könnte man nämlich glauben, dass in V auch Ged. 392-395 derselben Quelle wie die folgenden 396-480 entsprossen sind. Dem ist aber keineswegs so. Da es mir durch die nicht genug zu rühmende Liberalität der Leidener Universitätsbibliothek vergönnt war, V hier für einige Zeit benutzen zu können, so will ich kurz deutlicher die verschiedenen Theile von V charakterisiren. Der nach meiner Ansicht etwa in der Mitte des neunten Jhrhdts geschriebene codex enthält nach Arator (f. 1-63), den Epigrammen des Prosper (fol. 63b-81), den dem Tertullian zugeschriebenen carmina 'de incendio Sodomorum' und 'de Iona' (fol. 81-84) die disticha Catonis und Auiani fabulae, worauf ohne Zwischenraum A. L. 641, 645 mit 392 und 393 vereinigt, dann nach Interstitium eines Verses ohne Ueberschrift 639, endlich mit den bekannten Titeln 394 und 395 (bis v. 28), folgen. Diese Gedichte der lat. Anthologie hat der Schreiber ohne Zweifel derselben Vorlage wie den Avian und wohl auch den Cato (beide finden sich häufig vereinigt) entnommen; dies ergiebt sich deutlich aus dem Umstande, dass auch im cod. Sangermanensis 1188 (P bei Fröhner), welcher für diesen Theil ganz offenbar aus einem Archetypus mit V geflossen ist, nach dem Avian ebenfalls A. L. 641 und 645 folgen. Da nun in V auf 645 ohne Trennung 392 f. folgen, so werden auch Ged. 392, 393, 639, 394 und 395 aus demselben Archetypus herstammen, zumal da, wie wir aus Nr. II dieses Aufsatzes wissen, 639, 394 und 395 fast immer vereinigt sind.

Nach 395, v. 28 folgen nun fol. 93b nach dem Titel 'De Corsica' die uns beschäftigenden Gedichte. Man sieht es diesem in ungewöhnlich grossen Maiuskeln geschriebenen Titel an, dass das nun Folgende einer anderen Quelle als alles bisherige entnommen ist. Nach jenem Titel folgen also 236 und ohne Zwischen

raum 237, sodann 396-479, hierauf Excerpte aus Martial (Buch IV-XIV), sodann A. L. 265, 266, 268, 303, 318, 263, wiederum Martial (lib. spectac. -IV), A. L. 603-614; 33 Stücke aus S1 (darunter Martial III 75); 495-518, 555-578, 543-554, 519542, 579-590, 634, 615-627, 591-602, 637, 633, 630, 631, 638; endlich 480. Den Schluss von V bildet Alcimus Avitus (fol. 116a—144), sowie Prosaisches über Grammatik (—150o).

Der ursprüngliche Zusammenhang dieser in V auf fol. 93b116 befindlichen Gedichte mit denen in S leuchtet nicht nur durch die beiden gemeinsamen Stücke, sondern hauptsächlich durch den Umstand ein, dass Ged. 430 die Ueberschrift trägt ‘Liber IIII'. Die Beweiskraft letzteren Umstandes ist so in die Augen springend, dass selbst Hr. Riese sich ihr nicht entzogen hat, ohne freilich die mit Nothwendigkeit sich ergebenden Schlüsse in ihrer ganzen Consequenz daraus zu ziehen. Wir haben also hier wenigstens einen Theil des in S Verlornen vor uns. Betrachten wir zunächst 396479. Dass diese Stücke sämmtlich aus bester Zeit, und zwar der Neronischen, stammen, hat man längst erkannt. Und in der That werden die beiden in V vor 396 stehenden Ged. 236 und 237 in S dem Seneca zugeschrieben. Obgleich nun in V für 396-479 die Namen der Autoren fehlen, so lassen sich dieselben, wenn auch nicht mit mathematischer Gewissheit, so doch mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit ermitteln. Ich möchte wissen, wem man mit mehr Recht die Verse 'Corduba solue comas' (409) zuweisen kann als gerade Seneca, Bei diesen warmen und lebhaften Versen an einen späten Dichter, der den Seneca dabei im Sinne gehabt habe, zu denken, erscheint mit äusserst verkehrt. Wem kommen ferner solche Klagen über einen treulosen Freund, wie wir sie Ged. 396, 410, 412, 416 lesen, eher zu als dem durch Verrath sich gestürzt glaubenden Verbannten? Und dem verbannten Seneca wird man Gedichte wie 407, 408 und endlich 415 am liebsten zusprechen. Abgesehen von 414, über dessen Verfasser unter den vorhandenen Zeugnissen die grösste Uneinigkeit besteht, möchte ich für 396-426 Seneca als Autor angesehen wissen, zumal da dies für die beiden diesen Gedichten in V vorausgehenden Ged. 236 und 237 durch S ausdrücklich bezeugt wird.

Mit Ged. 427 kömmt ein neuer Ton in unserer Sammlung zum Vorschein. Hatten wir es bisher theils mit Klagen eines Un

1 Riese praef. I p. XXXIX gibt in seiner Aufzählung fälschlich 132 statt 133 an.

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