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In diesem Falle ist erst recht nicht wahrscheinlich, dass der letztere eine selbständige Erweiterung des Werkes von solchem Umfang vorgenommen habe.

Endlich möchte ich auch den äusseren Charakter der besprochenen Notiz aus § 84. in Anschlag bringen. Die ganze Stelle ist so bombastisch und überschwänglich gehalten, dass sie den Stempel der Gehaltlosigkeit deutlich genug an sich trägt. Man muss sich vergegenwärtigen, welcher Art die Angaben sind, die über die Kunstwerke der berühmtesten griechischen Erzbildner von § 54. an bis § 84. gegeben werden. Sie lassen deutlich erkennen, dass sie bestimmt sind, durch Aufzählung der namhaftesten Werke aus jedem Genre, römischer und nichtrömischer, einen Ueberblick über die gesammte Kunstthätigkeit der einzelnen Meister zu geben. Wäre es nicht ein merkwürdiger Glückszufall gewesen, wenn es Vespasian vermocht hätte, diese Blüthenlese griechischer Kunst in einer Stadt, wo nicht gar in einem Tempel zu vereinigen? Aber aus mehr als einem Grunde war dies unmöglich. Nicht blos deshalb, weil wie schon oben bemerkt wurde gerade die berühmtesten plastischen Kunstwerke des Alterthums, alle Chryselephantin-Colosse von der Art des Olympischen Zeus und der Parthenos (und so vielleicht noch andere von den hier genannten Kunstwerken) niemals einen Transport nach Rom erlaubt hätten sondern auch weil vor Plinius Zeit schon der Vernichtungsprocess begonnen hatte, dem allmählich das Edelste, was griechische Kunst hervorgebracht, erliegen sollte. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass jenes vor § 84 gegebene Verzeichniss der berühmtesten griechischen Erzbildwerke in Vespasians Zeit gar nicht mehr hätte verfasst werden können, weil inzwischen gar manche dieser Kunstwerke schon verschleppt und verloren, manche zu Grunde gegangen sein mochten. Wir wissen freilich nur in den wenigsten Fällen, wann und wo in Griechenland selbst und vor allem in Rom bei den vielfachen Kriegen, den Plünderungen und Einäscherungen in der Reihe der Jahrhunderte mit anderen Denkmälern auch die Werke der bildenden Kunst der Vernichtung anheim fielen. Am meisten scheinen die bekannten grossen Feuersbrünste Roms den griechischen Kunstdenkmälern geschadet zu haben, und nicht am wenigsten jener ungeheuere Neronische Brand, der gerade das Herz der Stadt traf. Damals wurden mit den reichen Kunstschätzen des kaiserlichen sog. 'Goldenen Hauses' auch der thespische Eros des Praxiteles und sämmtliche Gemälde des Fabullus ein Raub der Flammen. Vorher

waren schon Gemälde des Aristeides, des Apelles (Plin. N. H. XXXV, 83 cf. 91), eine berühmte eherne Aphrodite des Praxiteles (Plinius N. H. XXXIV, 69) u. A. römischen Bränden und anderem Ungemach zum Opfer gefallen, und wie viele Kunstwerke mögen ausserdem schon damals vernichtet worden sein, ohne dass uns eine Kunde davon aufbewahrt geblieben ist.

Auch die Angabe in § 84: jene von Vespasian in seine Bauten vertheilten Kunstwerke seien die von Nero zusammengeraubten, die vordem in den Sellariis des Goldenen Hauses aufgestellt gewesen bedarf augenscheinlich gar sehr der Einschränkung. Denn nicht nur widerspricht es völlig den Thatsachen, dass der Neronische Palast die vor § 84 aufgezählte Totalsumme der berühmtesten griechischen Bildwerke enthalten habe, sondern man muss' auch aus dem Beispiel der Fabullischen Gemälde und des Praxitelischen Eros schliessen, dass jener Neronische Brand auch von anderen Kunstschätzen des Goldenen Hauses seine Opfer gefordert habe, und wer kann bestimmen, wie viele dies gewesen sein mögen?

Somit scheint mir denn das Zeugniss des § 84. in jeder Beziehung ein sehr zweideutiges zu sein, und ich glaube, es reducirt sich darauf, dass Plinius an dieser gewiss nicht ungeschickt gewählten Stelle dem Prachtbau seines hohen Gönners ein volltönendes Lob spenden wollte, wobei es ihm auf Genauigkeit und strenge Wahrheit nicht allzusehr ankam. Seine Worte mögen wohl nicht mehr gelten, als die ebenfalls sehr überschwänglichen, welche der Geschichtsschreiber Iosephus in Bezug auf die Ausschmückung desselben Friedenstempels gebraucht hat: πάντα γὰρ εἰς ἐκεῖνον τὸν νεὼν συνήχθη καὶ κατετέθη, δι' ὧν πρότερον περὶ πᾶσαν ἐπλανῶνιο τὴν οἰκουμένην.

Ich glaube aus diesen Erörterungen, in denen ich alle Möglichkeiten zu erwägen versucht habe, hat sich zur Genüge ergeben, dass sich die Annahme von römischen Kunstkatalogen, besonders von solchen, die Kaiser Vespasian angeregt habe, nicht halten lässt. Es möge einem zweiten Aufsatz vorbehalten bleiben, zu bestimmen, auf welche Quelle wir die besprochenen Stellen des Plinius mit mehr Wahrscheinlichkeit zurückführen können.

Rom, Ende Juli 1875.

Theodor Schreiber.

Strabon VIII p. 381 giebt an, dass das Bild des Dionysos sammt dem Cerestempel, in den es Mummius geweiht hatte, in jüngster Zeit' (voort) ein Raub der Flammen geworden.

Da es nun bei Plinius

XXXV, 99 als noch vorhanden erwähnt wird, so geht des letzteren Angabe auf eine Quelle vor Strabon zurück.

Rhein. Mus. f. Philol. N. F. XXXI.

15

Die Andria des Menander.

Die Andria des Menander gehört Dank der Terenzischen Bearbeitung und der erhaltenen Fragmente zu den wenigen Stücken der neuen attischen Comoedie, von deren Gange wir uns ein im Ganzen sicheres Bild entwerfen können. Gleichwohl sind nicht nur die Grenzen streitig, innerhalb welcher sich Terenz an das griechische Original gehalten hat, sondern es ist auch das Verhältniss der griechischen Andria zur Perinthia des gleichen Dichters unentschieden, und selbst einzelne der Fragmente einer Verbesserung bedürftig und fähig. Ich beginne mit einer Aufzählung sämmtlicher Bruchstücke im Anschluss an Meineke's Sammlung, schicke indess die auf die griechische Andria bezüglichen 'testimonia' mit besonderer Zählung voraus.

Test. I. (Bei M. ohne Nummer vor Frg. I.)

Ter. Andr. Prol. V. 9-14:

Menander fecit Andriam et Perinthiam.
10 Qui utramuis recte norit, ambas nouerit;
Non ita sunt dissimili argumento, sed tamen
Dissimili oratione sunt factae ac stilo.
Quae conuenere in Andriam ex Perinthia,
Fatetur transtulisse atque usum pro suis.

Test. II. (Bei M. wie oben.)

Donat zu Andr. Prol. V. 10: utramuis] Prima scena Perin

1 Ich führe sie alle an, da auf Grundlage der Pariser Donathandschrift Lat. 7920, welche ich im Folgenden nach Ritschl mit A bezeichne, nur von wenigen der Wortlaut oder der Zusammenhang ganz unverändert bleiben kann. Den Dresdener Codex nenne ich D (mit Ritschl), die Editio princeps (Rom 1472) r, die des Robertus Stephanus (Paris 1529) st.

thiae fere iisdem uerbis quibus Andria scripta est. cetera dissimilia sunt exceptis duobus locis, altero ad uersus XI, altero ad XX versus, qui in utraque fabula positi sunt 1.

Zu Prol. V. 13 (I. Scholion): Quae conuenere in Andriam] Apparet non de industria, sed casu esse translata ea, quae ex Perinthia in Andriam eodem sensu iisdemque uerbis perscripta fuerant 2.

Die letzten Worte können sich nur auf die griechische Andria beziehen, welche, wie es schon zu V. 10 hiess, einige Stellen mit der Perinthia gleichlautend hatte.

Eb. (III. Scholion): ... sed quare ergo se onerat Terentius, cum possit uideri de una transtulisse? sic soluitur: quia conscius sibi est primam scenam de Perinthia esse translatam, ubi senex ita cum uxore loquitur ut apud Terentium cum liberto; at in Andria Menandri solus est senex 3.

Test. III. (Vergl. XIII. M.)

nam non

Donat zu Andr. II 1, 1 (V. 301) (II. Scholion): Quid aïs, Byrria... Has personas Terentius addidit fabulae sunt aput Menandrum -, ne άлodarov fieret Philumenam spretam relinquere + sancti sine sponso Pamphilo aliam ducente1.

τι

1 A: ifdem || alto aduerfuf- XI. altero ad. XX. A qui inutraq; | fabula pofitif; || in D fehlen die Worte altero ad uersus XI || Dr: (ohne wesentliche Abweichung) altero ad uerfuf XII qui || st: ad uerfus XX, qui || Das Zeichen ▲ in A glaube ich nicht anders als durch ũ (für uersus) erklären zu dürfen; doch kann man auch an den Rest einer Einerzahl denken. Ich bemerke hierbei, dass ich mich bezüglich des Donattextes natürlich an den Parisinus A halte und alle wesentlichen Varianten desselben ohne Ausnahme mittheile.

2 AD: hifdemq; || A: fuerant; fehlt bei Meineke.

Obiges I. Schol. zu Prol. V. 13

8 in Dr st fehlt ergo || D: (wie regelmässig) quom || D digne (statt de una) | D: Simo tñ liberto (statt cum liberto) Dr st: Senex eft

1 A: agif · b · d · N.I.H. P. N. || 4: adidit || A: NEOПеEЛTON || in D und Lücke zwischen Menādru. und fieret || st ne 10αуıxaτEQOV (so die Vulgata) | A: filo mena || D: philomenam (pectata | relinqueref: at fine || r: fane fine | st: relinquere fine || Sponfa mit Aenderung des a in o von a. H. || ne άлodéarov hat bereits Fr. Dübner N. Jahrb. f. Philol. Jahrg. IV (1834) Bd. X S. 32 richtig eingesetzt (vergl. Lindenbrog z. d. St.). Meineke schreibt nach der Vulgata Touyizózov. Statt relinquere vermuthet Ihne, Quaest. Terent.

Hierher gehört Don. zu Andr. V 6, 13 (V. 977): atque adeo longum est illum exspectare] Quia et audacter et artificiosissime binos amores duorum adulescentium et binas nuptias in una fabula machinatus est, et id extra praescriptum Menandri, cuius comoediam transferebat q. s.

1

Fr. I. (III. M.)

Donat zu Andr. I 2, 33 (V. 204) (I. Scholion): nihil me fallis] Id est: non te ignoro, non me decipis. sic Menander: võv δ' οὐ λέληθας μὴν ἐμέ.

(II. Scholion): nihil me fallis] Figura λλŋnoμós: ovdév μɛ λανθάνοις ἄν.

(III. Scholion): fallis] Lates, ut sit ovdev ue leλndas nihil me fallis. nihil pro etiam nunc [non] 2.

Fr. II. (IV. M.).

Donat zu Andr. II 4, 3 (V. 406): ex solo loco] Menander: εὑρετικὸν εἶναί φασι τὴν ἐρημίαν

οἱ τὰς ὀφοῦς αἴροντες 8.

(Bonn 1843) S. 10 relinqui. Was aus dem von mir mit einem Kreuze bezeichneten fancti zu machen sei, weiss ich nicht. Vielleicht steckt Isatis in dem Worte, welches wir dann etwa vor άnodarov umstellen müssten, oder es ist für sancti sine : sanctissime zu schreiben.

1 Diese Stelle ist bei Meineke unerwähnt geblieben.

re audacter r st: artificiofe D: adolefcentulorum

D: quia

2 A: nichil alle vier Male || A: id (= id est) D: .. fehlt in

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r st|| 4: NÝND · OÝAEN | ACMENAM; in D Lücke; r: ουλεν με λανθανεισ st: οὐδέν με λανθάνοις ἂν · || 4: fallit figura - . ΛΛΗNIC aloco. OYENλIE . AANO|ÂNICAN; D figura: (Lücke

von einer halben Zeile) ut fit. r: figura. (Lücke) fallif- st: Figura eft ἑλληνισμός. Fallis. || 4: ΟΫΔΕΝΜΕΛΕΛΗΘΑΣ ; Δ: fit nihil (ohne Lücke) r: ούλεν με λανθανεισ st: οὐδέν με λέληθας | non fehlt in den Handschriften || D: nihil nunc pro et. Meineke, welcher die handschriftliche Ueberlieferung der Donatstelle nicht genau kennt, folgt dem II. Scholion (vergl. auch Ihne a. O. S. 5 Anm.); indess ist das I. Scholion, welches auch den Namen Menanders erhalten hat, offenbar vollständiger. Die Perfectform ŋdas kehrt im III. Scholion wieder, wo auch das võv in der verderbten Glosse nihil pro etiam nunc' wiederzuklingen scheint. In den Addenda zu den Fragm. com. gr. (vol. V S. 100) spricht Meineke die Vermuthung aus, dass ‘Eddyvizõs in vivo xai des I. Scholions (dies hält er für die Lesart) stecke.

* 4: EÝPHEIKONEIN |AIOACITHNEPEMIANOI TACOOPICAL pontef in Dundr Lücke nach menander, doch

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