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Und wie blöken dazu im Stalle alle die Lämmchen!
Das ist gewiß Zuckel, der sich so fett an der Mutter

Sog; so wie aus der Erde der Keim, so wollen auch die Schafe
Schnell aus der dunstigen Haft; wie hart an der Kette zu liegen!
Und daheim die Hausfrau steht und buttert drauf los;

Hat fie doch so viel Milch, weil in diesem Jahre die Kühe alle
Kalbten; im Topfe kocht für die fleißigen Pflüger die Mahlzeit,
Erbsen und Rauchfleisch und als Gewürz eine gute Kartoffel;
Rips reibt sich am Beine und leckt die sprüßende Sahne auf;
Siehe! im Fenster stehn schon Schneeglöckchen aus dem Holze,
Die aus moderndem Sumpf sich das Töchterchen holte;

Lauter noch als wenn Gesellschaft da ist, schlägt der Kanarienvogel.
Draußen im Garten graben mit fröhlichem Sinne die Mädchen,

Dorothea und Friederike, um die Wette und suchen die Graswurzeln heraus.

Freut sich doch das Haus, wenn schnell die Moorrüben und Bohnen wachsen; Hinten im Gras am Zaune blühen die Veilchen lieblich;

Die sucht Hannchen sich, will sich ein Sträußchen pflücken,

Um es der Mutter als Dank für Kummer und Sorgen zu bringen.

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Ueber Delavigne, als Vermittler der klassischen und romantischen Nichtung der französischen Literatur im Allgemeinen, und über seine Tragödie Louis XI. im Besondern.

(Schluß.)

Der Dichter hält seine Feder in den Schranken des Konventio

nellen, welche er nur verläßt, wenn er dem Schwung seines edlen, gefühlvollen und sanften Herzens nicht widerstehen kann. Dann spricht seine ganze Seele, und er schafft sich eine freie Bahn, welche ihn die neuen Bereicherungen, die Gefühls- und Gemüthspoesie der Romantiker in den Tempel des Ruhms der klassischen Litera= tur einführen läßt. In einer spätern Tragödie,,Marino Faliero" (1829) wich er nur wenig, aber doch schon etwas von den Gesezen der Einheit des Orts und der Zeit ab, und bei dem glänzenden Beifall, den diese von reicher historischer Auffassung zeugende Arbeit allgemein fand, erlangte Delavigne, was er gewünscht hatte, daß die klassischen Kritiker die Abweichungen als Licenzen des Dichters ansahen und konnivirten. Der Dichter war in seiner politischen Meinung redlich, wies Jahrgehalt und Orden von Karl X. zurück, um unabhängig zu sein, und lebte, fern vom Hofe, als Bibliothekar des Herzogs von Orleans.

Als dieser nun bei der neuen Ordnung der Dinge auf den Thron ftieg, glaubte der Dichter, die Freiheit, welche er suchte, triumphiren zu sehen, und er erlangte die Entschiedenheit, deren Mangel seine Freunde so oft an ihm vermißt hatten. Offen trat er mit der natürlichen Sprache der reinen Empfindung in seinen Balladen (la mort du banditte) hervor, welche bei den steifen Anhängern der beiden Schulen gleiches Erstaunen erregten, und so tief in dem Herzen der Völker Eingang fanden, als sie vom Herzen kamen. Fern

von allem Schulgezänk verfolgte in ihnen Delavigne das aus der nationalen Entwickelung und der Gegenwart genommene Streben, der Literatur mehr Freiheit, Kraft und Tiefe zu geben. Der einfache Ton der Erzählung, die naive Lokalfärbung geben diesen Balladen den Reiz, welchen die Schiller'schen Meisterwerke auf ein deutsches Gemüth ausüben, neben dem Zauber, daß sie sich zum Theil an Begebenheiten anschließen, an welchen die Nation mit heiliger Verehrung hängt. Dies gilt nämlich von den Romanzen, welche sich auf die damaligen Ereignisse beziehen, z. B. le chien du louvre, welches freilich vom französischen Standpunkte beurtheilt sein will.

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Doch mehr als alle diese Gelegenheitsgedichte, mit welcher Wärme sie auch geschrieben sind, beweist den wahren Dichtergenius seine Tragödie Louis XI., ein Werk, welches nicht nur allen seinen frühern Bestrebungen überlegen ist, sondern an Schärfe der Charakterisirung, an Interesse des Süjets und Abrundung der Handlung wohl von wenigen Erzeugnissen der dramatischen Literatur überboten sein mag, und dessen gedankenschwere, würdevolle und doch ́mannigfaltige Sprache, so wie dessen zeitgemäße Färbung der Scenen beweist, daß die nationale Engherzigkeit verschwunden ist, daß Melpomene sowohl an den Ufern der Seine, als der Themse und der Elbe ihre Schüßlinge hat, und daß das Vaterland der Poesie im Himmel ist. Delavigne legt uns in diesem Werke die Resultate der Fortschritte der französischen Tragödie dar, und wendet die Geseze der Einheiten in dem Sinne an, welchen Dichter anderer Nationen denselben längst gegeben, din

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Die Kinder Eduard's" haben dem Dichter den Beinamen des französischen Shakespeare erworben, und bilden eine dankens werthe Ergänzung des englischen Heros. Się zeigen, und noch mehr sein geistvolles historisches Drama Don Juan, daß Delavigne dem Fortschritt der neuen Schule folgte, sich ihrem Einfluß hingab, aber alle Uebertreibungen vermied. Die „, Princeß Aurelie oder ,,die Tochter des Cid" stellt sich würdig in die Reihe der vermit telnden Dramen, und selbst von,,une famille sous Luther" fann dies gesagt werden, obschon in diesem einaktigen Drama, der be schreibende Dichter den Vorrang über den Dramatiker behauptet. In seinem legten Lustspiel,,la popularité" hat er sein großes Talent, welches ihn in den fließendsten Versen bald beredt und scharfsinnig, bald einfach und gefühlvoll, bald (ernst und leidenschaftlich erscheinen läßt, mit aller Kraft entwickelt, und wenn auch l'école des vieillards als Lustspiel und Louis XI. als Tragödie seine

vollendetsten Werke sind, so war, gleich wie bei Lessing, dessen legtes Drama, als Ganzes genommen, nicht grade das beste war, doch stete Fortbildung sichtbar, und sein vor zwei Jahren erfolgter Tod ein großer Verlust für die Literatur der Gegenwart.

Delavigne ist weniger originell als Béranger, weniger begeistert als Lamartine, weniger kühn als Victor Hugo, aber er hat ein reineres, natürlicheres, biegsameres Talent, und die seltne Gabe, Sprache und Versbau zu beherrschen, so daß der Leser glaubt, jeder Vers wäre das einzig mögliche Mittel der Darstellung und zugleich das einzige von selbst gefundene.

Wie er in Behandlung der drei Einheiten, der Sprache und des Rhythmus der wahre Vermittler zwischen der klassischen und romantischen Schule ist, wird aus folgender Analyse erhellen.

Das Sujet der Tragödie Louis XI. verseßt uns in eine der einflußreichsten Zeiten der französischen Geschichte, und Stoff, Entwicklung und Diction sind durchaus national, und berechtigen die Dichtung zu dem Namen einer Nationaltragödie. Wir werden an den Schluß des Mittelalters geführt, wo die französische Königsmacht ihren Sieg über die gedemüthigten Großen feiert, um dann, da kein Ansehn der Städte ihr gewaltig gegenüber treten konnte, unumschränkt zu regieren, und aus dem selbstständigen Landadel einen Hofadel zu schaffen. Ludwig XI., der Sohn des Karl VII., dessen Regierung durch den heldenmüthigen Kampf gegen englische Präsumption und durch die Wiederbefreiung der Jeanne d'Arc mit einem nationellen Nimbus umstrahlt ist, an dem er selbst unschuldig, wird uns dargestellt, wie er am Schluffe seines Lebens sein Werk vollendet hat. Die Geschichte zeigt uns in diesem seltenen Manne das Muster eines vollendeten Despoten, die personificirte List und Verschlagenheit, den kältesten und schärfften Verstand, der jeden Gedanken berechnete und jede rein mensche liche Regung in sich erstickt hatte. Alle Eigenthümlichkeiten dieser Königsnatur sind im Alter concentrirt und schroff abgeschieden, und wahrlich! das schreckenvolle Bild, welches Delavigne entwirft und Walter Scott in Quintin Durward in allen einzelnen Zügen und den kleinsten Nuancen ausgeführt hat, ist nur eine Copie der Wahrheit, die dieser feige, argwöhnische und boshafte, aber thatfräftige Fürst verwirklichte, als er sich, abgestorben für alles Heilige und Gerechte, gleichsam zu du Plessis lebendig begrub. Als ein gewandter Mörder hatte er sich der Edelsten entledigt, die seinem

absoluten Regiment eine Feudalmacht entgegenstellten, oder möglicher Weise entgegen stellen konnten; und weder Bande des Bluts, noch Pflichten der Dankbarkeit und Freundschaft, noch Verträge und Eidschwüre hatten eine Stimme, wo sein Eigennuß zu Rathe saß. Unter die ausgezeichnetsten Opfer seiner Grausamkeit ist Jakob von Nemours, Graf von Amagnac zu rechnen, dessen vom Sohne vollzogene Rache eine der wirksamsten Triebfedern unserer Tra gödie ausmacht. Unüberwunden steht noch der mächtigste seiner Vasallen, der ländersüchtige Karl von Burgund, da, der legte Glanz des Hofes Philipps des Guten, der Musterschule der Ritterschaft. Was der Stifter des Ordens vom goldenen Vließe be gonnen, wollte sein reicher und ehrsüchtiger Erbe vollenden; wie nie strahlte unter ihm die Sonne des burgundischen Hauses, um mit ihm auf immer zu erlöschen. Im offenen Kampfe hatte Ludwig unterlegen, und als Gefangener zu Peronne die Unabhängigkeit des glücklichen Nebenbuhlers anerkennen müssen; aber sein Verrath schmiedet ein Nez, in welchem der von Leidenschaft geblendete Held umstrickt wird. Der Dichter hat den Moment aufgegriffen, in welchem durch Karls eigene Verwegenheit und Campobasso's schwarzen Verrath die Falle über den Unersättlichen zusammenfällt, als er eben im Begriff war, auf die lange Kette seiner Heldenthaten die Königskrone zu sehen, wiewohl acht Jahre zwischen dem jähen Fall des Burgunderherzogs und dem Tode Ludwigs liegen, und von legterem noch benugt werden konnten, Kaiser Maximilian das Erbe Marias von Burgund zu schmälern. Durch die Stellung Ludwigs zu Karl wird der äußere Kampf repräsentirt, den die Tragödie verlangt, wie die Weltgeschichte; denn außerordentliche Männer bedürfen stets ihrer würdiger Gegner, und haben sie in der Geschichte gefunden, wenn nicht ihre Thaten als Werke des Zufalls erscheinen. Größer aber als dieser äußere Streit ist der Kampf, den dieser eingefleischte Egoist gegen die Menschennatur, die er verachtet und verlegt, und gegen das Schicksal, das er sich unterwerfen will, zu bestehen hat, und dem er streitend unterliegt. Es erregt tragisches Interesse zu sehen, wie der Mensch, wenn er das Ebenbild der Gottheit in sich zertrümmert und alle Tugend abgelegt, wenn er alle Schwächen beseitigt, alle Gefühle unterdrückt, seine ganze moralische und intellectuelle Kraft auf Befriedigung seines Ich gewendet hat; und auf dem Gipfel seines Strebens nichts mehr seiner unvermeidlichen Macht widersteht, endlich ein Opfer der ewigen Geseze wird, welche dem Menschen gestellt sind, und der Hinfälligkeit

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