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sondern, wie der Titel seines Werkes es ausdrücklich sagt, darin, die Gedichte zu erläutern und auf ihre Veranlassungen, Quellen und Vorbilder zurückzuführen. Dieses ist auch in Bezug auf die an die Geliebten gerichteten Gedichte von dem Verfasser geschehen; die Versuchung in das Anekdotenmäßige überzugehen lag hier nahe, namentlich wäre es leicht gewesen, aus der angeführten Schrift die Beschreibung des Besuches bei Sophie Brion wiederzugeben; wir müssen im Interesse des ernsten Zweckes seines Werkes dem Verfasser Dank wissen, daß er sich hierzu nicht hat verleiten laffen. Mit demselben ernsten Sinne wird die Persönlichkeit auch jener Frau vorgeführt, deren Bekanntschaft mit Göthe zu Werther's Leiden die Veranlassung gab. Es werden die Erläuterungen, die Göthe selbst in Wahrheit und Dichtung gibt, mit der Geschichte des jungen Werther's von einem anonymen Berichtiger (Frankfurt und Leipzig 1775) verglichen, und dann, mit großer Genauigkeit, in dem Gedichte „An Lottchen“ die Hauptideen, welche jenem berühmtem Romane zu Grunde lagen, nachgewiesen. In derselben Weise wird über die als Lili in Göthischen Gedichten figurirende Jungfrau gesprochen; ihr Alter wird genau angegeben, um die Aeußerung zu erklären, daß sie durch ihre zarte Jugendfrische so große Gewalt über sein Herz geübt habe, und selbst ihr Familienname wie der ihres spätern Gatten wird nicht verschwiegen.

Aus dem Gesagten wird hoffentlich zur Genüge hervorgehn, daß der Unterzeichnete berechtigt war, den Vorwurf, daß die Untersuchung über die Geliebten Göthe's vom Herrn Viehoff ganz von der Hand gewiesen sei, für ungerecht zu erklären und zu behaupten, daß sie vielmehr mit gewissenhaftem Fleiße durchgeführt sei. Vermißte Hr. Dünßer bei dem was jenem als die Frucht gewissenhaften Fleißes erscheint Resultate einer sorgfältigen und gewissenhaften Untersuchung nach seinem Sinne, so hatte er das unbestrittne Recht, dieses zu äußern; aber den anders Gesinnten darum einer Unwahrheit zu zeihen, dazu fehlte jede Berechtigung, und die Unangemessenheit dieses Ausdruckes fällt jedenfalls auf ihn selbst zurück.

Düsseldorf.

Philippi.

III. Programmenschau.

Ueber die Stellung des Altdeutschen auf höhern Bürgerschulen, vom Rector Fr. Breier. Programm der höhern Bürgerschule zu Oldenburg. 1846.

Zuvörderst ist zu bemerken, daß der Verfasser unter Altdeutsch nur das Mittelhochdeutsch versteht; er hält es für unmöglich, daß einer im Ernste verlangen könne, es solle auf einer Schule Ulfila's Bibelüberseßung oder Otfried's Krist nebst Notter's Psalmen gelesen werden. Die Frage, deren Beantwortung er sich zur Aufgabe stellt, ist nun diese: "Hat das Mittelalter, insonderheit die Literatur des Mittelalters, in sich eine solche Kraft, daß sich daran die Flamme alles Männlichen, Wahren, Großen, Guten und Schönen entzünden lasse?" Von der Beantwortung dieser Frage hängt es allerdings ab, wie der Verfasser bemerkt, ob man die Schüler mit altdeutscher Grammatik und Sprache so bearbeiten dürfe, wie die Gymnastasten mit der alten Grammatik Jahre lang beschäftigt werden, d. h. so, daß sie nach unendlicher Mühe erst in den obersten Klaffen einige Früchte ihres Schweißes ernten. Referent glaubt, daß, nach dem in den höhern Bürgerschulen fast allgemein beobachteten Verfahren zu urtheilen, jene Frage beinahe als entschieden betrachtet werden könne. Indeß dürfte dies Verfahren bei den Meisten mehr auf einem dunkeln Gefühl, als auf einer hellen Ueberzeugung, wie sie sich in der vorliegenden Abhandlung ausspricht, beruhen; und so müssen wir für das klar und kräftig ausgedrückte Votum in einer so hochwichtigen Angelegenheit immerhin dankbar sein. Des Verfassers Antwort auf jene Frage lautet entschieden verneinend. Zuerst hebt er den Mangel in der Literatur des Mittelalters hervor, daß sie nur eine halbe Welt ist, indem ihr die Prosa fehlt. Der Poesie des Mittelalters aber gebricht es wieder gerade an derjenigen Gattung, welche, wie fie in sich alle Dichtungsarten, in ihrer Ausübung alle Künste vereinigt, so auch in der Schulbildung den Abschluß macht, am Drama; denn die mittelalterlichen Mysterien und Fastnachtspossen in der höhern Bürgerschule zu behandeln, wäre eine wahre Versündigung an der Jugend. Von den beiden Hauptgattungen, die noch übrig bleiben, der Lyrik und dem Epos, liegt jene schon ihrer Natur nach mit ihrer ganzen innerlichen Welt so weit über die Schule hinaus, daß nur einzelne Produkte derselben der Jugend nahe gebracht werden können. Der Verf. will, und, wie uns scheint, mit vollem Rechte, nur einzelne Stücke aus Walter von der Vogelweide für die Schule gelten

lassen, dessen Poesie auch in dem bewegten Gefühl noch immer von Gedanken getragen und von Gesinnung gehoben wird, in dessen Dichterwelt auch nicht bloß Gottes- und Frauenminne, sondern Patriotismus, Manneswürde, Thatkraft und Heimathsgefühl eine Stelle finden.“ Was nun ferner das ritterromantische Epos betrifft, so ist es klar, daß auf einem so genial unsittlichen Grunde, wie Gottfried's Tristan und Isolde keine Schulbildung, keine Jugenderziehung aufgebaut werden könne. Aber auch dem Parzival will der Verf. keinen Plaß in den höhern Bürgerschulen zu eingehender, anhaltsamer Behandlung einräumen. Hier möchten sich die Meinungen scheiden. Referent bekennt, daß er dem Verf. beitritt, wenn er, von der oft dunkeln und wunderlichen Sprache, der labyrinthischen Anlage abgesehen, besonders deßhalb die Dichtung für unsere Jugendwelt ungeeignet erklärt, weil das Beste in diesem Gedichte mehr lyrischer, als epischer Natur ist, weil der reale und faktische Inhalt ganz der Abenteuerwelt der übrigen mittelalterlichen Poeten angehört, und besonders weil der eigentliche Kern und Mittelpunkt des Gedichtes, die Schuld des Helden und seine Buße auf einer zu mystischen Gefühlsgrundlage und zum Theil auf scholastischer Dogmatik beruht. Weiterhin verfährt der Verf. etwas zu summarisch in seiner Abhandlung, indem er, statt der übrigen Dichter und Werke der ritterlichen Nomantik, die hier in Erwähnung kommen könnten, einzeln zu betrachten, durch eine aus Ulrich von Lichtenstein ausgehobene Stelle die gesammte Welt- und Lebensanschauung des Ritterthums als eine nur äußerlich religiöse, ja als eine unfittliche und daher zur Nährung und Bildung unsrer Jugend durchaus untaugliche darzustellen sucht. Warum erwähnt der Verfasser nicht mit Einem Worte einer Dichtung, wie Gudrun. Nur Ein episches Produkt der mittelalterlichen Literatur, „welches von allen berührten Verkehrtheiten frei ist, auf nationalem Boden und in einer realen Welt steht, eine Reihe von Gestalten, Charakteren und Kämpfen hinstellt, wie sie keine Literatur aufzuweisen hat, dabei in Plan, Sprache und Darstellung einfach, ernst, groß voll unerreichbarer Kraft und Erhabenheit," nur das Nibelungenlied will der Verf. in den höhern Bürgerschulen gelesen, ja er möchte es von jedem deutschen Jüngling auswendig gelernt wissen. Aber nicht auf dem Wege der alt- und mittelhochdeutschen Grammatik, wie der Gymnasiast zum Homer kommt, sondern vom Boden aus, worauf er geboren ist und steht, von seiner Muttersprache aus soll der Schüler zum Verständniß desselben gelangen. „Man verweile unter Vorlesen, Erklären, Wiederholen, Auswendiglernen bei den ersten Gesängen; und es wird nicht lange dauern, so drängen die Schüler selbst vorwärts. Ist es doch Fleisch von unserm Fleisch und Bein von unserm Bein.“

So viel genüge, um auf diese der ernstesten Prüfung würdige Abhandlung aufmerksam zu machen.

B.

Die Aa, Au und Ach. Vom Rektor Dr. H. K. Brandes. Programm des Gymnasiums zu Lemgo. 1846. 26 S. 4.

Eine recht fleißige Arbeit. Der Flußnahme Aa ist sehr häufig, 5 Flüffe d. N. find im Gebiete der Ems, 2 der Weser, 1 der Lippe, 1 der Vecht, 3 der Vffel, 2 in der Provinz Drenthe, 1 fließt in den Dollart, 1 bei Grö

ningen, 2 in Nordbrabant, 1 bei Breden, 1 in die kleine Nethe, 1 bei St. Omer, der bei Gravalines in' die Nordsee fließt. Ebenso kommt der Name oft vor in der Schweiz, 2 Flüsse in Unterwalden im Sarner und Engelberger Thale, ferner die Melch-Aa im Melchthal, 1 bei Aargau, 3 im Kanton Zürich, die Glatt heißt zuerst auch Aa, 1 in den Zugersee, 1 in den Lauerzer See. Ebenso an der Ostsee: 1 in Kurland, die heilige Aa an der lithauischen Grenze, 1 Aa im nördlichen Liefland. Besonders häufig aber kommt das Wort vor in Schweden und Finnland, den Namen angehängt 3. B. Mörrums A und als Aar in Dänemark, als Aa in Island. Das Schwedische gibt Aufschluß, da heißt A

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Elf = Fluß.

16 mal als Flußname im nordwest

Daffelbe Wort ist Aue oder Au, das lichen Deutschland vorkommt, auch die Ilmenau gehört dahin. In Dänemark ist Aue mit Aar gleichbedeutend. Dasselbe Wort ist ferner Aach, Ach, Ache

und Achen, welches sich in den füdlichen Gebirgsländern viel findet. 4 Flüsse d. N. Aach nimmt der Bodensee auf, 1 Aach der Zellersee, 1 fließt in die Glatt, 1 bei Blaubeuern, 1 ohnweit Ulm in die Donau, 1 bei Memmingen, die Bregenzer Ach hat 2 Nebenflüsse d. N. Ach; 1 Ach fließt dem Lech parallel, 1 in die Isar, 1 bei Landshut. Ache und Achen finden sich besonders in den Flußgebieten der Isar, des Inn und der Salza, so die Gasteiner, Krimmler, Pinzgauer Ache im Gebiet der Salza; in dem des Inn die Oezthaler Ache und eine andere Ache mit der Steinberger und Kundler Ache. In den Chiemsee fließt 1 Ache mit 2 Zuflüssen gl. N. Zum Gebiet der Isar gehört der Achensee. Ueberhaupt sind mehr als 30 Flüsse d. N. Mit dem Worte Ach werden mehrere Wörter zusammengeseßt, z. B. die Golach, mehrere Steinach, Stockach, Wutach, Elzach, Schiltach, Wolfach, mehrere Gutach, mehrere Eschach, mehrere Eiach, mehrere Schwarzach, Elsach, Waldach, Brettach, Rodach, Kronach, Braunach, Weißach, Gerach, Nafsach, Volkach, Auerach, Ebrach, Beigach, Linach, Urach, Osterach, Kanach, Westerach, Dürach, Rottach, Aitrach, Sulzach, Aurach, Wertach, Loisach, Windach, Leiznach, Mosach, Salzach oder Salza, Eisak, sämmtlich im südlichen und mittlern Deutschland. Aa, Au, Ach, Achen ist Aha alts., Ahva goth., Ouwe mhd. = aqua. Sicherlich dasselbe Wort ist Avon im Englischen und der Flußname Aar oder Ahr. Von diesen Flußnamen sind nun auch viele Städte benannt, so Aahaus, Aue, Aubad u. s. w. und die zahlreichen Oerter auf Au, die man nicht mit den slavischen Ortsbenennungen auf au oder ow verwechseln muß; ebenso heißen viele Gegenden Aue; mit Ach sind viele Städtenamen gebildet, auch Aachen stammt wohl direkt von aquae, welches Wort sonst in Baden oder Aix oder Aigue (Aigues) übergegangen ist. Herford.

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Hölscher.

Das deutsche Kirchenlied vor der Reformation. Vom Gynastallehrer Dr. B. Hölscher. Progr. des Gymn. zu Recklinghausen. 1846. 38 S. 4.

Nach einer allgemeinen Einleitung über den kirchlichen Gebrauch der la teinischen Sprache (S. 15.) nimmt der Verfasser für sein Thema drei Perioden an: 1) Von der Einführung des Christenthums in Deutschland bis gegen die Mitte des 12. Jahrhunderts. 2) Von da bis zum Ende des 13. Jahrhunderts. 3) Von 1300 bis zur Reformation.

Quellen sind dem Verf. besonders Wackernagel, Hoffmann, Nambach Wigel's Psalter Ecclesiasticus, Uhland's Sammlung u. s. w. Er dehnt den Begriff des Kirchenliedes auf öffentlich gesungene geistliche Lieder überhaupt aus, feßt die Anfänge religiöser Poesie in Deutschland ins 9. Jahrhundert und theilt aus der ersten Periode den Lobgesang auf den heil. Petrus und die Ueberseßung des Kirchengebets: Deus cui proprium etc. mit; doch kann man aus dem 8. sec. hieher den Hymnus des heil. Ambrosius und den ambrosian. Lobgesang ziehen, wenn man auch das Wessobruner Gebet ausschließen will. Aus der zweiten reicheren Periode theilt der Verfasser mehrere Lieder mit und handelt auch von den Sequenzen. Aus der dritten Periode sind berücksichtigt Sequenzen, während der Messe gesungene Lieder (auch das n. E. Luthern zugeschriebene Lied: „Vom Himmel hoch da komm ich her“ u. s. w.), Marienlieder u. s. w., alte umgeänderte Lieder, Ueberseßungen lateinischer Hymnen, auch das Lied „In Mitte unsers Lebens Zeit," fälschlich Luther zugeschrieben, findet sich schon früh. Im Ganzen gibt der Verfasser 45 Proben.

Herford.

Hölscher.

Leben des Georg Rollenhagen. Vom Oberlehrer Lütce. Progr. des Berlin. Gymn. zum grauen Kloster. 1846. 16 S. 4.

Wir erhalten nur einen Theil der Abhandlung über N., doch hat er Werth für die Literaturgeschichte. Unter den Quellen nennt der Verfasser besonders die Leichenrede auf R. von Aron Burckhardt 1609, die über die äußerlichen Verhältnisse ziemlich ausführlich ist. R. war geboren 22. April 1542; seine Kinderjahre verlebte er traurig, er war besonders sehr kränklich. 1556 kam er auf die Schule zu Prenzlau. Dann ist er in Mansfeld und Magdeburg. 1560 geht er auf die Universität Wittenberg. 1563 Nector der Johannisschule in Halberstadt. 1565 wieder nach Wittenberg als Hofmeister. Hier wurde das Gedicht N's verfaßt, aber erst 1595 herausgegeben. 1567 ging er nach Braunschweig, hierauf nach Magdeburg als Prorector, 1575-1609 war er Rector. Er war zweimal verheirathet und hatte viele Kinder, doch starben die meisten lange vor ihm. Bekannt gemacht hat sich ein Sohn aus zweiter Ehe, Gabriel, durch seine Juvenilia 1606, und unter dem Namen Angelius Lohrbere Liga 1614 durch eine beliebte deutsche Komödie: „Amantes amentes." Ein sehr anmuthiges Spiel von der blinden Liebe oder wie mans deutsch nennt von der Lefteley u. s. w. Dieser war wahrscheinlich Jurist.

R. starb 1609. Troß seiner vielen körperlichen Leiden war er im Umgange heiter. Als Schulmann wirkte er bedeutend, so daß der bekannte Laubmann (1595 Prof. Poeseos), um ihn kennen zu lernen bei ihm auf einige Wochen als Schüler eintrat, welche ergögliche Anekdote der Verfasser mittheilt. Auch als Prediger stand R. in Ansehen und lehnte einen Ruf nach Berlin propter inconstantiam aulicam ab. Seine gelehrten Kenntnisse waren bedeutend, auch in Naturwissenschaften; mit Tycho de Brahe stand er in Briefwechsel. Er hielt auch etwas auf Astrologie und darüber Vorlesungen, kam auch mit dem Hauptkalendermacher der Zeit, dem Frankfurter Profeffor Origanus, den er

Archiv II.

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