des vierzehnten Jahrhunderts keine so geringe, einseitige und unpraktische war, als man sich heut zu Tage noch so oft vorstellt. Wir wenden uns zuerst zu den römischen Schriftstellern. Die Anzahl der römischen Schriftsteller, die wir in Chaucers Werken theils nur erwähnt, theils nachgeahmt finden, ist sehr groß. Was zuerst die Dichter anbetrifft, so stellt er im House of Fame III. 365-422 die ihm am Wichtigsten erscheinenden folgendermaßen zusammen: Beisammen sah ich stehen dann, - Auf einer Kupfersäul' zur Seiten Ovid, der Venus Sänger war, Auf einer Eisensäule da, Auf einer Sulphursäule stand Des dunkeln Hades Königinn. Wir wollen zuerst bei diesen fünf Dichtern verweilen. Zunächst Dein Name sei geehret und gepriesen: Der Dido feinen Schwur; wie ichs vermag Will deiner Leucht' ich folgen; in der Rührung d. h. den Stoff will er aus Virgilius entnehmen, Ton und Färbung aber dem Ovidius nachbilden. Die Erzählung schließt sich daher auch ziemlich eng an Virgilius, aber überall ist das Bestreben sichtbar, abzukürzen und zusammenzuziehen. Er sagt selbst: Ich könnte folgen Wort für Wort Virgil, Doch ließe mich das kommen nicht zum Ziel, und in der That ist der Gang der Erzählung gegen Chaucers sonstige Gewohnheit rasch und lebhaft. Einige Proben des Verhältnisses beider Dichter zu einander mögen hier folgen. Man vergleiche zuerst Vers 265-88 bei Chaucer: Die Dämmerung hob sich aus dem finstern Meer; Daß sie für Nez' und scharfe Speere sorgen; Und fort zur Jagd die edle Königinn reitet Des Wildes Herden findet man alsbald mit Virgilius IV. 129 ff. (da ich die Vossische Uebersegung nicht bei der Hand hab) gebe ich diese Stelle ebenfalls in eigener Uebertragung: Aber Aurora war indessen entstiegen dem Meere Aus dem Thore strömt hervor die erlesene Jugend, Schling' und Neß in der Hand und eisenbeschlagene Speere Noch verweilet im Zimmer die Königin; aber es warten Draußen die Ersten der Puner; geschmückt mit Gold und mit Purpur In Sidonisch Gewand mit gesticktem Saume gefüllet. Auf dem Cynthus schreitet er dann; die wogenden Haare Schmückend mit zartem Laub und mit goldenem Bande fle flechtend. Eilet vorüber im Lauf an Diesem bald und an Jenem; Wünscht, daß ein schäumender Eber sich ihm statt des harmlofen Wildes Im Allgemeinen hält Chaucer sich streng an Virgil; am schnellsten weiß er mit den Reden fertig zu werden, die Virgil seinen Personen in den Mund legt. Die ersten Verse derselben finden wir gewöhnlich auch von Chaucer fast wörtlich wiedergegeben; dann bricht er plöglich ab und hängt wohl noch eine Entschuldigung an; daß die Reden zu lang wären, um sie wiederzugeben. So ist er 3. B. gleich in der Unterredung zwischen Dido und Anna verfahren. Die ersten 6 Verse aus Dido's Rede: Schwester Anna, ich werde von schrecklichen Träumen gepeinigt; So majestätischen Blicks, so stark an Muth und an Waffen! Wahrlich ich glaub’' und ich täusche mich nicht, er ist göttlichen Stammes. Furcht verräth die entarteten Seelen; ach welches Verhängniß Hat er geduldet! wie hat er vergangene Kriege geschildert. hat auch Chaucer: Was mag es sein doch, theure Schwester, sprich! Und traun, mich däucht, er ist der Männer Zier, In ihm ruht meine Lieb' und mein Glück! Darauf aber fügt er einen Schluß, der von Virgil abweicht: Wofern du nicht dagegen sicherlich Will ich mit diesem Mann vermählen mich; Was sag' ich mehr; darauf geht all mein Streben. Die Schwester Anna, segt er kurz hinzu, habe ihr etwas widersprochen; ihre Unterredung sei aber viel zu lang gewesen, als daß er sie wiedererzählen könne. Bekanntlich erklärt Dido bei Virgil das Gegentheil von dem, was sie Chaucer sagen läßt, und Anna muß ihr noch zureden. Es ist übrigens vollkommen klar, daß die ganze Aenderung von Chaucer bloß der Kürze wegen vorgenommen ist. Es ist schon oben bemerkt worden, daß Chaucer bei dieser Erzählung auch Ovid vor Augen hatte; natürlich konnte er aber bei seiner Abneigung vor langen Reden, wie sie in dieser Erzählung klar sich zeigt, nur wenig aus dem Heldenbriefe Ovids entnehmen. Der Schluß der Erzählung gehört jedoch dem Ovid an, und um nicht weiter unten bei Ovid wieder auf diese Erzählung zurückkommen zu müssen, wollen wir sogleich von ihm sprechen. Nachdem nämlich Chaucer den Tod der Dido berichtet hat, fügt er hinzu, sie habe vor ihrem Tode noch folgenden Brief geschrieben: Gerade so, wie der milchweiße Schwan Auch wenn er ohne Wirkung sollte bleiben. Der Wind, der dein Schiff trieb ins Meer aufs Neue Derselbe Wind blies weg auch deine Treue. Doch wer den Brief zu kennen ganz begehrt Der aus Ovid das Uebrige erfährt. Wie Chaucer es mit der Rede der Dido aus Virgil gemacht hatte, so hier mit Ovids Heldenbriefe; nur die ersten vier Distichen hat er wiedergegeben: So wenn das Schicksal ruft, auf feuchten Wiesen sich bettend, Im Hause des Ruhms Buch 1, V. 140-467 finden wir eine ungefähre Uebersicht des in der Aeneis" Erzählten; die Liebesgeschichte der Dido und des Aeneas muß Chaucer aus der ganzen Aeneis am meisten angesprochen haben; denn während fast Alles Andere nur kurz erzählt ist, wird er hier fast wieder eben so weitläufig, wie in der eben behandelten Erzählung. Auch vergißt er nicht, auf seine Legenden der guten Weiber hinzudeuten und eine gute Anzahl Frauen herzuzählen, die ebenso wie Dide von ihren Männern betrogen worden seien. Auch verweist er hier von Neuem auf seine beiden Vorbilder Virgil und Ovid. Ich will aus dem ganzen langen Berichte nur die ersten hundert Verse hersegen, welche die Geschichte des Aeneas bis zu seiner Bekanntschaft mit Dido enthalten*): *) Beiläufig sei hier bemerkt, daß Chaucer, wenn er Virgils Aeneis erwähnt, stets den Befizfall gebraucht: Aeneidos House of fame v. 378 (rede Virgile in Aeneidos) oder Eneidos C. T. 15365 (as says us Aeneidos). Auf dieselbe Weise gebraucht er auch Metamorphoseos 1260 |