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modernen sprachen auch, die feinheit syntaktischer unterschiede in denselben steht der in den classischen sprachen durchaus nicht nach : aber der weg, wie sie diese regeln geschaffen haben, ist so weit und verwickelt, dasz er von der jugend nicht übersehen, oft selbst vom sprachforscher nicht nachgewiesen werden kann, besonders bei dem eingetretenen verfall der sprachlichen formen. in den classischen sprachen hat die sprache noch nicht eine so verwickelte geschichte durchlaufen; daher sind ihre verhältnisse so übersichtlich und klar, dasz sie bei richtiger anleitung auch von der jugend übersehen werden können. wer aber möchte behaupten, dasz es einem schüler zu viel zugemutet sei, wenn man ihn anleitet zu fragen: weshalb dient im griechischen der genitiv, im lateinischen der ablativ, also der woher-casus zum ausdruck der vergleichung? dem denkenden schüler kommt die frage ganz von selbst; der zum nachdenken zu erziehende schüler soll zur stellung solcher fragen angehalten werden. wer wollte behaupten, es übersteige die fassungskraft eines schülers, wenn man ihn lehrt, den lat. abl. griech. gen. separationis, comparationis, causae, pretii als abarten des woher-casus; den lat. abl. griech. dat. loci und temporis als arten des wo casus; den lat. abl. griech. dat. modi, instrumenti, mensurae als arten des mitverhältnis-casus zu fassen.

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Aus dem gesagten ergibt sich, inwieweit wir die verwertung der ergebnisse der vergleichenden sprachforschung für die elementare darstellung der griechischen und lateinischen casussyntax befürworten.

Die erkenntnis, dasz der griechische genitiv und der griechische dativ eine reihe von functionen übt, welche im lateinischen der ablativ hat, ist längst im unterricht verwertet. allein die verwertung dieser erkenntnis ist immer nur eine gelegentliche geblieben. erst die untersuchungen der vergleichenden sprachforschung haben das gebiet, innerhalb dessen eine vertretung des ablativ durch den genitiv oder dativ stattfindet, begrenzt und den grund, weshalb diese vertretung statthaben kann, klargelegt. wir meinen, die elementare darstellung der griechischen casussyntax sollte davon gewinn ziehen und zwar in dem sinne, dasz die parallele der griechischen und lateinischen casussyntax so klar und so bestimmt hervortrete, wie sie thatsächlich ist.

Das würde erfordern, dasz der lateinische ablativ zunächst in seine drei functionen zerlegt werde wie es Müller-Lattmann gethan haben, doch wünschten wir eine klarere, übersichtlichere darstellung.

Das würde erfordern, dasz im griechischen beim genitiv scharf und bestimmt die functionen des eigentlichen genitiv, der ganz zum lateinischen genitiv stimmt, getrennt würden von den functionen des wohercasus, d. h. des eigentlichen ablativs, der ganz zum lateinischen ablativ stimmt, soweit dieser ursprünglicher woher-casus ist. der woher-casus aber (eig. abl., lat. abl., griech. gen.) steht

1) in rein localem sinne die richtung woher bezeichnend

bei ortsangaben mit und ohne näher determinierende präposition,

bei verbis und adjectivis

der trennung und entfernung,
des hinderns und weichens,

des anfangens und ablassens,

des beraubens:

bereits in übertragenem sinne, doch so, dasz die locale grundbedeutung noch deutlich empfunden werden kann,

bei verbis des entstehens und geboren werdens,

bei verbis und adjectivis des mangels (und der fülle),
bei den verbis der wahrnehmung, denn der griech. genitiv
bei diesen verben bezeichnet die wahrnehmung als aus-
gehend, gewirkt von einer person oder auch von einer
sache.

2) zur bezeichnung des gegenstandes, mit welchem ein anderer vergleichen wird, da dieser als ausgangspunct für die vergleichende betrachtung, als standpunct, von dem aus der zu vergleichende gegenstand angesehen ist oder werden soll, aufgefaszt und bezeichnet ist (abl. gen. comparationis).

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3) zur bezeichnung der ursache, insofern die ursache einer handlung als ausgangspunct für dieselbe aufgefaszt und bezeichnet ist (abl. gen. causae).

4) zur bezeichnung des preises, insofern der preis als gegenstand gedacht ist, auf grund dessen die handlung des kaufens und verkaufens sich vollzieht (abl. gen. pret.). Der griechische dativ würde auf drei functionen zurückzuführen sein. er ist

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1) eigentlicher dativ durchaus entsprechend lat. dativ,

a) wo er die richtung oder neigung nach einem ort hin ausdrückt,

b) wo er zum ausdruck von verhältnissen gebraucht wird, welche aus der übertragung dieser räumlichen beziehung auf geistige verhältnisse sich erklären lassen,

als sog. dativ der beteiligten person; dat. commodi und incommodi; ethicus; relationis; dativ des entfernten objects. -2) stellvertreter des wo-casus entsprechend durchaus lat. ablativ, sofern dieser die functionen des locativ erhalten hat, a) des orts mit und ohne näher determinierende präposition; b) der zeit abl. dat. loci u. temp.

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3) stellvertreter des casus des mitverhältnisses

entsprechend

durchaus lateinischem ablativ, sofern dieser die function des 'instrumentalis' sociativus erhalten hat,

a) als casus der gemeinschaft, zur bezeichnung der person oder sache, mit welcher eine gemeinschaft, ein zusammensein irgend welcher art stattfindet daher

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b) als casus der art und weise, zur bezeichnung der begleitenden umstände mit und ohne präposition

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dat. modi);

c) als casus des mittels

a) zur bezeichnung des mittels, in verbindung mit wel chem eine handlung vollführt wird

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Wir meinen, erst durch eine darstellung der griechischen casussyntax, welche auf dieser grundlage ausgeführt wird, wird die übereinstimmung der griechischen und lateinischen casussyntax in das rechte licht gestellt. anderseits wird durch dieselbe ein wirkliches verständnis des wesens der griechischen casus dem schüler in leicht verständlicher weise geboten. wir meinen, durch eine solche behandlung wird die formale bildung des schülers in wesentlich höherem grade als durch die darstellung der vulgärgrammatik gefördert; durch dieselbe wird die mechanische gedächtnisarbeit erleichtert und verringert.

BIELEFELD.

HOLZWEISZIG.

2.

NOCTES SCHOLASTICAE.

(eine schulrede.)

Es ist, geehrte herrn collegen und liebe schüler, für uns abermal ein moment gekommen, in welchem wir einen lieben amtsgenossen und mitarbeiter, Sie einen Ihrer lehrer aus Ihrer mitte scheiden sehen; ein zweiter, ein ehemaliger zögling dieser schule, wird uns in einigen tagen gleichfalls verlassen, nachdem er bei uns die ersten rudimenta seines zukünftigen berufes abgelegt hat, um in eine voraussichtliche feste und dauernde thätigkeit einzutreten. was liegt uns näher, als dasz wir an einem solchen tage und in einem solchen moment zurückblicken auf die strecke weges, die wir mit einander gegangen sind, und dasz wir hinausblicken auf die weiteren wege, die wir und diese uns befreundeten collegen nun weiter für sich allein gehen werden, während wir hier zurückbleiben in unserm alten lieben hause, und

ihnen nur aus der ferne nachblicken und ihnen unsre herzlichsten wünsche zum geleite mitgeben können?

Und indem wir so zurückblicken auf die jabre, welche Sie, als Sie aus dem groszen kriege eben heimgekehrt, bei uns nun verlebt haben, mein hr. college, so gedenken wir mit dank, sowol der treuen arbeit, die Sie hier geübt, als auch der collegialischen gesinnung, welche Sie uns bewiesen haben. Sie haben der schule in verschiedenen stellungen, und wie es das jedesmalige bedürfnis heischte, als ordinarius verschiedener classen, Ihre dienste gewidmet, und in jeder dieser stellungen mit liebe und treue gewirkt. Sie haben sich ganz der aufgabe, welche Ihnen oblag, hingegeben, die Ihnen anvertrauten schüler mit liebe und sorge geleitet, und für ihre ausbildung wie für ihre erziehung zu sittlicher gesinnung gesorgt, oft genug mit der schmerzlichen sorge, mit der eine mutter um ein krankes und ihr doch liebes, ja gerade darum liebes kind sorgt und bangt. ich fühle mich gedrungen, Ihnen hier im namen der anstalt, im namen Ihrer collegen und im namen der schüler, denen Sie in dieser weise lehrer und erzieher gewesen sind, meinen dank auszusprechen. eben so aber auch für die collegialische gesinnung, welche Sie uns bewährt haben. diese collegialität ist überhaupt eine des mannes, der in einem solchen verhältnis steht, würdige gesinnung, und gereicht dem, der diese gesinnung hegt, zu groszer ehre und sichert ihm die achtung aller, die ihm nahe stehen, auch derer, die nicht amtlich mit ihm verbunden sind, wie der mangel dieser gesinnung zur unehre gereicht. denn, was soll denn menschen enger mit einander verbinden, als die thätigkeit, zu der alle berufen sind, das amt, welches sie eben so erhebt, wie es achtung erfordert, das bewusztsein, in dieser thähigkeit, in diesem amte, sich andere männer von gleicher gesinnung zur seite zu haben? ganz besonders ist diese collegialität aber für das schulamt und für die mitglieder eines collegiums, wie es das unsrige ist, eine wichtige sache. denn, Sie wissen es ja selbst, mein lieber hr. college, wie nötig es ist, dasz ein collegium fest geschlossen sei, nach wie vielen seiten hin es front zu machen hat, um dem, was in seine kreise sich eindrängen möchte, zu wehren und es von sich fern zu halten. das publicum ist überall geneigt, sich in schulsachen einzumischen, und wenn es das nicht kann, drein zu reden. von allen seiten richten sich neugierige oder böse blicke auf diesen kreis, um eine schadhafte stelle zu entdecken, einen miszgriff aufzufinden. Sie haben es hier selbst erlebt. und diese unsren lieben schüler, so gut sie es meinen, liegen doch auch, so zu sagen, auf der lauer, um eine etwaige differenz in unsren ansichten auszubeuten und freuen sich, irgend eine vermeinte schwäche an uns zu entdecken. sie haben hierfür und ähnliche dinge oft ein schärferes auge, als für schäden in den texten des Horaz oder Sophokles. das liegt der jugend so nahe, dasz wir ihr kaum darüber zu zürnen wagen. ja selbst nach oben hinauf gilt es, wie ein mann zusammenzustehen für eine wolbegründete überzeugung und einen posten nicht eher aufzugeben, als bis die höhere pflicht es

uns gebietet. dies ist denn auch von jeher deutsche gesinnung gewesen. lieber daheim schuhe putzen, als einem fremden dienen, lautete ein altes und gutes wort. lieber in einem collegium fest zu seines gleichen stehen, selbst auf kosten einer scheinbaren überzeugung, als selbst dem besten und wohlwollendsten fremden einen ihm nicht von rechts wegen gebührenden einflusz zu gestatten. das ist von jeher bei uns princip gewesen, und ich erkenne es hoch an, dasz Sie auch in dieser beziehung stets einer der unsren gewesen sind und zu uns gehalten haben, auch dafür danke ich Ihnen von herzen.

Ich möchte nicht wieder den passenden augenblick finden, um auch Dir, mein lieber junger freund, hier offen auszusprechen, dasz ich Deine treue und gewissenhafte arbeit stets mit herzlicher freude beobachtet habe, ebenso dasz ich mich stets der gesinnung gefreut habe, mit der Du als an angehender lehrer, Deine stellung wahrgenommen, und was Dir, dem zukünftigen erzieher der jugend geziemte, zur geltung gebracht hast. Du hast, ohne das masz zu überschreiten, mit energie und strenge gefordert, was Du im interesse einer amtlichen stellung fordern durftest, und wenn Du einmal Deinen eifer mir zu hoch zu steigern, den bogen zu scharf zu spannen schienst, bist Du gern auf wohlwollende winke eingegangen, und hast Dich in Deinem rühmlichen eifer gemäszigt, und die mannhaftigkeit Deines willens gemildert. diese tapferkeit der gesinnung, diese festigkeit des charakters ist die zierde eines jeden manns, sie ist bei einem lehrer aber eine ganz unentbehrliche qualität. alle kenntnisse haben erst dann einen wert für die schule, wenn sie mit dieser energie der gesinnung sich verbinden. sie ist nicht blos erforderlich, um mit den mitzuteilenden kenntnissen in die seele des schülers einzudringen, um ihn zur aufmerksamkeit und zum fleisze, zur eigenen mitarbeit zu zwingen, mit gewalt zu zwingen; sie ist es auch, was die jugend zur achtung und ehrfurcht vor dem lehrer selbst führt. ich kann kenntnisse und talente bewundern und beneiden; aber achtung flöszen dieselben nicht ein. die achtung, die ehrfurcht ist eine eigenschaft der gesinnung, und kann auch nur auf gesinnung beruhen, auf der sittlichen strenge und der festen und tapfern gesinnung, welche an recht, pflicht und ehre festhält.

Ich wünsche indesz, liebe schüler, dasz diese stunde auch Ihnen in der erinnerung bliebe, und dasz Sie, die Sie zumal dem scheidenden lehrer näher gestanden haben, sein bild in Ihrem gedächtnis festhielten. es ist viel wert, ein liebes und teures bild mit ins leben hinauszunehmen. mich haben bis auf diesen tag die bilder meiner lehrer durch das ganze leben begleitet, und ich frage mich, bei ernsten fragen, gern, was würde dieser und jener Deiner lieben, längst dahingeschiedenen lehrer hierzu gesagt haben? damit nun eine solche erinnerung bei Ihnen, liebe schüler, fester hafte, will ich, wie die männer alter zeiten an der stelle, wo fremde von einander schieden, einen steinhügel errichteten, so versuchen, in Ihrer seele ein solches

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