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richtsgegenstände des Gymnasiums zu erleichtern, ohne der Bequemlichkeit und Oberflächlichkeit Vorschub zu leisten, wird sich die Schulausgabe eines Classikers in erster Linie zur Aufgabe machen müssen. Ich habe daher in den Anmerkungen den Standpunkt des Schülers festzuhalten und alles das bei Seite zu lassen gesucht, was einerseits über den Schulgrad, auf welchem Vergil gelesen wird, hinausgeht, andererseits die Selbstthätigkeit des Schülers bei der Präparation und Repetition nicht wirklich fördert oder dem lebendigen Unterricht vorgreifen könnte. Denn diesem fällt, auch wenn der Schüler einen erläuternden Text zu seiner Vorbereitung benützt, doch immer die Hauptaufgabe zu. Nur wird

eine richtige Benutzung der erläuternden Schulausgabe vorausgesetzt, nicht nöthig haben, auf Kosten eines raschern Fortschreitens in der Lecture sich bei Dingen aufzuhalten, die der Schüler als klar schon mit in die Schule bringen kann. Vergleichende Verweisungen, welche wesentlich zur Erkenntniss der Eigenthümlichkeit des Autors beitragen, werden, mit Ausnahme der antiquarischen, am besten dem Unterricht überlassen, da dieselben, wenn sie der Schüler gedruckt vor sich hat, erfahrungsgemäss kaum von wenigen wirklich benutzt werden, im Unterricht dagegen sich ohne grossen Zeitaufwand zur Belebung der Auffassung verwenden lassen. Nur was innerhalb desselben Buchs sich wiederholt, wurde durch Verweisung auf die frühere Stelle bemerklich gemacht, um schon bei der Präparation die nöthige Geläufigkeit und Sicherheit zu erzielen. Auch Verweisungen auf andre, als dem Schüler geläufige Classiker bleiben für diesen in weitaus den meisten Fällen todtes Material. Eine bestimmte Grammatik, so weit diese überhaupt bei der Erklärung des Dichters in Betracht kommt, beizuziehen, schien nicht nöthig in

der Voraussetzung, dass der Secundaner in seiner Grammatik so zu Hause sei, dass eine allgemeine Hinweisung genüge. Besonderes Gewicht wird auf das Verständniss der dichterischen Auffassung, Composition und Darstellung gelegt werden müssen, natürlich immer in den Grenzen, welche durch die vorauszusetzende Vorbereitung der vorhergehenden Curse gezogen sind. Dahin bezügliche Andeutungen sind desshalb da und dort eingeflochten. Eine Einleitung über das Leben und die Werke des Dichters vorauszuschicken habe ich unterlassen; dieselbe müsste jedem Heft vorangedruckt werden, um sie bei der verschiedenen Auswahl in der Schullectüre jedem Schüler zugänglich zu machen. Sie kann leicht und mit besserm Erfolg ersetzt werden, wenn der Lehrer diesen Gegenstand dem Cursus angemessen zu lateinischen Exercitien verwendet, wie es Seyffert in seinem Uebungsbuch zum Uebersetzen aus dem Deutschen ins Lateinische gethan hat. Einige Zusätze haben im Anhang Aufnahme gefunden zur Erläuterung abweichender Ansichten und Erklärungen. Nur an wenigen Stellen, wie I, 29, 159, 261, II, 622, 736, III, 684, habe ich Veranlassung genommen, meine früher (1859, 1862, 1866) in Programmbeigaben veröffentlichten Erklärungen aufzugeben oder zu modifizieren. Die sorgfältige Benützung des kritischen und exegetischen Materials, wie es, in der neueren Zeit namentlich von Ribbeck, Wagner, Forbiger, Gossrau, Ladewig reichhaltig und gut geordnet geboten worden ist, wird meine Arbeit nicht des Anspruchs auf Selbständigkeit verlustig machen.

Unter den zahlreichen, leider oft nicht leicht zugänglichen Einzelschriften nenne ich die mir jüngst zugekommenen Miscellen zu Vergil und Horaz von Prof. Klouček in

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Leitmeritz (Programm 1868, 69, 70, 72), aus denen ich die
Erklärung zu II, 120 und 410 entnommen habe.

Bezüglich der Textesgestaltung bin ich nicht der Ansicht,
dass, was anders oder besser gesagt werden könnte, der
Dichter auch anders gesagt haben muss. Auch sind manche
Verbesserungsvorschläge eben so wenig über allen Zweifel
erhaben, als wir in den alten Autoren nur nach allen Seiten.
hin vollendete Muster sehen dürfen. Sie haben übrigens des
Guten und Schönen so viel, dass, wenn wir nur diesen Reich-
thum der Jugend zugänglich und verständlich machen kön-
nen, sie einen hinlänglich reichen Schatz für ihre weitere
Bildung aus der Schule mitnehmen wird.

Zu I, 750 ist irrthümlich eine Verweisung auf I, 29
stehen geblieben. Sie ist dahin zu berichtigen, dass sie ihre
Erklärung in der im Anhang zu dieser Stelle gegebenen
Bemerkung findet.

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P. VERGILI MARONIS

AENEIDOS

LIBER PRIMVS.

Arma virumque cano, Troiae qui primus ab oris
Italiam fato profugus Laviniaque venit
litora, multum ille et terris iactatus et alto
vi superum saevae memorem Iunonis ob iram,

Erstes Buch. Aeneas wird auf seiner Fahrt nach Italien durch einen Sturm von Sicilien nach Karthago verschlagen und von Dido gastlich aufgenommen.

1-7. Inhalt des ganzen Epos. Vgl. Hom. a, 1-10.

1. Arma virumque. Die epischplastische Darstellung liebt es, die in ihrer Verbindung ein Ganzes ausmachenden Einzelheiten coordiniert neben einander zu stellen; daher die häufige Anwendung des ἓν διὰ δυοῖν.

cano, intransitiv und transitiv. In Prosa z. B. fidibus canere, signum

canere.

2. Italiam. Bei den Dichtern werden die Ortsbestimmungen häufig obne Präpositionen gesetzt; so v. 3 terris et alto.

fato. Das Fatum ist bei Vergil bald das höhere Walten im Allgemeinen, durch welches das Leben des Volkes und des Einzelnen bestimmt ist und dem selbst die Götter untergeordnet Kappes, Vergils Aeneide. I-III.

sind, bald ein einzelnes Verhängniss als Ausfluss jener allgemeinen Weltfügung.

Laviniaque, viersilbig; die Synizese wird von V. viel seltener gebraucht, als von Homer, nur bei den Doppelvocalen ee, ei, eo, ea, ia, ie, io, ua, ui. Lavinia litora, so genannt von Lavinium, der erst von Aeneas gegründeten und nach seiner Gemahlin Lavinia, der Tochter des Königs Latinus, so genannten Stadt. Der Dichter anticipiert häufig in der Anführung von Thatsachen Einzelnheiten, die einer späteren Zeit angehören.

3. ille, Epanalepsis wie oys bei Hom. zur schärferen Hervorhebung des Subjects, wenn einem Prädikate weitere angereiht werden.

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4. vi superum erhält seine Erklärung durch saevae iram; die epische Darstellung lässt oft dem vorausgeschickten Allgemeinen das für den vorliegenden Fall wesentliche Einzelne nachfolgen.

1

Vix e conspectu Siculae telluris in altum

35 vela dabant laeti et spumas salis aere ruebant,
cum Iuno aeternum servans sub pectore vulnus
haec secum: 'mene incepto desistere victam,
nec posse Italia Teucrorum avertere regem?
quippe vetor fatis. Pallasne exurere classem
40 Argivum atque ipsos potuit submergere ponto
unius ob noxam et furias Aiacis Oilei?
ipsa Iovis rapidum iaculata e nubibus ignem
disiecitque rates evertitque aequora ventis,
illum expirantem transfixo pectore flammas
45 turbine corripuit scopuloque infixit acuto;
ast ego, quae divum incedo regina Iovisque.
et soror et coniunx, una cum gente tot annos

hang mit v. 7 ist die Tendenz des ganzen Gedichtes angedeutet, nämlich die Verherrlichung des römischen Reiches und seines Glanzpunktes unter Augustus.

34-80. Eingreifen der Juno, in die weitere Fahrt des Aeneas.

34. vix e conspectu etc. Der epische Dichter führt beim Beginn der Erzählung in medias res ein, d. h. er beginnt hier nicht von der Abreise des Aeneas von Troja, sondern führt ihn uns mitten auf seiner Fahrt vor, und lässt ihn die vorausgegangenen Schicksale später erzählen. Vgl. Hom. ε ff.

Sicula tellus, auch Trinacria. Aeneas war auf seiner Fahrt nach Hesperien oder Italien bis an die Nordspitze von Sicilien zum Berge Eryx gekommen, als er von einem Sturm südwärts gegen Karthago verschlagen wurde.

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40. ponto, vgl. v. 6.

41. ob noxam, wegen der Misshandlung der Cassandra, der Tochter des Priamus. ob furias, d. i. wegen der Wuth; eine Metonymie. Die Furien erscheinen als die Göttinnen der Wuth. Aiax Oilei nach griechischer Art, wie Διὸς Λητοῦς τ ̓ Απόλlov; vgl. Gramm. Ueber die Synizese in Oilei s. v. 2. Ajax der Lokrer, Sohn des Oileus (über die Declin. v. Oileus vgl. Gramm.) Anders als V. erzählt die Strafe des Ajax O. Hom. d, 499 ff.

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