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Calice z. B. Oxf. Ps. 15, 5 (Diez im Altromanischen Glossar S. 113) stammt erst aus dem 10., 11. Jahrh., sonst wäre e dem Auslautsgesetze verfallen.

Eine grofse Anzahl von gelehrten Wörtern lässt sich für die Thatsache anführen, dafs im 9. Jahrh. die meisten der besprochenen Lautgesetze ausgewirkt hatten, so für ng: angele Dial. Greg. 288, 4 statt *aindle oder *aindre. Ebenso evangile Reg. Cist. I, 41. Wenn man von dem Unterbleiben der Synkope in benedicere im 8. Jahrh. auf das in sæculum und in angelum schliefsen darf, so würde gn sich schon im 8. Jahrh. nicht mehr, wohl aber der dzh-Laut aus ge noch entwickelt haben.

Auf letzteres deutet imagene Rol. 3268, welches entsprechend propaginem hätte *imain ergeben sollen.

Idele Ps. 95, 5 oder Dial. Greg. 295, 27 läfst den Schlufs zu, dafs intervokales d, welches nach dem 7. Jahrh. zu th wurde (vergl. erege), im 9. Jahrh. erhalten blieb. Auffällig ist, dafs idolum so spät in die Sprache drang, da man doch annehmen sollte, dafs schon zu der Zeit der Heidenbekehrung die Götzen von den Geistlichen genannt, also das Wort dem Volke geläufig geworden wäre.

Dieselbe Ansicht in betreff der Volkstümlichkeit äufsert Flaschel S. 16 bei baptizare. Er glaubt, dafs dieser Begriff mit unter den ersten den jungen Christen bekannt geworden sei, und setzt auf Rechnung der gelehrten Abschreiber das p in baptiziet Rol. 3671, in baptistire, in baptisme St. Bern. 543, in St. Jehan Baptiste Vern. XIV. Aber durch die vielen Formen mit p wird seine Ansicht unwahrscheinlich. Auch hätte er die Erhaltung des i in der vortonigen Silbe von baptizare erklären sollen; und da die volkstümlichen Formen bei mehreren Wörtern vermifst werden, wo man sie erwarten sollte, so ist kein Grund baptiziet eine Ausnahme machen zu lassen, es ist so unvolkstümlich, wie idele u. s. w.

Acumuniet Rol. 3860 möchte Flaschel S. 11 für fünfsilbig halten und findet es auffällig, dafs das Suffix -icare einsilbig behandelt worden wäre. Um dieser Schwierigkeit zu entgehen, könnte man communiare im Anschlufs an communion Reg. Cist. I, 58 zu Grunde legen. Jedenfalls stammt das Wort erst aus dem 9. Jahrh., sonst hätte ni sich anders entwickelt.

Berlin.

Dr. O. Keesebiter.

Shakespeare und Plutarch.

I.

In seinen drei Römerdramen hat Shakespeare bekanntlich Plutarchs Biographien den historischen Stoff entlehnt, wie N. Delius für Coriolanus und Julius Cäsar dieses im 11. resp. 17. Bande des Jahrbuches der deutschen Shakespeare-Gesellschaft, 1876 und 1882, und in seiner Ausgabe, Th. Vatke im 3. Bande desselben Jahrbuches 1868 für Antonius und Kleopatra schon teilweise nachgewiesen haben. Da der Schüler der Stratforder Freischule ,,wenig nur Latein, noch weniger Griechisch wufste",* so benutzte er nicht den griechischen Plutarch, sondern die damals am weitesten verbreitete, vortreffliche Übersetzung des Sir Thomas North, der im Jahre 1579 zuerst nach der französischen Übersetzung des Bischofs von Auxerre, Jaques Amyot, seine Übersetzung herausgab und sie unter dem 6. Januar 1579 der Königin Elisabeth dedizierte. Im Jahre 1595 erschien eine

zweite Ausgabe unter dem Titel: „THE LIVES | OF THE NOBLE GRE- CIANS AND ROMANES, COMPARED TOGETHER BY THAT GRAVE LEARNED | PHILOSOPHER AND HISTORIOGRAPHER, Plutarke of Chaeronea: Translated out of Greeke into French by JAMES AMIOT, abbot of Bello- | zane, Bishop of Auxerre, one of the Kings privie counsell, and great | Amner of France, and out of French into English, by Thomas North. Impr. at London by Richard Field for Bonham Norton 1595.

Weitere Ausgaben erschienen 1603, 1612, 1631, 1656, 1676 unter erweitertem Titel mit den Lebensbeschreibungen Hannibals,

* Ben Jonsons Nachruf an Shakespeare bei M. Koch, Shakesp. p. 10. Archiv f. n. Sprachen. LXXVII.

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Scipio Africanus, Epaminondas, Philipp v. Mac., Dionys d. Ä., Augustus Cæsar etc. Da die älteren Ausgaben fast verschollen sind im Brit. Museum scheint nur die zweite Ausgabe vom Jahre 1595 sich zu befinden das Werk seit 1676 auch nicht weiter gedruckt und durch andere Übersetzungen (1683-1686) und von Langhornes (1770) ersetzt worden ist, so ist es dankenswert, dafs die auf Shakespeare bezüglichen Partien des NorthPlutarch, Shakespeares „storehouse of learned history",* in neuerer Zeit in zwei trefflichen Ausgaben erschienen sind: 1) Shakespeare's Plutarch; being a Selection from the Lives in North's Plutarch, which illustrate Shakespeare's Plays. Edited with Introduction, Notes, Index of Names and glossarial Index by W. W. Skeat." London 1875 und 1880, und 2) F. A. Leo : „Four Chapters of North's Plutarch, containing the Lives of Caius Marcius Coriolanus, Julius Cæsar, Marcus Antonius and Marcus Brutus. Photolithographied in the Size of the original Edition of 1595. With Preface, Notes comparing the Text of the Editions of 1579, 1595 and 1603, and Reference Notes to the Text of the Tragedies of Shakespeare." London 1878. Während diese Ausgabe also auf den Text von 1595 zurückgeht, hat sich Skeat, der auch in den folgenden Untersuchungen zu Rate gezogen ist, für die Ausgabe vom Jahre 1612 entschieden, da die ersten beiden ihm nicht zugänglich waren, zwischen der dritten und vierten kein grofser Unterschied ist und ein Exemplar der Ausgabe vom Jahre 1612, das 1870 der Greenock Library angeboten ward, für dasjenige gehalten wird, das in Shakespeares Besitz war, da es aufser der Inschrift auf dem Titelblatte Vive: ut vivas: W. S: pretiu 18s", noch einige Randbemerkungen wie „Brute

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Brutus“ bei

Cäsars Tod, March 15" bei the Ides of March etc. trägt. Da nun aber dieser North's Plutarch eine so vielfache Wanderung und Wandelung durchgemacht hat, indem auch die französische Übersetzung von J. Amyot wahrscheinlich trotz des Titels aus dem Lateinischen entstanden ist, so scheint es nicht unzweckmässig zu sein, bei einem Hinweise auf Shakespeares Quelle Plutarch im Urtexte neben die Northsche Übersetzung zu stellen

* Warton's History of English Poetry ed. 1871, IV, 202, 280, v. Skeat p. 1.

und die betreffenden Belegstellen aus den Dramen nach den Seitenzahlen der verbreitetsten Tauchnitz Edition anzuführen.

Bei einem Vergleiche zwischen dem Historiker und dem Dichter wird man leicht sehen, wie letzterer sich im grofsen und ganzen genau seiner Vorlage anschlofs, wie er aber oftmals auch dieselbe in dichterischer Weise frei umgestaltete, so z. B. in der Darstellung der drei ersten römischen Gesandtschaften an Coriolan, für die er zwei bestimmte Hauptrepräsentanten des Patricierstandes Cominius und Menenius einführt, in der Einführung des jungen Marcius, bei der Schilderung des Volksaufstandes in Rom u. s. w., ferner in der Darstellung von der Entstehung der Verschwörung gegen Cäsar. Im Antony and Cleopatra hat der Abfall und Tod des Domitius Änobarbus, historisch vor der Schlacht bei Actium, vom Dichter eine spätere Gelegenheit und erhöhte Bedeutung erlangt, um zu zeigen, wie Antonius vom Glücke, vom Heer, von seiner Flotte und endlich auch von seinen treuesten Freunden verlassen fällt; auch die Schicksale der Octavia, die historisch nach ihrer Heirat mit Antonius im Jahre 40 bis zum Jahre 37 mit ihm in Athen, dann ohne ihn in Rom lebte, haben eine dichterische Umwandlung erfahren. Vielfach hat Shakespeare die Forderungen der Bühne an räumliche und zeitliche Verhältnisse zu berücksichtigen gehabt und auch wohl wirklich berücksichtigt, und wenn trotzdem die dramatische Form oft eine sehr freie geworden ist, so dafs z. B. im Antonius und Kleopatra der häufigste, nämlich ein 38maliger Scenenwechsel eintritt und dieses Werk dadurch für die moderne Bühne verloren ist, so liegt das eben in den geschichtlichen Verhältnissen, die sich über einen elfjährigen Zeitraum und über drei Weltteile erstrecken. Manche hochdramatische Scene hat der Dichter wohl gerade aus dem Grunde weggelassen, um nicht noch mehr gegen die damals übliche französische Regelmässigkeit, die drei Einheiten beobachtende, klassifizistische Dichtungsart zu sündigen, wie z. B. Kleopatra bei der Leichenfeier des Antonius, die schon in der plutarchischen Schilderung fast eine dramatische Form angenommen hat. Jedenfalls hat Shakespeare seinen geschicht

*

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* H. v. Friesen, Shakespearestudien. Bd. 3. Wien 1876. Cf. Koch, 1. c. p. 243.

lichen Stoff einzig und allein Plutarchs Vitæ parallelæ entlehnt, an denen er besondere Freude gehabt haben muss, und mit Recht macht Koch auf die Thatsache aufmerksam, wie es jenem späthellenischen Schriftsteller, der selbst schon von den Zeiten antiker Gröfse so weit entfernt lebte, in zwei zeitlich und national so weit getrennten Geschichtsepochen der neueren Menschheit gelungen ist, dem aufstrebenden germanischen Drama seinen Stempel aufzudrücken. Plutarch, nach dem im 16. Jahrhundert Lodge und Shakespeare ihre Heldencharaktere entwarfen, hat im 18. Jahrh. Klinger und Schiller für antike Grösse begeistert."

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Für den Coriolanus hat Shakespeare keine andere Quelle benutzt als Plutarchs Coriolanus, wie der Vergleich zwischen beiden leicht ergiebt. Dafs er weder Livius (2, 33. 36. 39 ff.) noch Zonaras (7, 16) noch den ausführlichsten Bericht bei Dionys Hal. (6, 91. 7, 21-65. 8, 16 ff.) zu Rate gezogen hat, zeigen schon die Namen der historischen Persönlichkeiten, da nur Plutarch die Mutter Coriolans Volumnia (Liv., Zon., Dionys: Veturia), die Gattin Vergilia (Liv., Zon., Dionys: Volumnia), den Führer der Volsker Tullus Amphidius (Liv., Zon., Dionys: Attius Tullius) nennt. Die Heldengestalt des stolzen, trotzigen, unbeugsamen Patriciers war eben noch Jahrhunderte lang Gegenstand römischer Dichtungen und Gesänge (Dionys. H. 8, 52 ¿væv dè μetà tò πάθος ὁμοῦ τι πεντακοσίων ἤδη διαγεγονότων εἰς τόνδε τὸν χρόνον, οὐ γέγονεν ἐξίτηλος ἡ τοῦ ἀνδρὸς μνήμη, ἀλλ ̓ ἄδεται καὶ ὑμνεῖται πρὸς πάντων ὡς εὐσεβὴς καὶ δίκαιος ἀνήρ. — Liv. 2, 33 tantumque sua laude obstitit famæ consulis Marcius ut nisi fœdus cum Latinis columna ænea insculptum monumento esset, ab Sp. Cassio uno, quia collega afuerat, ictum, Postumum Cominium bellum gessisse cum Volscis memoria cessisset), die Sage hat aber die historische Überlieferung so erstickt, dafs kaum die Stelle, die sie einnahm, entdeckt werden mag" (Niebuhr). Trotzdem hat der grofse englische Dichter in seinem Coriolanus ein wunderbar lebendiges Bild von den Kämpfen zwischen Patriciern und Plebejern, zu dem ihm auch wohl die Parteikämpfe seines eigenen Landes vielfach Stoff geboten haben, nach der einfachen Schilderung

* Koch 1. c. p. 150.

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