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Da wir mhd. wirz nicht blofs als Femininum, sondern auch als Neutrum haben und im Altnordischen das Neutrum virtr, so wird das Wort wohl ursprünglich ein neutraler s-Stamm gewesen sein.

61. Yet. Die grundfalsche, aber leider sehr beliebte Identifizierung von yet mit nhd. jetzt finden wir auch bei Skeat. Es ist daher wohl nicht überflüssig, auf Anz. f. d. Altertum 6, 25 und D. L.-Z. 1883, Sp. 1163 zu verweisen.

Beurteilungen und kurze Anzeigen.

Friedrich Müller, Grundrifs der Sprachwissenschaft, III. Band. Die Sprachen der lockenhaarigen Rassen, II. Abtheilung, II. Hälfte, Die Sprachen der mittelländischen Rasse. (Fortsetzung und Schlufs des Bandes, Bogen 31 ff. werden im nächsten Jahre ausgegeben werden.) Wien, Alfred Hölder, 1885. Seite 225 bis 480.

Das neue hier vorliegende Stück von Friedr. Müllers Grundrifs der Sprachwissenschaft umfafst zunächst die hamitischen und die semitischen Sprachen. Die zusammenstellende Überschau der vielen einander doch recht verwandten Sprachen ist etwas recht Verdienstliches und gewährt grofse Freude. Der hamitische Stamm zerspaltete sich offenbar früh in weit und breit gedehnte und zerstreute Völkerklassen und damit zugleich in viele Mundarten und Einzelsprachen, während das semitische Geschlecht und die Sprache desselben sich mehr einheitlich und fremden Einwirkungen ferner erhielt. Den hamitischen Sprachstamm teilt sich der Verf. in drei Gruppen: die ägyptische, welche das Altägyptische oder die Sprache der Hieroglyphen und das Neuägyptische oder Koptische umfafst; die libysche Gruppe umfafst nur das Tamaseq; zur äthiopischen gehört das Bedža oder Bišari, ferner Galla, Somali, Saho, Bilin, Chamir (Sprache der Agau). In der vergleichenden Behandlung der semitischen Sprachen werden blofs die Stammsprachen (Arabisch, Athiopisch, Hebräisch, Assyrisch) behandelt und die Untersuchung der auf der Schaffung eines neuen grammatischen Systems beruhenden modernen Sprachen, die sämtlich dem äthiopischen Stamme angehören (Amharisch, Tigre, Tigrina) einem folgenden Abschnitte, welcher dieses Problem im Zusammenhange behandeln wird, vorbehalten." Sehr unsicher sind die Berührungspunkte zwischen dem Hamitischen und dem Semitischen; insbesondere wird auf den grofsen Fortschritt in der grofsen Reihe aller bisher, in dem ganzen Werke behandelten Sprachen hingewiesen, welcher hier zu verzeichnen ist, dafs nämlich hier zum erstenmal jedem Nomen sein grammatisches Geschlecht aufgeprägt ist oder es zum mindesten durch den Zusammenhang des Satzes deutlich zeigt. Hier dürfte auch in der Form die Begegnung zwischen dem Hamitischen und Semitischen am deutlichsten sein; beiden ist das Femininzeichen ; auf die Wichtigkeit dieses Zusammentreffens konnte meines Erachtens kräftig vom Verf. hingewiesen werden. Auf die nahe Verwandtschaft zwischen der Endung des Feminin Singularis und der Pluralendung in indogermanischen Sprachen habe ich einmal hingewiesen; was kann hier anziehender sein, als wenn das Chamir,

um Kollektivnomina zu bilden, der Pluralendung noch das Feminin-t anhängt? So (s. unseren vorliegenden Band Müllers, S. 243) „ieslämä ein Muslim, Plural iesläm-än, davon iesläm-än-t die ganze mohammedanische Welt; bärūda ein Pulverkörnchen, Plural bärud oder bärüdän, davon bärud-än-t Pulvervorräte. Die Behandlung der hamitischen Sprachen reicht bis S. 314, den Beschlufs machen etwa 7 Seiten Sprachproben; die der semitischen Sprachen bis S. 419, mit ungefähr ebensoviel Sprachproben als zum vorigen Abschnitte. Die letzten 60 Seiten etwa dieses Teiles geben den Anfang von der Behandlung des indogermanischen Sprachstammes.

Das so viel geübte und bestrittene und immer wieder anziehende Nebeneinander von Indogermanischer Ursprache, Griechisch, Lateinisch, Keltisch (Altirisch), Gotisch, Litauisch, Altslavisch, Altindisch, Altpersisch, Altbaktrisch, Armenisch, wird uns hier einmal wieder, wie es nach diesem Anfange scheint, in einer bündigen schönen Weise vorgeführt. Das dem Verf. am meisten Eigentümliche und Neue dürfte hier die Betrachtung der Vokale und damit der Wurzeln sein. Die indischen Grammatiker waren es, welche die aus den Worten und Stämmen erschliefsbaren kürzesten Formen des zu Grunde liegenden lautlichen Stoffes als Wurzeln hinstellten, welche in ihrem vokalischen Teile der Steigerung, zuweilen der Schwächung fähig wären. Dieser Lehre ist Mangel an Folgerichtigkeit vorzuwerfen; as und rik passen nicht als Wurzeln nebeneinander: entweder s und rik oder as und raik. Die Ansicht der sogenannten Junggrammatiker, die Schwächung der Wurzel zu s, pt entstehe durch Tonlosigkeit derselben, indem die Suffixe den Ton bekämen, ist apagogisch widerlegbar, da nach derselben die schwache Deklination und die schwache Konjugation altertümlicher wären als die starken Bildungen. Der Verfasser hat eine neue Lehre, dass nämlich i und u keine wirklichen Vokale, sondern Konsonanten, so zu sagen Nebenformen zu j und w wären, also zur Wurzel gerechnet werden müfsten. Das in einer Art von Steigerung Hinzutretende (wie die indischen Grammatiker von Steigerung sprachen) ist nach Müller nur a, welches in den jüngeren Formen auch als e, o auftrete. Dieser Kunstgriff scheint mir äufserst glücklich und wunderschön. Ich hebe hier in der Kürze nur hervor, wie der Verf. seine Ansicht häufig dadurch stützt, dafs e, o, a keine Unterschiede in den Wurzeln hervorbringen, wohl aber der Wechsel von und u (griechisch • und v): άνθρωπος ἄνθρωπε, ἐχθρός, ἐχθρά, φέρω φόρος aber παθ, πιθ, 9. Noch erlaube ich mir aber hier darauf hinzuweisen, wie schön sich durch diese Lösung der Schwierigkeit auch jenes löst und bestätigt, dafs ich in meinen Prisca latin. or. darauf kam, dafs im Latein sich als echter und älter zeigt als das so als ursprünglich gepriesene a. Mit Recht werden wir nun sagen, wenn ersteres dort wurzelhaft, letzteres unter den Abschnitten von Steigung, Einschiebung, Wechsel und Schwinden zu behandeln ist.

Wir werden also auch hier, auf diesem vielbebauten Felde, dem Verfasser danken und zu seiner Arbeit Glück wünschen.

H. Buchholtz.

Die deutsche Philologie im Grundrifs von Karl v. Bahder. Paderborn, F. Schöningh, 1885. XVI u. 456 S.

Seit dem zweiten Drittel unseres Jahrhunderts bis zur Gegenwart hat die germanistische Wissenschaft gewaltige Fortschritte gemacht, so dafs eine Orientierung in dem weitschichtigen Material der neuesten Zeit nicht gerade leicht ist. Deshalb ist das vorliegende bibliographische Sammelwerk über die gesamte deutsche Philologie als eine bequeme Übersicht über die hauptsächlichen Leistungen auf dem Gebiete der Ger

zu

manistik und als encyklopädisches Handbuch für Studierende willkommen zu heifsen. Dem Verfasser hat als Muster Hoffmanns 1836 erschienener Grundrif's vorgeschwebt, dessen Einteilungsprincip in Hilfsmittel, Grammatik und Litteratur unter Modifikationen und Erweiterungen beibehalten worden ist. Um das ungeheure Material einigermafsen zu beschränken, ist die neuhochdeutsche Litteratur nebst den Mundarten von dem Buche ausgeschlossen worden, während die neuhochdeutsche Grammatik und Orthographie in den wichtigeren Erscheinungen Berücksichtigung gefunden hat. Zu dem Hoffmannschen Schema hinzugekommen sind die Abschnitte über Volkskunde und Altertümer mit ihren Unterabteilungen. Aufserdem ist, was gleichfalls gebilligt werden mufs, das Niederländische in den Rahmen des Ganzen eingefügt worden. Auch die Bibliotheken sind nicht unberücksichtigt geblieben, und über die Autoren sind in einem besonderen Register am Schlufs biographische Notizen, soweit sie dem Verfasser bekannt waren oder beantwortet sind, mitgeteilt worden; Vollständigkeit wird sich jedoch hier, da die meisten Autoren über ihre Lebensverhältnisse geflissentlich Stillschweigen beobachten, kaum erzielen lassen. Von den Hilfsmitteln, die der Verfasser bei seiner 4 jährigen mühevollen Arbeit verwertet hat, ist nächst Hoffmanns Grundrifs Bartschs Bibliographie in der Germania für die Zeit von 1862 an nennen, ferner sind die Jahresberichte der Berliner Gesellschaft für deutsche Philologie nebst Hermanns Bibliotheca Germanica ein Wegweiser in dem Labyrinth der Publikationen gewesen; überall, auch bei Fachzeitschriften, ist eine selbständige Auswahl und systematische Anordnung getroffen worden. Die einzelnen Arbeiten sind unter den drei Rubriken: Ober-, Mittel- und Niederdeutschland, bei den kleineren Abschnitten in chronologischer Anordnung aufgezählt und behufs möglich schneller Orientierung sind bei den verschiedenen Abschnitten besondere Überschriften angebracht worden. Einzelne Bücher, die mehr Kuriosa als Desiderata sind, hätten in der Aufzählung wegbleiben können. Vielleicht lassen sich in der neuen Auflage, die schon in Vorbereitung sein wird, bei engerem Druck einige Vervollkommnungen und Ergänzungen anbringen; auch dürfte es sich empfehlen, die wichtigsten bahnbrechenden Schriften durch Sternchen zu bezeichnen. Kurz, dem mit Fleifs und Ausdauer zusammengestellten Buche, an welchem jeder je nach seinem Geschmack betreffs der Anordnung des bibliographischen Materials und je nach seinen Ansichten von dem Werte eines solchen Bücherverzeichnisses leicht etwas aussetzen kann, ist als einem bequemen, dem nächsten Zwecke dienenden Handbuche und als orientierendem Hilfsmittel die weiteste Verbreitung bei den Germanisten zu wünschen.

Klassische Bühnendichtungen der Spanier. Herausgeg. und erklärt von Max Krenkel. II. Calderon, der wunderthätige Magus. Leipzig, Joh. Ambr. Barth, 1885.

Dem ersten Teile, welcher „Das Leben ein Traum" und den Standhaften Prinzen" enthält, hat der Herausgeber ein besonderes Heft mit Nachträgen und Berichtigungen folgen lassen, in welchem er sich über die von seinen Kritikern gemachten Ausstellungen ausführlich ausspricht. Der zweite Teil verdient gleiches Lob als der erste, ohne dafs damit im einzelnen Einwände ausgeschlossen wären, welche so zeigt jener Nachtrag bei dem Herausgeber ein dankbares Ohr finden. Es sind dies meines Wissens die ersten über die oberflächlichen Anmerkungen hinausgehenden, kritisch und hermeneutisch gründlichen und darum auch für den Erwachsenen brauchbaren Ausgaben schwererer spanischer Werke, und darum dankbar zu begrüssen. Die Grundzüge der spanischen Metrik

werden wenigstens versprochen. Der Band III soll den Alkalden von Zalamea und auch sein Lopesches Vorbild enthalten.

Das

Dem „Mágico" geht eine sehr ausführliche Einleitung (138 S.) voran, lesenswert auch abgesehen von der Lektüre des Stückes selbst. Urteil des Herausgebers ist selbständig, und er geht über seine Vorgänger, wie Morel - Fatio, hinaus. Die Erklärung des Textes wird vornehmlich aus Calderon selbst gewonnen, in zweiter Linie auch aus Cervantes, unter dessen Einflufs jener gestanden hat. Aufser der deutschen ist die fremde Litteratur gewissenhaft benutzt worden. Der Titel „Der wunderthätige Zauberer" (Gries) wird gegen Lorinsers Erklärung (Staunen erregend, wunderbar) mit Recht verteidigt.

Die Einleitung giebt zunächst eine ausführliche Darstellung der Quellen, aus denen Calderons Drama geflossen ist; vieles aus denselben wird erzählend oder wörtlich mitgeteilt. Wir wollen es uns erlassen, sie im einzelnen anzuführen. Das Resultat ist, dafs wir in der Legenda aurea die Quelle für C.s Mágico prodigioso zu erkennen haben; den Stoff hat der Dichter aber nach der Darstellung des Alonso de Villegas umgestaltet und durch mehrere aus diesem Gewährsmanne und aus Gregor von Nazianz entlehnte Züge bereichert. (S. 47 u. 61).

Krenkel wendet sich dann der Charakteristik der Personen des Stückes zu, ein Teil, welcher ihm gleichfalls wohl gelungen ist. In der Gestaltung des Charakters der Justina hebt er als Abweichung von der Überlieferung mit Recht hervor, dafs, während dort Justina von Cyprian, die zarte Jungfrau von dem stärkeren Manne, zur Übernahme des Märtyrertums ermuntert werden mufs, hier sie, die von Kindheit an Christin ist, dem Neubekehrten Mut und Gottvertrauen einflöfst und sich so angesichts des drohendes Todes erst in ihrer vollen Gröfse zeigt: eine Parallele zu der Erlösung durch das ewig Weibliche" im Faust, mit dem der Mágico häufig mit mehr oder weniger Verstand und Glück verglichen worden ist. Auch die Figur des Teufels wird sehr eingehend und geschichtlich beleuchtet.

Weiter behandelt Kr. Calderons Vorgänger: zwei Stücke von Mira de Mescua, den „Esclavo del demonio“ u. El Ermitaño galan y Mesonera del cielo, und Guillens de Castro El prodigio de los montes y mártir del cielo, Santa Bárbara." Der Vergleich ist sehr eingehend und durch Proben belegt. Die zahlreichen sprachlichen und sachlichen Berührungen zwischen diesen Dramen und dem Calderonschen schliefsen die Annahme aus, dafs C. nur zufällig bei Behandlung eines verwandten Stoffes mit Mira de Mescua und Guillen de Castro zusammengetroffen sei, und lassen vielmehr die Behauptung völlig begründet erscheinen, dafs er auch hier, wie so oft, mit Absicht und Bewusstsein die Arbeiten seiner Vorgänger benutzt habe. Immerhin bleibt das Verdienst des späteren Dichters gegenüber den früheren bedeutend genug; denn kein unbefangener Leser des Mágico wird in Abrede stellen, dafs dieses Trauerspiel an poetischem wie an religiössittlichem Gehalte den drei vorgenannten Dramen weit überlegen ist."

Der letzte Teil der Einleitung endlich behandelt andere Bearbeitungen des Stoffes vor und nach Calderon, das Schicksal des Stückes in Spanien und in Deutschland (Goethe, Immermann), die Urteile unserer Dichter und Litteraturhistoriker, die Ausgaben, Übersetzungen und Abhandlungen darüber.

Die befolgten Grundsätze der Textkritik sind unanfechtbar. Weder die Ausgabe von 16633, welche C. nicht anerkannt hat, noch die des Vera Tassis (1682) können als Calderons Original gelten; das Originalmanuskript aber, welches Morel-Fatio herausgegeben hat, ist ebensowenig des Dichters endgültige Fassung gewesen; die Fassung, welche für die Aufführung in Yepes bestimmt gewesen ist, mag wohl für immer verloren sein. Danach ist, diese aus den angegebenen Quellen zu erschliefsen, die Aufgabe der Kritik. Die Verse, welche die Originalhandschrift mehr oder

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