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Beurteilungen und kurze Anzeigen.

Saure, Histoire grecque et romaine par époques, tirée des meilleurs historiens français. Berlin, F. A. Herbig, 1886.

Der Herausgeber legt den Fachgenossen ein Lehrmittel vor, das die vielgepriesene Konzentration des Unterrichts fördern soll. Obschon Ref. von dieser Methode im allgemeinen keine grofsen Erwartungen hegt und ein Ermatten des Interesses befürchtet, wenn der lernbegierigen Jugend immer wieder dieselben Stoffe vorgelegt werden, so kann er doch der Arbeit Saures seine Anerkennung nicht versagen. Was vor allem zu rühmen und allen Autoren zur Nachahmung zu empfehlen ist, das ist die Selbständigkeit, mit der Saure zu Werke ging. Während sonst die Herausgeber von Lesebüchern jedes Wort der Schriftsteller, als wäre es ein litterarhistorischer Fund, ängstlich hüten und wahren, schaltet und waltet der Verf. ganz frei mit dem jedesmaligen Texte und hat nur den Zweck im Auge, ihn der Schuljugend mundgerecht zu machen. Dafs hierzu aufser eigenem Darstellungstalent noch eine bei Deutschen seltene Sicherheit in der Beherrschung der Fremdsprache gehört, braucht wohl nicht an dieser Stelle betont zu werden; dafs Saures Leistung eine nach allen Seiten hin abgerundete und mustergültige ist, sei hiermit konstatiert.

Hier ein Verzeichnis der Abschnitte: I. Griech. Geschichte. 1. Temps héroïques; 2. Lycurgue et Solon; 3. Mœurs et Coutumes; 4. Guerres Médiques; 5. Siècle de Périclès; 6. Guerre du Péloponèse; 7. Pélopidas et Épaminondas; 8. Alexandre. Hieran schliefst sich ein Schlufswort, das die Schicksale der Griechen bis auf den heutigen Tag in knappen Zügen schildert. II. Röm. Geschichte. 1. Royauté; 2. Conquête de l'Italie; 3. Guerres Puniques; 4. Guerres civiles; 5. Empire (bis zum Sturz). Dann folgt ein aus siebzehn kurzen Kapiteln bestehender Überblick über Staats- und Privataltertümer der Römer, und zum Schlufs ein Abrifs der Litteratur beider Kulturvölker, welchen wir, so geschickt er gearbeitet ist, nicht schmerzlich vermissen würden.

H. Saure, Théâtre français classique. Das klassische Drama der Franzosen. Für Schulen bearbeitet. 2 Teile. Berlin, Herbig, 1885.

Saure geht in diesem Werke von der Voraussetzung aus, dafs auf unseren höheren Schulen aus Mangel an Zeit zu wenig dramatische Lektüre getrieben werden kann und dafs die Lektüre eines Dramas zu langatinig und langstielig sei. Wenn man auch die letztere Behauptung

sehr in Zweifel ziehen muss, so wird man die erstere gelten lassen müssen, wofern es sich um Anstalten handelt, an denen das Französische eine bedeutende Rolle spielt. Will man aber den Schülern derselben nicht blofs Excerpte geben, so lese man zwischen hinein ein ganzes Stück.

Die Auswahl der Stücke ist glücklich: I. a) Cid, Horace; b) Britannicus, Phèdre, Athalie; c) Misanthrope, Femmes Savantes; d) Zaïre. II. a) Cinna, Polyeucte; b) Andromaque, Mithridate, Iphigénie, Esther; c) Tartuffe, Avare, Bourgeois Gentilhomme. Die Bearbeitung ist geschickt und ansprechend, ohne sklavische Anlehnung an die französischen Analysen von Demogeot, Marcillac u. a. In den Anmerkungen scheint des Guten zu viel geschehen und der Standpunkt der Primaner etwas unterschätzt worden zu sein. Gleichwohl verdient auch dieses Lehrmittel empfohlen zu werden.

B. d'Oradour, Album poétique illustré; choix varié de poésies françaises. 3ème édition. Stuttgart, Paul Neff, o. J. Geb. mit Illustr. Mk. 6.

Während andere Anthologien ein möglichst buntscheckiges Bild der französischen Dichtung zu geben suchen und selbst über das Zeitalter Ludwigs XIV. hinausgehen, will die vorliegende, bereits sehr vorteilhaft eingeführte Sammlung uns die besten Dichtwerke dieses Jahrhunderts vorführen und dem gebildeten Leser einen klaren Überblick geben über cette brillante époque d'épanouissement littéraire, qui fut pour la France comme une seconde Renaissance.

Dafs die gewaltigen Namen Victor Hugo, Lamartine, Musset immer wiederkehren, und auch dem biedern Chansonnier ein verhältnismäfsig breiter Raum gegönnt worden ist, möchten wir als eigenartigen Vorzug des Album poétique und als entschiedenen Fortschritt begrüfsen. „Ne multa, sed multum war d'Oradours Grundsatz. Dichter zweiter und dritter Ordnung, wie die Schulpoeten Dovalle, Soumet, Mine Tastu, Reboul, Chênedollé, Millevoye etc. oder gar Camot, Nus, Lamy, Barateau, Turquety, haben jeder sein Plätzchen gefunden.

Die Wahl der Stoffe ist geschmackvoll und lobenswert; das Vorwiegen des Lamartineschen, bei allem Schwung doch etwas süfslichen Genre läfst sich im Hinblick auf den Zweck des Buches am Ende doch rechtfertigen. Den wahren Grund möchten wir darin erblicken, dafs der Herausgeber, wie aus seinen eigenen Dichtungen hervorgeht, der beschreibenden Schule und Lamartine kongenial sich fühlt. Nur die duftigsten Blüten eigener Lyrik hat d'Oradour mit anerkennenswerter Bescheidenheit in den prächtigen Kranz mit eingeflochten.

Auch die volkstümliche und humoristische Dichtung kommt zu Wort: mit Behagen findet der liederfrohe Leser Duponts J'ai deux grands bœufs dans mon étable", das Gendarmenliedchen mit dem allbekannten Refrain: Brigadier, répondit Pandore, Brigadier, vous avez raison!" und das schelmische Lisette de Béranger von Bérat zu den frommen und begeisternden Klängen eines Lamartine gesellt.

Nur eines vermifst der Kenner der neuesten Dichtung: die Parnassiens und Jungfrankreich und diese sollten in der nächsten Auflage nachgeholt werden. Viel eher als Bornier hätten Dichter von der Bedeutung eines Coppée, Banville, Leconte de Lisle Berücksichtigung verdient, zumal das Urteil über dieselben endgültig feststehen dürfte und Gropp-Haufsknecht mit Erfolg versucht haben, diese Dichter in der Schule einzubürgern.

Doch soll dieser leise Vorwurf den Wert des Album poétique nicht zu schmälern suchen: es ist und bleibt die in sich abgerundete Leistung

eines wahren Poeten, ein Buch, dessen innerer Wert dem äufseren Gewande entspricht.

In der Neuauflage wünschen wir Vignys Cor in unverstümmelter Gestalt, sowie die Revision des Druckes noch sorgfältiger zu sehen: abgesehen davon, dafs die Verjüngung der Orthographie nach der Norm von 1878 nicht streng durchgeführt ist, fällt eine Anzahl Druckfehler beim Durchlesen auf (pag. 63, 21, 221, 233, 258, 274, 277 etc.).

Auswahl französischer Gedichte in stufenmäfsig aufsteigender Folge. Mit deutschen Übersetzungen. Gesammelt und geordnet von Dr. Franz Hummel. Gotha, Schloessmann, 1882. 119 Seiten. Mk. 1,20.

An französischen Gedichtsammlungen jeder Art ist sicherlich kein Mangel. Bei der vorliegenden aber ist die Einrichtung neu, dass im Anhang gute metrische Übersetzungen gegeben sind. Der Auswahl und Einteilung in verschiedene Stufen kann Ref. seine Anerkennung nicht versagen, obschon er gewünscht hätte, dafs für die unterste Stufe La Fontaine und allenfalls Mme Tastu reichlicher herangezogen würden. Tadellos ist die Auswahl der Gedichte für Oberklassen, dankenswert der Anhang mit acht Proben der so mifsachteten französischen Übersetzungspoesie: Mignon, von Marmier, Erlkönig, von Lepas (übrigens gerin ger als Deschamps' prächtige Nachdichtung), Heideröslein und Löwenritt, von Barbieux, Grab am Busento, von Mondroit, Chidher, von Brochier, Heines Zwei Grenadiere und Goethes Gefunden, von ungenannten Dichtern.

Ein Schüler, der diese 63 Gedichte durchgearbeitet, oder sogar, wie Verfasser will, grofsenteils memoriert hat, wird einen klaren Begriff von französischer Lyrik mit ins Leben nehmen. Die Übersetzungen, zumeist von M. Grundschöttel und Roloff eigens für Hummels Sammlung angefertigt, sind treu, dabei elegant und können sich neben den bekannten Nachdichtungen von E. Dohm, Freiligrath, Seeger recht wohl sehen lassen. Wir geben als Beispiel ein Stück von Grundschöttels Übersetzung von Laprade, Chanson de l'alouette (Je suis, je suis le cri de joie etc.):

Ich bin ein Freudenruf, gestiegen
Aus Wiesen, eben aufgewacht,
Empor zur Sonne mufs ich fliegen,
Der ich der Erde Grufs gebracht.

Auf weißse Hütten seh ich nieder,
Durch Nebel silbern glänzt der Flufs,
Tautropfen schmücken mein Gefieder,
Und fliegend ich sie säen muss.

Wem schlaflos ist die Nacht verronnen,
Dem sag ich: danke Gott, sie flieht;
Den Landmann weck ich, der besonnen

Die Furche für die Zukunft zieht.

Andere Verdeutschungen von Chamisso Gaudy, Laun u. a. sind seit dem Erscheinen des Buches durch Legerlotz, Meves etc. überholt. Auch scheint uns die von Weddigen in dieser Zeitschrift veröffentlichte Übertragung des Matrosenliedes von Souvestre doch den Vorzug vor der hier gegebenen zu verdienen.

Jedenfalls empfehlen wir das geschickt zusammengestellte Büchlein nachdrücklich der Beachtung aller poesieliebenden Kollegen.

Baden-Baden.

Archiv f. n. Sprachen. LXXVI,

Joseph Sarrazin,

22

A. Tennysons Enoch Arden. Aus dem Englischen übersetzt von
Robert Waldmüller (Eduard Duboc). Hamburg, Grüning.

Robert Waldmüllers Übersetzung von Tennysons Enoch Arden er-
freut sich mit Recht so andauernder Beliebtheit, dass bereits die 25. Auf-
lage vor uns liegt. Der Übersetzer trifft in bewunderungswürdiger Weise
den tief-innigen, wehmütigen Ton des Originals. Das traute Fischerdörf-
chen am Strande der englischen Südküste mit den treuherzigen und ein-
fachen Menschen voll tiefen, leidenschaftlichen Empfindens; die blendende
und doch kalte Pracht der fernen Tropeninsel; das verzehrende Heimweh
des Verschlagenen; die traurige Rückkehr und das tiefe Leid der Ent-
sagung des heldenhaften Dulders
die ganze einfache und doch so er-
greifende Geschichte verliert in Waldmüllers Übersetzung nur wenig
von dem schwermütigen Zauber der Tennysonschen Dichtung.

Schlufswort in Sachen Lanfreys.

A. Hamann.

Obschon der Ton der Ramslerschen Erklärung (pag. 343 ff. des 75. Bandes) jegliche Antwort überflüssig macht, und jedes Eingehen auf Klopffechtereien in der Seele mir zuwider ist, so kann ich doch nicht umhin, Ramslers Kühnheit zu bewundern. In seinem Unvermögen, die Beschuldigung des an Einleitung und Kommentar meiner Lanfreyausgabe, also an meinem geistigen Eigentum begangenen Raubes zu entkräften, klagt er mich naiv an, ich hätte den Text Lanfreys von ihm abgedruckt, als ob derselbe Ramslerscher Privatbesitz wäre. Wenn an zwei Stellen (3, 41 und 71, 9 meiner Ausgabe) einige Worte wegfielen, so stört dies den Zusammenhang keineswegs; ebensowenig störend ist der Druckfehler tout autre chose (72, 29). Die zwei anderen Stellen (12, 32 56, 36) en égard à, statt der beziehungslosen Participialkonstruktion eu égard à, sind absichtlich geändert, wie aus der Anmerkung hervorgeht. Dafs aber R. diese einzige Fufsnote ergreift, um den nicht von mir, sondern von Ulbrich ihm erteilten Vorwurf krasser Ignoranz" mir zurückzusenden, beweist nicht allein, wie richtig Ulbrich die französischen Kenntnisse dieses Herrn taxiert, sondern auch dass Ramsler die verschiedenen Exekutionen noch nicht verschmerzt hat, die seine erste Auflage ihm eingetragen. Auch ich appelliere an das Urteil der Fachgenossen, werde aber allenfallsigen weiteren Liebenswürdigkeiten Ramslers robur et æs triplex entgegenbringen.

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Miscellen.

Die Geschichte des mehrstimmigen Gesangs und seiner Formen in der französischen Poesie des 12. und 13. Jahrhunderts.

Über obengenannten Gegenstand hielt auf der Philologen-Versammlung in Giefsen der Privatdocent Dr. Schwan aus Berlin nachstehenden Vortrag:

An dem diesjährigen Zusammenkunftsort der Philologen versammlung dürfte es nicht unangemessen erscheinen, wenn auch die romanische Philologie aus dem engeren Kreis der Sektionssitzungen heraustritt und in den allgemeinen Versammlungen Zeugnis ablegt von ihrem Dasein; stand doch in dieser Stadt die Wiege von Friedrich Diez, die Wiege des Mannes, der sie aus dem Zustand dilettantischer Sprachmeisterei zur Wissenschaft umschuf, dem sie nicht nur ihre ganze Existenz, sondern auch die sichere, exakte Methode verdankt, welche sie berechtigt, sich ebenbürtig der älteren Schwester zur Seite zu stellen. So darf ich wohl Ihres wohlwollenden Interesses sicher sein, wenn ich es unternehme, der Pflicht der Pietät und der Dankbarkeit, welche die Romanistik dem heimgegangenen Meister schuldet, hier nachzukommen, insbesondere da auch der Gegenstand, über welchen ich die Ehre habe zu sprechen: Die Geschichte des mehrstimmigen Gesangs und seiner Formen in der französischen Poesie des 12. und 13. Jahrhunderts, den speciellen Studien desselben nicht zu fern liegt. Gerade die erste, in Wahrheit Epoche machende Arbeit des Meisters galt ja der mittelalterlichen Lyrik, im speciellen allerdings der provençalischen, aber auch die Entwickelung und die Formen der nordfranzösischen Lyrik, welche mit dieser in der engsten Beziehung steht, fanden in dem Werk grundlegende Erörterung. Mein heutiger Vortrag wird gewissermafsen eine Ergänzung des dort Gegebenen bilden, insofern als bei den dort behandelten Formen der höfischen Poesie: der Kanzone (dem Liebeslied), dem Sirventes (dem politischen und moralischen Gedicht), der Pastourelle (dem Hirtengedicht) das Bestimmende der Text war, dessen Inhalt die Melodie nur dem Hörer vermitteln half, während bei den Formen der französischen Poesie, welche ich besprechen will, die Musik das Ursprüngliche, das Frühere ist, welches die Form des Textes beeinflusste, während der Text ursprünglich nur der Melodie als Unterlage diente. In dem einen Fall war, um es prägnant auszudrücken, der Dichter auch Musiker, in dem anderen Fall der Musiker auch Dichter. Bei den poetischen Gattungen der letzteren Art, zu denen insonderheit die von uns zu behandelnden Formen des mehrstimmigen Gesangs gehören, wird

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