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6. TO FRIEDRICH AUGUST WOLF.

Hochgeehrtester Herr Geheimerath,

Dessau, den 4ten Juny 1820.

Die Versicherung Ihres freundlichen Andenkens, die ich vor einiger Zeit durch Herrn von Loen erhielt, hätte früher meinen erwiedernden Dank verdient. Das Buch, das Sie mit diesem Briefe empfangen, war die Ursache der Verzögerung. Ich wollte es Ihnen gern mit meinem Schreiben, als einen schwachen Beweis meiner Dankbarkeit überschicken. Das Interesse an der Stadt, die ich zu schildern versucht habe und die Nachsicht gegen einen Schüler wird Ihnen die Lektüre vielleicht erträglich machen.

Dass ich seit etwa 6 Monaten Bibliothekar geworden bin, wird Ihnen vielleicht schon bekannt sein; doch bin ich Ihnen die Anzeige schuldig. Der Direktor der Gelehrten-Schule, Stadelmann, ehemals Conrektor in Plauen im Voigtlande, ein Schüler Hermanns, war auch zum Bibliothekar berufen worden, trat aber bald ab, theils wegen zu vieler Arbeit, theils wegen Mangels an litterarischer Übersicht, da er sich ganz auf die beiden alten Sprachen und in ihnen auch wohl nur auf die Mechanischen Zweige der Philologie beschränkt. Die Schule scheint durch ihn nicht gewonnen zu haben: lateinisch und griechisch soll er gründlich, aber geschmacklos, lehren, im Vortrage der Geschichte aber, und überhaupt, wo er nicht Geistlosigkeit und Mangel an Urtheil mit lateinischen Phrasen zudecken kann, ist er unerträglich. Dazu fehlt es ihm gänzlich an Autorität. Meine Schulstunden sind jetzt weniger und angenehmer: ich lehre in Secunda der Gelehrten-Schule Griechisch u lateinisch: in diesem Halbjahre habe ich die Odyssee zu erklären angefangen und im Lateinischen lese ich den Sallust, Cicero de Senect. und Amicit. und Pompon. Mela, verbunden mit dem Vortrage über alte Geographie. Meine Schüler zeigen Eifer und Liebe zu meinem Unterricht u meiner Person und das macht mir die Arbeit leicht.

Die Bibliothek besitzt manche Schätze in alten Ausgaben. Auch Handschriften haben sich gefunden. Ausser den zwei von Jani gebrauchten Handschriften des Horaz eine dritte, so viel ich weiss, noch ganz unbekannte, von den Satiren und Episteln. Ferner ein Paar Mskr. des Ovid, eins des Lucan, des Statius. Der Herzog giebt jährlich 600 Rthlr. zur Anschaffung von Büchern und kauft ausserdem selbst noch manches kostbare Werk. Die Auswahl mache ich, ohne Beschränkung von einer Behörde, da ich in allen Bibliotheksangelegenheit[en] unmittelbar unter dem Herzog stehe und auch dem Kabinet meine Rechnungen vorlege.

Wie sehr freuen würde ich mich, wenn Sie, verehrtester Herr Geheimerath, diesen Sommer auf einer Badereise unser Dessau berührten! Zu Michael benutze ich vielleicht die Ferien zu

einer Reise nach Berlin und habe dort das Vergnügen, Sie zu sehen.

Hochachtungsvoll

Ihr

dankbarer Schüler

W. MÜLLER.

The book which the young poet herewith sends to his venerated teacher is the Rom, Römer und Römerinnen mentioned in Number 2.

The characteristically summary way in which Müller passes condemnation upon his predecessor as librarian is to be interpreted in the light of other categorical judgments which he pronounced in his days of immaturity, as upon Goethe, and notably upon Wolf himself.

Schnell fertig ist die Jugend mit dem Wort,

Das schwer sich handhabt, wie des Messers Schneide.

Christian Friedrich Stadelmann, director of the Ducal Gelehrtenschule in Dessau, was born in 1786, and contributed a number of solid and meritorious works in the fields of classical studies and pedagogy.

7. TO HELMINA VON CHÉZY.

Verehrte Freundin,

Dessau, den 13ten Juny 21.

Dass ich Ihnen, Ihrem Verlangen gemäss, meinen Hochzeittag nicht gemeldet habe, bedaure ich jetzt, da ich Ihren lieben Brief, unter vielen andern noch zu beantwortenden, wieder durchlese. Denn anstatt dass ich Ihnen heute ein Hochzeitgedicht schicke, hätte ich gewiss ein viel schöneres von Ihnen vor drei Wochen empfangen. Nun, es ist meine Schuld!

Von meinen Dresdner Freunden habe ich erst vor Kurzem erfahren, dass die enthusiastiche Anzeige meiner Lieder von Ihnen herrühre. Was soll ich Ihnen zum Dank, zur Antwort sagen? Wenn etwas hier genügen kann, so sei es das, dass diese Anzeige mich noch 100 mal so sehr erfreut u erwärmt haben würde, wenn ich gewusst hätte, dass sie von Ihnen käme, obgleich die Beurtheilung eines unpartheiischen Fremdlings den Stolz des Dichters hätte in Anspruch nehmen müssen. Aber die Theilnahme meiner Freunde gilt mir mehr, als öffentliches Lob.

Ihre unangenehmen Verhältnisse mit Kalckreuth betrüben. mich, besonders da ich zum Ausbruche der Zwistigkeiten unschuldigen Anlass gegeben habe. Jedoch verzweifle ich schriftlich bei Kalckreuth in dieser Sache wirken zu können. Wenigstens

hat er meine Anfragen u Vorschläge sehr decidirt verneint. Mündlich möchte sich ehr etwas thun lassen, vielleicht noch diesen Sommer, wo ich Dresden u meine dortigen Freunde mit meiner Frau zu begrüssen gedenke.

Meine Lieder sind bald vergriffen u ich denke Ihnen noch in diesem Jahre eine zweite Auflage zuzuschicken. Ihr Freund

W. MÜLLER.

On May 21, 1821, had occurred Müller's marriage with Adelheid von Basedow, daughter of the Ducal Regierungsrath Ludwig von Basedow, and granddaughter of the celebrated pedagogic authority. He sends with the letter a copy of the verses he wrote for the occasion (Cf. Gedichte, 1868, I, 111), which was also the silver wedding of the bride's parents.

Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten, Müller's first volume of collected poems, had appeared in Dessau in the autumn of 1820. It met with a fairly good sale.

Frau von Chézy's differences with the young poet, Count von Kalckreuth (son of the famous field-marshal, and a poetical associate of Müller's) are not recorded elsewhere, but they belong to a catalogue so long that it would be a thankless task to extend it.

8. To F. A. BROCKHAUS.

Dessau den 26ten Februar 1823.

Ihre Materialiensendung, verehrter und geliebter Freund, habe ich erhalten und werde ich nach besten Kräften benutzen. Die ersten Arbeiten sende ich gleich hierbei ein:

Ueber Moore's Loves of the Angels

3 Nummern litt. Bemerk., die hoffentlich den alten Beck

nicht kopfscheu machen werden.

Auch erhalten Sie Ihrem Wunsche gemäss zurück

die ersten drei schon benutzten Hefte der Lit. Gaz.
Nouv. Messéniennes.

Das Trauerspiel des jungen Grosse habe ich gelesen, mit Neugier und Aufmerksamkeit. Der Dichter dauert mich, denn es wird ihm viel schaden. Es tritt mit gewaltigen Ansprüchen auf, u leistet, wenn wir das Ganze ins Auge fassen, sehr wenig. Einzelne Blitze kräftigen Genies besonders in den prosaischen, populären Scenen: übrigens durchaus keine dramatische Sprache u kein dramatischer Geist. Ueberall blickt die Nachahmung zweier Unnachahmlicher, Göthes u Shakespeare's durch, aber

freilich ist Alles was nachgeahmt wird, überboten u überspannt. Wäre Grosse seinen eigenen Weg bescheiden gegangen, er hätte etwas geleistet, denn eine poetische Natur ist er gewiss.

Ich hielt es für meine Pflicht, Ihnen diese meine allgemeine Ansicht vorher mitzutheilen, da es scheint dass Sie Interesse für das Stück haben. Wünschen Sie also eine lobende Rezension— der Wunsch ist jedem erlaubt—so übergeben Sie das Stück einem Andern. Ich kann wenig daran loben, aber ich würde mit Nachsicht u selbst aufmunternd tadeln.

Wekherlin wird diese Woche fertig. Fritzsche hat zum zweiten Male den Schwabenstreich gemacht, keine Bogen für mich zurückzubehalten. Ich muss Sie also wieder um die Uebersendung von 50 Ex. bitten, wenn das Ganze in Ihren Händen ist.

Dass vor der Michaelismesse kein neuer Band kommen soll, ist mir sehr erwünscht; So bleibt mir für diesen Sommer Raum zu anderen Arbeiten, die ich schon lange habe vornehmen wollen. Ich habe die Hoffnung bald recht viel Musse zu gewinnen, da ich meine Stunden in der hiesigen Gelehrten-Schule los zu werden denke. Alsdann will ich thätiger für Ihre Institute sein.

? Wann müssen Sie spätestens den Aufsatz über Tasso haben, wenn er in das nächste Heft des Hermes (??) kommen soll? Ich bin fast zu Ende damit.

Nun zu etwas Anderem u Wichtigerem.

Ich habe Ihnen, glaube ich, schon vor einem Jahre, als ich bei Ihnen war, gesagt, dass ich damit umginge eine Sammlung meiner Gedichte zu veranstalten. Die 77 Waldhornistenlieder sind Kommissionsartikel u mein Eigenthum u da sie bis auf wenige Ex. (circa 50) vergriffen sind, so will ich diese an mich nehmen: denn solche Restanten besonders, wenn es Kommissionsartikel sind, kommen selten aus dem Laden.

Natürlich denke ich bei dieser neuen Unternehmung zuerst an Sie, da ich überhaupt wünsche, Alles, was ich als Schriftsteller besitze, in Ihren Verlag zu bringen. Die neue Sammlung würde aus circa 60 Bogen gedruckt bestehen, wobei ich etwa Rückerts Rosen als Norm der Lettern, Spatia u des Formats annehme. Das gäbe 2 mächtige Theile, wovon der erste in diesem Jahre (womöglich noch im Sommer) erscheinen sollte, der andere zur Ostermesse 1824.

Ausser dem, was Ihnen von meinen Gedichten bekannt ist (also die 77 mit ihren Ergänzungen, die Griechenlieder) würde diese Sammlung eine Anzahl Gesellschaftslieder (zum Theil politische Chansons aber ohne Censuranstoss) Epigramme, erotische Spiele, Satyren etc. enthalten. Die Griechenlieder, deren erste beiden Hefte Sie oder ich von Ackermann entnehme, würden zum zweiten Theil geschlagen werden u könnten einzeln auch verkauft werden. Bis 1824 sind sie sicherlich in den ersten Auflagen vergriffen und wegen der zwey Hefte die Sie nur als zweite Auflage zu honoriren brauchen, treffen wir dann eine besondere Abmachung, ohne jetzt darüber das Ganze zu stören. Ich weiss,

dass Gedichte eine schlechte Buchhändlerwaare sind u ohne etwas über den wirklichen poetischen Werth der meinigen selbstlobend beizubringen, beschränke ich mich auf das, was ich von ihrem merkantilischen Werthe sagen kann. Diess ist:

Die 77 sind zu einer Zeit, wo ich so gut als ohne Namen in der deutschen Litteratur war, als Kommissionsartikel, in einer Handlung die den Vertrieb schlecht versteht u wenig ausgebreitete Verbindung hat, erschienen und doch in ca. zwei Jahren so gut wie vergriffen worden. Die Auflage war 500 Ex. wovon ich wohl über 50 selbst verschenkt habe. Nehmen wir also 400 verkaufte. Wie die Griechenlieder sich verkaufen, können Sie jetzt selbst beurtheilen. Ich weiss es nur von den ersten beiden Heften.

Nun ist wohl einzusehen, dass das politische Interesse hier einwirkt, und dieses Interesse hat doch das Gute für die ganze Sammlung, dass es meinen Namen mit weit verbreitet hat.

Soviel zu Gunsten meiner Gedichte Sie wissen, dass ich es nicht übel nehme, wenn Sie mir zeigen dass ich mich in den Voraussetzungen irre, die ich aus diesen Umständen für den Verkauf der grösseren Sammlung mache, und wissen auch dass ich fern bin, bei einer solchen Sache Anspruch auf die freundschaftlichen Verhältnisse zu machen, in denen ich die Ehre habe mit Ihnen zu stehen. Wir dürfen und wollen hier bloss als ein Paar Kaufleute agiren, die sich nicht persönlich kennen.

Ich frage also:

Haben Sie Lust zu der Unternehmung? und

Was ist Ihnen mein Name werth?

Ich schlage mehrere Bedingungen vor,

1) Sie machen zuerst eine kleine Auflage von 500 bis 600 Ex. und bestimmen danach das Honorar, so, dass ich bei der zweiten Auflage von eben so viel Exempl. die Hälfte des ersten Honorars erhalte u so fort bei jeder Auflage.

2) Sie machen gleich eine sehr grosse Auflage, so viel Ex. Sie wollen u können u behalten den Verlag auf eine bestimmte Anzahl Jahre, nach deren Ablaufe die Gedichte mir wieder zufallen, jedoch so, dass Sie das Verkaufsrecht behalten.

3) Sie kaufen mir die Waare ein für allemal u für immer ab, u können dann damit machen, was Sie wollen-versteht sich, ohne daran etwas zu aendern.

Natürlich würde ich in diesem letzten Falle meine Bedingungen hoch stellen müssen, da ich die Waare für das Beste halte was ich besitze. Omnia mea mecum porto.

Diese drei Vorschläge sind aus meinem Kopfe entsprungen u da wir Poeten schlechte Geschäftskenner sind, so ist es leicht möglich, dass keiner davon recht praktisch ist. Dafür habe ich denn auch die pekuniären Bedingungen nicht bestimmt. Es wird mir am liebsten sein, wenn Sie sich erst für einen dieser Vorschläge oder eine von Ihnen zu bestimmende Art des Contrakts entscheiden. Alsdann will ich meine pekuniären Bedingungen hinzufügen, oder überlasse es auch Ihnen, zu sagen, was Sie geben wollen oder können.

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