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gung kommt. Ich weiß zwar recht wohl, daß auf Landtagen wenige specielle Fragen vorkommen, die sich nicht auf eine allgemeine zurückführen ließen. Allemal aber ist es ers freulicher, wenn der Streit nicht dem Algemeinen, sondern nur der Anwendung des Allgemeinen auf das Besondere gilt.

Auch in politischer Hinsicht dürfte es nicht unbedenk lich seyn, die Entscheidung des Streites von den Grundsähen des teutschen Bundesrechts abhängig zu machen. Denn, (um dieses nur durch eine einzige Andeutung zu bes ståtigen,) sollte es wohl rathsam seyn, eine Veranlassung oder einen Vorwand zu der Meinung zu geben, als ob die Verfassungen der einzelnen Bundesstaaten jemals durch die Beschlüsse des teutschen Bundes gefährdet werden könnten?

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Aber, es giebt noch ein anderes Recht, an welches die oft erwähnten Bundesbeschlüsse gehalten werden können, das europäische Völkerrecht..

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Die Anwendbarkeit dieses Rechts auf die vorliegende Erörterung braucht nicht auf allgemeine Gründe gebaut zu werden. Man lese nur das Protocoll der 22sten Sigung der teutschen Bundesversammlung vom Jahre 1832 seinem ganzen Inhalte nach. Es werden in demselben die Beschlüsse, welche das Resultat der Sihung waren, nicht etwa als Beschlüsse dargestellt, welche zur Erledigung der in der Bundesacte zur Berathung ausgesetzten Gegenstände oder zur Organisation des Bundes, oder sonst in dem gewöhn= lichen Geschäftsgange zu fassen gewesen wären. Sondern das Protocoll beginnt mit einer Eröffnung oder Declaration, welche im Namen Oestreich's und Preußen's, der beiden Hauptmachte des teutschen Bundes, ar bie übrigen Bun

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desglieder mit dem Antrage gerichtet wird, gewisse Artikel, (an der Zahl sechse,) in förmliche Bundesbeschlüsse zu verwandeln. Erwågt man nun die Art, wie dieser Antrag in der Eröffnung motivirt wird, und vergleicht man diese Motivirung des Antrages mit der politischen Stellung der hohen Mächte, von welchen er ausgegangen ist; so bietet sich von selbst die Folgerung dar, daß der Antrag und_desfen Erfolg auf einem Grundsaße des europäischen Völkerrechtes beruht, dessen Anwendung auf die teutschen Bundesstaaten von jenen Mächten, als europäischen Mächten, den Zeitläuften nach, für dringend nothwendig erachtet ward, auf dem Grundsaße der Intervention.

Die Sache stellt sich nach dieser Ansicht so: Destreich und Preußen sind nicht blos teutsche, sondern zugleich europåische Mächte; sie sind die Mittelglieder, durch welche der teutsche Bund mit der Gesammtheit der europäischen Staa ten zusammenhängt, die Bollwerke des Bundes in Zeiten eines Krieges. Die unzertrennliche Verbindung, in welcher jene beiden Eigenschaften mit einander stehen, bringt es mit sich, daß diese beiden Großmächte, theils in ihrem eigenen Interesse, theils in dem Interesse des gesammten Bundes, das, was in den einzelnen teutschen Bundesstaaten, wenn auch nur in einem oder in einigen, geschieht, zugleich dem Einflusse nach, den es auf den politischen Zustand von Europa hat oder haben kann, in Betrachtung ziehen. Sollten sie nun der Ueberzeugung seyn, daß die und die Ereignisse oder Erscheinungen in jenen Staaten den Frieden von Europa oder die Macht des Bundes, als eines Ganzen, bedrohen; so sind sie in jener ihrer doppelten Eigenschaft zu einer Ins tervention eben so berechtiget, als aufgefordert. In dem

vorliegenden Falle waren sie dieser Ueberzeugung; sie machten also, indem sie ihre Intervention mittelst des oben ans geführten Untrages bewerkstelligten, nur von einem Rechte Gebrauch, welches ihnen, kraft jener ihnen zukommenden doppelten Eigenschaft, dem gemeinen europäischen Völkerrechte nach, unstreitig zustand. Die übrigen Bundesglieder ttaten dem Antrage bei, damit sie den gefährlichen Folgen vorbeugten, welche eine ablehnende Antwort für ihre Staa: ten håtte haben können, und unfehlbar gehabt haben würde.

Zwar sind die Meinungen über das Interventionsrecht getheilt. Der Grundsaß der Nicht-Intervention, d. i. der Grundsak, nach welchem eine Intervention in der Regel unzulässig ist, hat vielleicht eben so viele Freunde, als der Grundsag, nach welchem eine jede Regierung befugt ist, so oft es ihr Interesse mit sich bringt, in den Verfassungs oder Verwaltungsangelegenheiten eines andern Staates eine entscheidende Stimme anzusprechen, und diesen Anspruch nöthigenfalls durch Waffengewalt geltend zu machen. Man wird jedoch finden, daß die Vertheidiger des ersteren Grundfakes, so oft in praxi eine Ausnahme von ihrer Regel vorkommt, entweder einen Grund für die Ausnahme in Bereitschaft haben, oder durch eine neue Unterscheidung mit Erfolg widerlegt werden. Ja, wie sich die Verhältnisse unter den europäischen Staaten dermalen gestellt haben, da unter diesen Staaten eine Verbindung besteht, welche der Idee eines Völkerstaates sehr nahe kommt, dürfte, sogar unter Voraussetzung des erstern Grundsaßes, in Beziehung auf Europa, die Ausnahme zur Regel zu erheben seyn. Auf jeden Fall aber läßt sich die Intervention, welche hier in Frage steht, durch Gründe vertheidigen, welche auch die

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Theorie der Nicht-Intervention als gültig anerkennen muß, Nämlich erstens: Ein Staat, dessen äußere Sicherheit durch Veränderungen bedroht wird, welche in einem andern Staate vorgehen oder getroffen worden sind, ist (ex jure praeventionis) befugt, in den innern Angelegenheiten dieses Staates zu interveniren. Und zweitens: Eine schüßende Macht ist berechtiget, die Bedingungen zu bestimmen, unter welchen sie ihren Schuß dem andern Theile wiederfahren lassen will. Daß sowohl der eine, als der andere Grund, auf den vorliegenden Fall (in facto) anwendbar sey, leuchtet von selbst ein.

Wenn auch hiermit nicht gesagt werden kann und soll, daß es unmöglich sey, Zweifel gegen die Ansichten von dem · Zustande Teutschlands zu erheben, von welchen die genann ten hohen Mächte ausgingen, indem sie sich zu dem mehra, erwähnten Antrage an die Bundesversammlung bewogen. fanden; so liegt doch so viel am Tage, daß sich die Rechtsfrage, ja auch die politische Aufgabe, ganz anders stellt, wenn man jenen Antrag nach dem Interventionsrechte, als wenn man ihn nach den Grundsäßen des teutschen Bundesrechts, beurtheilt.

Man hat den conftitutionellen Monarchieen nicht sela ten den Vorwurf gemacht, daß sie mit dem Systeme der europäischen (auswärtigen) Politik nicht in dem Einklange stehen, in welchem ehemals die Verfassungen der europäischen. Staaten mit diesem Systeme standen. Wohl nicht ohne Grund; denn noch ist so Vieles neu, und nicht durch die Zeit vermittelt und zwiespältig. So viel ist wenigstens gewiß, daß ein verhältnißmäßig kleiner Staat, dessen Verfassung auf den Grundsäßen des Repräsentativsystemes bes ruht, der Gefahr ausgesezt ist, daß denjenigen, welche in

den Kammern Siß und Stimme haben, die auswärtigen Verhältnisse zu fern liegen, um von ihnen nach Gebühr berücksichtiget zu werden. Da dürfte nun der zweite Gea sichtspunct, aus welchem hier die Bundestagsbeschlüsse vom 28. Juni 1832 betrachtet worden sind, vor dem ersten den Vorzug haben, daß er vor dieser Gefahr besonders nach= drücklich warnt.

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Hiermit mag es an allgemeinen Betrachtungen über diese Beschlüsse genug seyn, damit mir nicht zugerufen werde: Ne quid nimis! -

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Ich habe in der Aufschrift dieser Abhandlung der Reichstagsverhandlungen von den Jahren 1670. 1671. gedacht, auf die Vergleichung hindeutend, welche zwischen den das maligen Zeiten und den jezigen angestellt werden kann. Ehe ich jedoch den Versuch mache, die Aehnlichkeiten und Verschiedenheiten zwischen Damals und Jeht anzugeben, muß ich den Gegenstand und den Gang jener Verhandlungen, wenn auch nur in der Kürze, in das Gedächtniß zurückrufen *).

Der westphälische Friede hatte den teutschen Reichsfürsten und Stånden Rechte zugesichert, und sie, besonders die mächtigeren, in Verhältnisse verseßt, für welche die Vergangenheit keinen Maasstab, das Herkommen keine Regel enthielt. Auf dem alten teutschen Boden stand eine neue politische Welt, ein neues Geschlecht. Zwar gab es dem

*) Eine ausführliche Darstellung dieser Verhandlungen findet man in: 3. I. Moser's Abhandlung verschiedener Rechtsmaterien ; auch andere brauchbare und angenehme. Nachrichten und Ans merkungen; im IX., X. u. XI. Stúď. Frff, u. Lpz. 1775. 8,

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