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weil die Wittenberger Theologen, sey es aus religiöser Gefügigkeit in die Fürsten, oder aus Befürchtung für den Bestand ihrer Lehre (oder, fügt Ref. hinzu, weil sie der richtigen Ueberzeugung folgten, daß die Weltangelegenheiten nicht durch das Volk in Masse entschieden werden dürfen), den hartsinnigsten Fluch der Verdammung über die Elenden geschleudert hatten u. s. w." Der Verf. vergißt in seiner Wärme, daß Luther in derselben Zeit, wo er durch eine öffentliche. Schrift die Bauern zur Ordnung wies und ihr Betragen verwarf, auch dem Adel geradezu sagte, sie hätten diesen Aufstand durch ihren Druck veranlaßt. Ueberhaupt ist Ref. der Meinung, daß der kräftige Luther nie temporisirte, und nie gegen seine Ueberzeugung sprach, so oft er auch irren mochte. Wer den Bann und die Reichsacht nicht scheute, und von beiden nicht entbunden ward, wird wohl nicht zu denen zu rechnen seyn, welche ihre Meinung zurückhalten.

Kann nun auch Ref. dem Verf. in dessen Ansicht von dem Bauernkriege nicht beistimmen; so dankt er ihm desto mehr für seine treffliche Darstellung der Belagerung und Erstúrmung Roms im Jahre 1527, welche, wie der Kampf bei Pavia, zu den lebensvollsten Schilderungen des Buches gehören, so daß Ref. den Verf. für besonders befähigt zur ausführlichen und versinnlichten Darstellung von Kämpfen und Schlachten hålt.

Frundsberg erkrankte in Italien, und ward krank nach Mindelheim gebracht, wo er acht Tage nach seiner Rückkehr starb. Er starb verschuldet, und mit Klagen über den Undank der Fürsten. Während seiner Krankheit in Italien be handelte ihn der Arzt Carpo von Ferrara. In welchem Zustande damals die Heilkunde war, sieht man aus der Mittheilung des Verfs. (S. 489):,,Carpo anatomirte einen Menschenkopf, um das Wesen der Krankheit (Frundsbergs) zu erspåhen, brannte den alten Herrn in den Anken mit Gold, und ließ ihn täglich mit kostbaren Delen und Güldenwasser salben, so wie er ein Bad von Baumöl verordnete, in

welchem ein Fuchs gefotten war." Allein weder Brennen mit Gold, noch Baumôl, noch der Fuchs halfen.

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Zum Schlusse erwähnt Ref., daß der Verf. (S. 497), bei der Vergleichung Frundsbergs (des Bayards der Teutschen!) mit Bayard, den Leutschen weit über den französischen Ritter stellt.

Darstellung der Gerichtsverfassung in der Unis versitätsstadt Göttingen, vom Universitätsrathe D. Defterley. Göttingen, 1833, Vandenhöck und Ruprecht. VI u. 170 S. 8.

In einer Zeit, wo die Anhänger des mouvement Alles ohne Ausnahme, was auf geschichtlichem Boden ruht, veråndern und neu gestalten wollen, konnten auch die teutschen Hochschulen solchen Versuchen nicht entgehen. Allerdings fanden sich bei mehrern derselben nicht blos alte, sondern auch veraltete Formen in ihren innern und äußern Verhältnissen; allein die Weisheit der Behörden muß eben darin kund werden, das wirklich Veraltete von demjenigen Alten zu unterscheiden, was noch keinesweges veraltet, sondern, als Grundbedingung des Universitåtslebens, mit seiner Wurzel innig verwachsen ist, und nicht entschieden als verwelktes Blatt oder Reis sich ankündigt. Frankreich ist der sprechende Beweis dafür, wohin es führt, wenn man die Universitäten in einem revolutionairen Sturme vernichtet, und sie durch Specialschulen zu ersehen sucht; denn was war die sogenannte große „kaiserliche Universitåt,“ als ein unzus reichendes Prunkphantom, aufgepußt nach militärischem Zuschnitte, den das geistige Leben, wenn es gedeihen und organisch selbst sich gestalten soll, so wenig vertrågt, als die Kleinlichkeitskrämerei im Einzelnen und Zufälligen, und als die schulmäßige Behandlung der Universitäten und ihrer Lehrer, wodurch man weniger diesen, als dem Staate schadet, dem man, durch einseitiges und fehlerhaftes Experimentiren mit den Universitäten, in einem Zeitalter, das, bei allen

seinen Verirrungen, doch entschieden die Ansprüche an höhere Bildung nachdrücklich geltend macht, die kräftige Einwirkung seiner höchsten Bildungsanstalten auf die wichtigsten Angelegenheiten des Staates verkümmert. Das respice finem ist daher gewiß in unserer Zeit nirgends mehr anzuwenden, als bei dem willkührlichen Verändern und Einreißen in dem Organismus des akademischen Lebens und Wirkens, und bas laissez nous faire, das einst die Pariser Kaufmannschaft dem Herzoge von Choiseul auf dessen gutgemeinte Anfrage: was er für sie thun könne, erwiederten, paßt auch hier.

Zum Glücke für die Blüthe der Wissenschaften, die,. seit den Zeiten des großen Münchhausen, nun bereits 96 Jahre lang Göttingen auszeichnet, und zur Ehre des weisen Ministeriums zu Hannover, ist, wie aus der vorliegenden gehaltreichen Schrift erhellt, der jüngste Sturm der Revolution welcher auch das Königreich Hannover be

rührte

ohne irgend eine Schmålerung ihrer frühern, und mit ihrem geistigen Leben in nothwendiger Wechselwirkung stehenden, Rechte an der berühmten Georgia Augusta vorübergegangen, obgleich auch sie (man vergleiche den Anhang S.110 ff.) mit der Aufhebung und Beschränkung mehrerer ihrer Rechte im Jahre 1831 bedroht ward. Ref. ist überzeugt, daß man in Hannover nie bereuen wird, die einzige Landesuniversität in ihren Rechten nicht verkürzt zu haben, wobei aber Ref. auf den wichtigen Unterschied zwischen einer schon Jahrhunderte lang im Genusse ertheilter Rechte und Privilegien stehenden, und einer erst vor einigen Jahren, nach neuern Zeitbegriffen gestifteten, oder erst noch zu errichtenden Üniversität aufmerksam macht. Denn so wenig man im Jahre 1833 ein neues Schloß im Style des Schlosses zu Herrenhausen erbauen dürfte; so wenig folgt doch daraus, daß man das Schloß zu Herrenhausen niederreißen müsse, weil der Styl seines Baues das Gepråge seines Jahrhunderts trågt,

In dem gegenwärtigen Zeitalter der Bewegung, die auch die Arme nach den Universitäten ausstreckt, ist daher

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ein Werk, wie das vorliegende, eine höchst erwünschte Eri scheinung. Es zeigt den Zustand der Stadt und Universität Göttingen, besonders die Gerichtsverfassung derselben, im Augenblicke der Gegenwart, und nach der sogenannten Hannoverschen Revolution. Es beweiset, daß man åndern und fortbilden kann, ohne zu zerstören; es bewährt, daß die Beibehaltung wohlerworbener Rechte neben der Einführung constitutioneller Formen ins Staatsleben möglich ist.

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Der reiche Inhalt zerfällt in sechs Abschnitte: 1) von der Justizcanzlei und dem Pupillencollegium; 2) von der Stadtobrigkeit; 3) von dem Umte Göttingen; 4) von den Universitåtsbehörden; 5) von den Militairgerichten; 6) von den Polizeibehörden. Der Anhang enthält Anmerkungen zur vierten Abtheilung, über einige, die Verfassung und Verwaltung der Universitåt betreffende, Gegenstånde [a) über akademische Gerichtsbarkeit; b) über den Wechsel der Prorectoren; c) über Feierlichkeiten beim Prorectoratswechsel; d) über Speise-, Schwimm- und Badeanstalten ; e) über Dienstthätigkeit der Unterbehörden in Beziehung auf Disciplin; f) über Berbindungen unter Studirenden; g) über Rechtsmittel gegen Disciplinarerkenntnisse ; h) über Vergnügungen der Studirenden; i) über das Creditedict; k) von der Vorsorge des Gouvernements in Rücksicht auf den Flor und das Gebeihen der Universitåt; 1) über die Unruhen im Jahre 1831].

Schon diese Uebersicht des Inhalts verbürgt, welche wichtige Gegenstände aus dem Universitätsleben hier besprochen werden. Es wird also dieses, mit Gründlichkeit, Sachkenntniß und in ruhigem, würdevollem Tone geschriebene, Buch gewiß die Aufmerksamkeit aller Universitätsbe hörden zur Prüfung und Beherzigung auf sich ziehen, weil wohl Keiner in Abrede stellt, daß Göttingen seit beinahe 100 Jahren als Musteruniversität in Teutschland nach ihrer trefflichen Organisation und nach ihrer reichen Ausstattung galt, und daß die später gestifteten Univer

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fitåten größtentheils diesem vorleuchtenden Muster nachgebildet wurden.

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Ref. könnte einige Bogen füllen, wenn er nur die wichtigsten und treffendsten Stellen aus dieser Schrift ausheben wollte. Er muß sich aber auf einige beschränken, die eben den Interessen der Gegenwart am nächsten liegen. Der Verf. gedenkt (S. 110 ff.) der Vorschläge und Versuche in dem Jahre 1831, die akademische Gerichtsbarkeit aufzuheben. Nachdem er die Stimmen der Gegner derselben ruhig abgehört hat, giebt er seine — hier abgekürzte Eri klärung dahin ab: Was sich auch gegen rein persönliche Eremtionen mit Grund anführen lassen mag; so trifft dies doch nicht solche, welche zugleich in Rücksicht der Gegenstånde und der anzuwendenden Geseze statt finden. Nicht die Person der Studirenden allein ist es, welche hier in Betracht kommt, sondern vorzüglich die Sache, welche zu beurtheilen, die Form, nach welcher zu verfahren, und die Gesehe, nach welchen zu entscheiden ist; und selbst in den Staaten, wo fast alle persönliche Eremtionen aufgehoben sind, hat man in dieser Hinsicht besondere Gerichte für nothwendig erkannt." Diese Nothwendigkeit motivirt der Verf. auf mehrern Seiten mit schlagenden Gründen. - S. 120 ffl erklärt er sich in Betreff der Gerichtsbarkeit über die Lehrer und die übrigen Angehörigen der Unis versitåt. Er gedenkt der gethanen Vorschläge, jene der Canzlei, diese der Stadtobrigkeit zu Göttingen zu unterwerfen, und stellt sodann folgendes Resultat auf: „Wenn von der Errichtung einer neuen Universität die Rede wåre; so könnte vielleicht eine Einrichtung der obigen Art rathsam fcheinen. Allein bei einer Universität, welcher, durch die ihr ertheilten Privilegien, die Gerichtsbarkeit über die Lehrer verliehen ist, und wo sich ein vollständig besektes Gericht befindet, dem sich die Lehrer nicht zu entziehen wünschen, ist überall kein erheblicher Grund zu finden, warum siè an andere Gerichte verwiesen werden sollten.

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