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zu bringen. So haben E. Müller 1) und Pazschke 2) gethan. Insofern auch Humboldt in seinem Excurse eine ähnliche Methode befolgt, erklärt sie sich zur Genüge aus den individuellen Zwecken des Werkes.

Wer da suchet, der findet. Es konnte nicht fehlen, daß eine reiche Blumenlese, die sich in's weite vermehren ließe, zusammenkam. Es wird sich indessen zeigen, daß dieser Weg ziellos verlaufe, durch wie anmuthige Gefilde er uns auch führe. Die Täuschungen dieses Jrrpfades sind nicht schwer aufzuweisen. Es wird hier in eine psychologische Untersuchung ein Moment eingeführt, das zuletzt als ein wahrer Werthmesser anzuerkennen wäre. Nichts ist hier weniger entscheidend als ein quantitatives plus oder minus. Das лошτоv yevdos dieser Methode ist die Annahme, daß die dunkele Welt der Gefühle und was die Tiefen des empfindenden Gemüthes bewegt, auch überall zur klaren, unverhaltenen Objectivirung gelange; die Behauptung: nichts sei in sensu, was nicht auch in intellectu sei; die bedeutungslose Verkehrung des bekannten Philosophems. Diese Methode verkennt, daß der Weg von der Empfindung bis zur Helle des Bewußtseins ein weiter ist, und nicht minder weit derjenige, welcher von dort in das Reich mittheilender Rede und Schrift führt; sie verkennt, wie oft die Kraft, die Wahrheit und die Allgemeinheit der Eindrücke des Gemüthes im umgekehrten Verhältniß stehe zu der Klarheit und Ruhe bewußter Betrachtung, dem Triebe und Vermögen, ihnen durch Worte äußeres Dasein und gleichsam Bestand zu geben.

1) Ueber Sophocleische Naturanschauung, Liegnitz 1842.

2) Ueber die Homerische Naturanschauung, Stettin 1848 (die beiden letten Schriften find Schulprogramme).

Die Macht der Natur ist unentfliehbar; nicht nur über das Bedürfniß des Menschen und den ganzen Kreis seines physischen Daseins in gleicher Weise unumschränkt herrscht sie im Reiche der Empfindungen und Gefühle. Sie schafft den Menschen nach ihrem Bilde, ehe er die weiten Wege der Cultur gegangen, und schließt mit geheimnißzvollen Banden sein Leben mit dem ihrigen zusammen. W. von Humboldt sagt einmal, man könne annehmen, daß jede leidenschaftlichere oder doch tiefere Empfindung ihren ursprünglichsten Grund in den Eindrücken der äußeren großen Natur habe, auch ohne daß wir es selbst im Einzelnen bemerkten. Und von keinem Volke ließe sich doch im höheren Sinne als von den Griechen behaupten sein ganzes Leben sei von der Natur beherrscht worden. Hierin sind auch alle diejenigen einig, welche über das Naturgefühl der Alten das ungünstigste Urtheil abgaben. Bernhardy sagt: die Natur hatte sie ganz gebildet. Völlig unbefangen wird überall das Ariom aufgestellt: die nationale Eigenthümlichkeit vermöge aus der umgebenden Natur durchschaut und erklärt zu werden; zwischen beiden walte die tiefste Analogie, die ganze Landschaft sei das getreue, sprechende Gegenbild des Lebens, der geistigen Eigenthümlichkeit eines Volkes 1) — und dennoch soll die Mutter dem Kinde fern und fremd geblieben sein; die herrlichste Natur, wie sonst nirgends, hat die Alten rings umgeben, und doch soll Phantasie und Gemüth dieselbe nicht in congenialer Weise ergriffen haben.

1) Wir verweisen auf die herrlichen Ausführungen Vischers in der Aesthetik; da wird klar, was es mit der sympathetischen Einheit von_natürlichem und geistigem Dasein auf sich habe; und Vischer betrat unseres Wissens diesen Weg zuerst.

Man übersah, daß gerade jenes Dunkel, das geheime Walten und Weben, jene verborgene Stille der Seele das Lebenselement der Empfindung ist; sie ist lange vorhanden, ehe das Bewußtsein bei ihr verweilt. Selbst die ursprünglichsten, tiefsten und allgemeinsten Erregungen des Gemüthes werden erst als leztes, spätes Resultat langer geschichtlicher Entwickelungen in das scharfe Tageslicht der Reflerion hervorgebracht. Freilich mag man hier den alten Spruch einwenden: wes das Herz voll ist, des geht der Mund über; und es ist wahr: ein Gefühl, welches in völliger Stummheit verborgen bliebe, müßte eben als nicht vorhanden angesehen werden. So steht es nun aber in unserer Frage auf keine Weise. Wird auf der einen Seite, und das mit Recht, auf den verhältnißzmäßig großen Mangel des eigentlich Naturbeschreibenden hingewiesen, und rücken andere dagegen mit einer nicht verächtlichen Schaar von Beweisstellen aus der gesammten alten Literatur in's Feld, so hatte man in diesem Kriege ohne Ende eben nicht bedacht, ob man gesucht habe, wo und wie man hätte suchen sollen. Man vergaß, daß die erregte Empfindung, das gerührte Gemüth, der entzückte Sinn auf hundert anderen Wegen als auf denen der erplicirten Schilderung, des absichtlichen Preises, des reflectirten Ausdrucks des Empfundenen sich äußert, ohne Absicht, instinctiv, nach innerer Nothwendigkeit. So viel ist hier schon klar: wir müssen in unserer Untersuchung überall auf die eigenthümliche Geistesart des Alterthums zurückgehen; wir müssen zunächst fragen, wie konnte sich auf diesem Standpunct geistiger Entwickelung die innere Welt der Empfindung nach außen hin verrathen und reflectiren. Ehe wir hiemit an den Kernpunct der Untersuchung hinantreten, bleiben einige Argu

mente zu erörtern, die man von außen in dieselbe eingeführt hat.

In der mangelhaften Ausbildung der Landschaftsmalerei bei den Alten hat man den,,sprechendsten Beweis" (Pazschke S. 1) dafür sehen wollen, daß den Alten die innige Empfindung für die Natur, wie sie uns Modernen eigen sei, gefehlt habe. Aber ein solcher Beweis spricht nur für eine gründliche Unkenntniß der geistigen Entwickelung und der geschichtlichen Bedingungen, unter denen allein die Kunst der Landschaftsmalerei entstehen konnte. Es würde uns zu weit führen und hieße uns vorgreifen, wollten wir hier entwickeln, weshalb dieser Kunstzweig in seiner reiferen Ausbildung allein der Welt des modernen Bewußtseins angehören kann. Jenes Argument ist aber auch nichtig, weil es zu viel beweist. Es trifft nicht in besonderer Weise auf die Griechen und Römer zu, sondern in gleicher Weise auf alle Völker des Alterthums in der weiteren Bedeutung des Wortes; auf Völker, denen man im Gegensaß zu den genannten einen geöffneten Sinn für die Wunder der Schöpfung beilegte, ja selbst auf die germanischen Nationen, über welche nun einmal nach landläufigem Urtheil der echte Sinn für die Natur ohne Maß ausgegossen sein soll, bis da, wo sie in ihrer geistigen Entwickelung die Marken der Neuzeit überschreiten. Man kann sagen, diese Kunst ist wie ein nachgeboren Kind; wo sie als ein abgesonderter Zweig im vollen Bewußtsein ihrer Selbstständigkeit und ihrer Ziele auftrat, war das goldene Zeitalter der Malerei entschwunden. So könnten wir mit gutem Rechte diese Frage ganz aus dem Kreise unserer Untersuchung verweisen. Nur einige wenige Bemerkungen sei es erlaubt hinzuzufügen. Die Untersuchung darüber, was die Alten in den

Anfängen der Landschaftsmalerei geleistet haben, kann sicher nicht für abgeschlossen gelten. Bei den spärlichen Nachrichten und den noch spärlicheren Resten, die der Vandalismus früherer Zeiten uns hinterlassen, wird man es schwerlich zu einer klaren Anschauung davon bringen. Am wenigsten wäre ein Schluß aus den Gemälden einer kleinen Provinzialstadt wie Pompeji auf die ganze Entwickelung griechisch-römischer Kunst zulässig, zumal jene Wandmalereien nur den allerkürzesten Zeitabschnitt repräsentiren. Von den Vasenbildern, welche in der Farbengebung eine so geringe Abwechselung und Nüancirung aufweisen, konnte schon Niemand eine eingehendere Behandlung landschaftlicher Motive erwarten. Denn die Seele der Landschaft ist ein reiches Colorit, das sich in den unendlichen Mischungen und Uebergängen der Farben bewegt. Schon die scharfen Umrisse der Zeichnung, die ge= ringe Abstufung des Colorits verlangten als entsprechenden Vorwurf die klaren und nothwendigen Formen menschlicher und thierischer Gestalt. Sollte hier das relativ Höchste erreicht werden, so konnte das Landschaftliche nur in der Form symbolischer Andeutung oder der Personificirung des Locales aufgenommen werden.

Den entschiedensten Einmischungen landschaftlicher Motive mögen wir in den Gemäldebeschreibungen der Philostrate begegnen. Was diese aber betrifft, so glauben wir, das treffliche Buch von Friederichs 1) befreie gründlich von dem Wahne, als hätten dieselben einen anderen Ursprung, als in der geschmacklosen und eitelen Phantasterei jenes Rhetorenpaares, und dazu dürfen wir uns auch gewiß im Interesse unserer

1) Die Philostratischen Bilder. Erlangen 1860.

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