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Uebrigens ist wol anzunehmen, dass Vergil bei der Erwähnung der Mondhelle jener für Troia verhängnissvollen Nacht der alten Sage folgte und dass er insbesondere den Vers des Lesches νὺξ μὲν ἔην μέσση, λαμπρὴ δ ̓ ἐπέτελλε σελήνη

vor Augen hatte. Vgl. Tzetzes zu Lykophr. 344 τότε καὶ ἀπατηθέντων δόλοις τοῦ Σίνωνος καὶ ἑλκυσάντων τοῦτον περὶ τὴν πόλιν καὶ μέθῃ καὶ χαρᾷ καὶ ὕπνῳ συσχεθέντων αὐτὸς ὁ Σίνων, ὡς ἦν αὐτῷ συντεθειμένον, φρυκτὸν ὑποδείξας τοῖς Ἕλλησιν, ὡς ὁ Λέσχης φησίν, ἡνίκα

νὺξ μὲν ἔην μέσση, λαμπρὴ δ ̓ ἐπέτελλε σελήνη.

C

Schol. Eurip. Hec. 892: Καλλισθένης ἐν δευτέρῳ τῶν Ἑλληνικῶν οὕτω γράφει· Εάλω δ ̓ ἡ Τροία Θαργηλιώνος μηνὸς ὡς μέν τινες ἱστορικῶν ὀγδόῃ ἱσταμένου, ὡς δὲ ὁ τὴν μικρὰν Ιλιάδα πεποιηκὼς ὀγδόῃ φθίνοντος. Διορίζει γὰρ αὐτὸς τὴν ἅλωσιν φάσκων συμβῆναι τότε τὴν κατάληψιν, ἡνίκα

νὺξ μὲν ἔην μέσση, λαμπρὴ δ ̓ ἐπέτελλε σελήνη.

Μεσονύκτιος δὲ μόνον τῇ ὀγδόῃ φθίνοντος ἀνατέλλει. Vgl. Clemens Alex. Strom. I 381. — Tzetzes hat diesen Vers mit geringer Aenderung in seine Posthomerica aufgenommen (773); νὺξ δ ̓ ἄρ ̓ ἔην μέσση, λαμπρὴ δ ̓ ἐπέτελλε σελήνη.

Aen. II 420 ff.

illi etiam, si quos obscura nocte per umbram
fudimus insidiis totaque agitavimus urbe,

apparent; primi clipeos mentitaque tela

adgnoscunt atque ora sono discordia signant.

Dass unter illi die V. 399 f. (diffugiunt alii ad navis et litora cursu fida petunt) bezeichneten Griechen gemeint sind, ist unzweifelhaft; der Ausdruck totaque agitavimus urbe entspricht der früher gebrauchten Bezeichnung diffugiunt ad navis etc. Was den Sinn dieser ganzen Stelle betrifft, so ist Weidner's ausführliche Erörterung richtig, mit Ausnahme der die Worte atque ora sono discordia signant betreffenden Bemerkung. Auf die Frage, warum gerade die V. 399 bezeichneten Griechen und nicht die anderen 414 erwähnten zuerst die falsche Waffenrüstung der Troianer erkennen, muss mit Weidner geantwortet werden: „Einfach weil die letzteren noch gar

nicht wussten, mit wem sie es zu thun hatten, sie kämpften nur um Cassandra, welche man ihnen entrissen hatte; die ersteren aber erkannten in den als Griechen verkleideten Troianern sofort ihre Verfolger wieder, sie wurden aufmerksam, als sie sahen, dass dieselben scheinbaren Griechen jetzt um die Befreiung der Cassandra kämpften, was doch wahre Griechen nicht gethan haben würden"

u. S. W.

Die Worte atque ora sono discordia signant beziehen manche, indem sie sono für den Ablativ halten, entweder auf die Verschiedenheit der Sprache, andere wenigstens auf eine in der Aussprache sich irgendwie zeigende Verschiedenheit. So meinte Weidner, dass die früher getäuschten Griechen ihre Stammesgenossen, weil die Ausrüstung Griechen und Troianer nicht mehr unterscheiden liess, auf die Verschiedenheit der Sprache aufmerksam machten. „Diese Verschiedenheit," fügt er hinzu, „wird nicht etwa gefunden in einer ganz verschiedenen Sprache, sondern nur in der Verschiedenheit des Tones, des Klanges der Stimme, also ganz wie bei Homer, wo das Organ der Troer auch rauher erscheint, als das der Griechen." Und Ladewig erklärt: „an dem Tone, dem Accent, machen sie (die illi in V. 420) den übrigen Griechen die mit der ihrigen nicht übereinstimmende Rede kenntlich." Daran, dass der Dichter die Verschiedenheit der Sprache der Griechen und der Troer bezeichnen wollte, ist natürlich am allerwenigsten zu denken. Es wäre dies das einzige Beispiel nicht bloss in der Aeneis, sondern überhaupt das einzige in der älteren epischen Poesie. *) Es mag uns noch

*) Bei Homer haben manche in den Worten B 867 Kaṇāv fagßagopávov eine derartige Hindeutung auf Sprachverschiedenheit gefunden. Aber im Hinblick auf Thuk. I 3 und da bei Homer die Griechen mit den Troern und diese mit ihren Bundesgenossen wie mit ihren eigenen Landsleuten sich unterreden und da Odysseus auf seinen Irrfahrten sofort mit den Bewohnern jedes Landes ohne Schwierigkeit spricht, können die „fremdzüngigen Karer" (wie manche übersetzen) für einen überwundenen Standpunkt gelten. Das Wort bezeichnet vielmehr nur die „raubstimmigen Karer", sowie die Zivties άyglópavoι ↑ 294 die wildstimmigen Sintier sind. Es beziehen sich diese Epitheta auf die Stimme, und es ist dies um nichts auffallender, als wenn andererseits durch mancherlei Ausdrücke die liebliche Stimme bezeichnet wird, z. B. μɛilizóynovs (von der Zunge des Adrastos bei Tyrt. 3 8), pɛliynovs

so sehr auffallen, dass im griechischen und römischen Epos *) der Verkehr zwischen Griechen und anderen Völkern oder zwischen Troern und anderen Völkern u. s. w. so durchaus glatt vor sich geht und dass auf das trennende Hinderniss der Sprachverschiedenheit durchaus keine Rücksicht genommen wird: die Thatsache selbst lässt sich nicht läugnen, dass die alten Dichter dies Moment gar nicht berücksichtigten und dass ihnen gar nicht die Befürchtung aufstieg, die Hörer oder Leser könnten die Frage aufwerfen: Wie kommt es denn, dass die Griechen so ohne weiteres mit Troern und den Bundesgenossen derselben (Ilias), dass sie mit den Bewohnern der verschiedensten Länder reden (Odyssee), dass Troer mit Griechen, Karthagern, Latinern u. s. w. (Aeneis) ungehindert verkehren, ebenso Griechen mit den Kolchern und anderen Völkern (Argonautika des Apollonios und G. Valerius Flaccus)? Es ist dies eine ideale Ignorierung der in der Wirklichkeit vorkommenden Hindernisse, eine Ignorierung, wie sich dieselbe der Realismus neuerer Romandichter nicht gestatten dürfte, ohne von dem lesenden Publicum hierüber zur Rede gestellt zu werden.

Aber auch die Auffassung Weidner's, Ladewig's u. a. erscheint nicht annehmbar. Ladewig scheint gemeint zu haben, dass die wahren Griechen diese falschen und maskirten Griechen an dem fremdländischen Accent (dies Wort gebraucht ja Ladewig), mit dem sie das Griechische sprachen, erkannten. Dies wäre aber ebenso sonderbar und einzig in seiner Art, wie die Annahme, dass die verkappten Griechen an der Verschiedenheit der Sprache erkannt wurden. Auch Weidner's Meinung, dass bei sonus bloss an eine Verschiedenheit des Klanges der Stimme zu denken ist, ist nicht stichhaltig. Weidner dachte daran, dass die Troer sich dadurch verriethen, dass ihr Organ rauher war; aber an eine Rauhheit oder Härte des Organs (wie sie etwa durch Kapov ßaoßagoчávov oder Σίντιας αγριοφώνους bezeichnet wird kann Vergil, bei dem sich

(ebenfalls von Adrastos bei Plat. Phaidr. 269 A), μɛilizówvos oder μɛlipovos (bei der Sappho frg. 129 Bergk, vgl. Aristainetos I 10 und Philostr. Imagg. II 1), áðvpávois õętvğı (Pratinas bei Ath. IX 392 F)

u. S. W.

*) Dasselbe gilt aber auch von den Epen anderer Völker.

sonst nicht der leiseste Anhaltspunct hiefür findet, auch nicht gedacht haben. Wir gehen gewiss nicht fehl, wenn wir annehmen, dass Vergil Rauhheit im Klange der Stimme höchstens als Eigenschaft einzelner Troianer (aber eben so gut auch einzelner Griechen) hätte annehmen können; als unterscheidendes Merkmal des ganzen troischen Volkes gegenüber den Griechen hätte er dies sicherlich nicht gelten lassen. Wie Weidner dazu kam, zu behaupten, dass bei Homer das Organ der Troer rauher erscheine als das der Griechen, ist mir unklar. Vielleicht liegt hier eine Verwechslung mit den Kãoes Bagßagógovor zu Grunde? oder vielleicht eine irrthümliche Reminiscenz an den von Lessing (im Laokoon I) hervorgehobenen Unterschied, der aber ganz anderer Art ist, Пlias г 2

Τρῶες μὲν κλαγγῇ τ' ἐνοπῇ τ ἴσαν, ὄρνιθες ὡς und ebend. 8 οἱ δ ̓ ἄρ ̓ ἴσαν σιγῇ μένεα πνείοντες Αχαιοί, ἐν θυμῷ μεμαώτες αλεξέμεν ἀλλήλοισι.

Aber eine homerische Stelle, die Weidner's Behauptung rechtfertigen würde, ist mir nicht bekannt.

Ich erkläre die Stelle: „und sie zeigen an,*) dass das Aussehen dieser Männer ihrer Rede widerstreite, d. i. dass sie in der Rede für Griechen sich ausgeben, aber, wenn man genauer zusieht, anders aussehen, dass man trotz ihrer Rede sie als Troianer erkennen könne." Ich nehme es als eine selbstverständliche Voraussetzung an, dass die als Griechen sich gebärdenden Troianer auch durch ihre Worte (etwa durch kurze Ausrufe u. dgl.) die Griechen täuschen wollten, dass sie sich auch sono für Griechen ausgaben. Allerdings führt Vergil keine derartigen Äusserungen und Ausrufe dieser Troianer ausdrücklich an; sie können aber nichts destoweniger vorausgesetzt werden, da es unnatürlich gewesen wäre, wenn die Troer, ohne einen Laut von sich zu geben, stumm gekämpft hätten. Auch bei der Begegnung mit Androgeos, der die Troianer für Griechen hielt, verhielten sie sich nicht stumm,

*) Signant bezeichnet eine weitere Folge des adgnoscunt. Sowie sie selbst die List der Troer erkannten, so gaben sie auch den anderen Griechen dies kund, worauf dann alle Griechen vereint auf die Begleiter des Aeneas einstürmen (ilicet obruimur numero V. 424).

wie aus V. 376 f. neque enim responsa dabantur fida satis hervorgeht. Den vom Dichter hier gesetzten Ausdruck sonus halte ich für einen absichtlich und passend gewählten; es soll damit bezeichnet werden, dass die Worte, mit denen die Troer sich für Griechen ausgaben, nichts anderes als leerer Schall seien, der im Widerspruch zur Wirklichkeit stehe; vgl. z. B. Cic. Tusc. V 26 73 dicatque nos in vocibus occupatos inanes sonos fundere; vgl. inani voce sonare Cic. Fin. II 15 48. Wenn man einwenden sollte, warum der Dichter nicht lieber statt sono etwa armis setzte, um die wichtigste Disharmonie zwischen der falschen Rüstung und der Wirklichkeit zu bezeichnen; so ist leicht zu antworten, dass eben dies Moment bereits in den Worten primi clipeos mentitaque tela adgnoscunt berührt wurde. Auch ora ist sehr passend; die anderen Griechen wurden von denjenigen, welche die List durchschaut hatten, aufgefordert, sie sollten sich doch nur diese für Griechen sich ausgebenden Männer genauer ansehen, um bekannte Gesichter zu finden; einen Aeneas, einen Epytus u. a. troische Helden mussten ja die Griechen aus früheren Kämpfen sehr gut dem Aussehen nach kennen.

Sono halte ich, wie aus der obigen Darstellung hervorgeht, für einen von discordia abhängigen Dativ. Vgl. für diese Construction z. B. Vell. II 37 2; Tac. Ann. III 42; XI 6; XIV 38; ferner die Verbindung von discrepare und distare mit dem Dativ z. B. Hor. Carm. I 27 6; Sat. I 6 92; II 3 108. Ep. II 2 194; Ep. I 18 4 (infido scurrae distabit amicus); Carm. IV 9 29 (paullum sepultae distat inertiae celata virtus).

Aen. II 442 ff.

haerent parietibus scalae postisque sub ipsos
nituntur gradibus clipeosque ad tela sinistris
protecti obiciunt, prensant fastigia dextris.
Dardanidae contra turris ac tota domorum

culmina convellunt; his se, quando ultima cernunt,
extrema iam in morte parant defendere telis.

Ich halte im V. 445 das von der Minderzahl der Handschriften dargebotene tota für die echte Leseart. Das in den meisten Hand

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