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VORWORT.

Sollte es mir in diesem Bändchen gelungen sein, die Erklärung des Vergil weiter gefördert zu haben, so verdanke ich das zum grossen Theile der Ausgabe des Herrn Hofmann Peerlkamp, der, wenn er auch selbst nur wenig zum besseren Verständniss des Vergil beigetragen hat *), doch durch die scharfe und einschneidende Kritik, welche er gegen den Text des Dichters übt, die Unhaltbarkeit mancher allgemein angenommenen Erklärungen aufgedeckt und auf viele der Erklärung bedürftige, aber von den früheren Herausgebern unerklärt gelassene Stellen aufmerksam gemacht hat. Natürlich konnte ich in dieser Ausgabe meist nur die Resultate meiner Forschungen niederlegen; eine Rechtfertigung meiner Abweichungen vom Wagner'schen Texte und eine Begründung meiner neuen Erklärungen behalte ich mir für spätere Abhandlungen vor. Schliesslich spreche ich meinem Freunde, dem als Schulmann und Gelehrten gleich bewährten Herrn Professor Ameis, für die wohlwollende und eingehende Beurtheilung des ersten Bändchens dieser Ausgabe in den Jahn'schen Jahrbb. 1851. Heft 4 und 5 meinen wärmsten Dank aus, und hoffe, derselbe werde finden, dass die von ihm gegebenen Winke und Andeutungen auf den Umfang und die Fassung der Anmerkungen in diesem Bändchen entschiedenen Einfluss geübt haben.

Bei dieser neuen Auflage habe ich zu den einzelnen Anmerkungen die betreffenden Verszahlen hinzugefügt, mich in der Orthographie und Interpunction von Wagner unabhängig gemacht und endlich den Text und die Erklärung in Folge eigener Weiterforschung und gewissenhafter Berücksichtigung fremder

*) Ich verweise deshalb auf Jahn's Recension der Peerlk. Ausgabe in den Jahrbb. für Phil. 1845. Heft 1. und auf meine Beurtheilung in der Jen. Litt. Ztg. 1845. No. 86-88.

Ansichten vielfach geändert. Da die in Aussicht gestellte kritische Ausgabe des Vergil von Ribbeck noch nicht erschienen ist, so musste ich für jetzt auf dem von Wagner mit so viel Geschick und Umsicht eingeschlagenen Wege fortfahren und mich nach dem Vorgange von Paldamus noch enger an den Medic. anschliessen, als es bei der 1. Auflage geschehen war. Rücksichtlich der Erklärung einzelner Stellen und der Form der Anmerkungen verdanke ich den Recensenten der 1. Auflage und den Gelehrten, die in Gelegenheitsschriften für Förderung der Vergilerklärung gewirkt haben, gar viel und ergreife diese Gelegenheit mit Freuden, um den Herrn Dietsch, Haeckermann, Henry, Hoffmann, Schenkl und Schrader meinen aufrichtigsten Dank für die vielfache Belehrung und Anregung, die ich aus ihren Schriften geschöpft habe, auszusprechen.

Das Neue, was diese 3. Aufl. bietet, verdanke ich grösstentheils meinem Freunde Ameis, der mir auf meine Bitte um einige Beiträge für die neue Auflage seine mit reichlichen Marginalien versehenen Handexemplare des Vergil mit der grössten Liberalität zu beliebiger Benutzung zustellte. So wurde ich nicht nur veranlasst, einigen der Erklärung bedürftigen Stellen ihr Recht zukommen zu lassen und manche meiner Bemerkungen schärfer zu fassen oder vor Missverständnissen zu sichern, sondern auch in den Stand gesetzt, das Verständniss der Aeneis namentlich in den Stellen: I, 361. 387. 445. 563. II, 102. 131. 721. III, 61. 256. 306. 382. IV, 142. 229. 339. 362. 424. 435 –36. V, 55. VI, 313. 561. 897 wesentlich zu fördern. Im Uebrigen schritt ich auf dem bisher eingeschlagenen Wege fort, vertauschte die Verweisungen auf die Grammatik mit eigenen Bemerkungen und suchte die Interpunction, so weit es ohne die Gefahr, Missverständnisse zu veranlassen, möglich war, zu vereinfachen.

Neustrelitz, im Sept. 1857.

Th. Ladewig.

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P. VERGILI MARONIS

AENEIDOS

LIBER PRIMUS.

Ille ego, qui quondam gracili modulatus avena
Carmen, et egressus silvis vicina coëgi,

Ut quamvis avido parerent arva colono,
Gratum opus agricolis, at nunc horrentia Martis

Arma virumque cano, Troiae qui primus ab oris
Italiam fato profugus Laviniaque venit

Seesturm. Aeneas bei der Dido in Carthago.
Der Verfasser dieser

Ille ego.
4 einleitenden Verse ist unbekannt;
hat Verg. sie verfasst, so hat er sei-
ne Aeneide doch sicherlich erst mit
den Worten Arma virumque cano
begonnen. Was die Grammatiker
über diese Verse berichten, ist Einl.
p. VI. mitgetheilt.

1-7. Inhalt des Epos: die Kämpfe und Irrfahrten des Aeneas. Das fatum hat den Aeneas zum Gründer eines Reiches in Italien bestimmt, die ihm feindlich gesinnte Juno aber sucht die Erfüllung des Fatum hinauszuschieben: darum hält sie ihn lange von Italien fern, und verschlägt ihn in andere Länder, aus denen ihn die Macht der Götter, welche für die Erfüllung des Fatum Sorge tragen, nach kurzer Rast weiter treibt. Als er endlich in Italien angekommen ist, erregt ihm die Juno blutige Kriege, bis es ihm zuletzt gelingt, Lavinium zu gründen und den mitgebrachten Göttern Anerkennung und Verehrung in der Vergil II. 3. Aufl.

neuen Heimath zu verschaffen. Die Folge davon ist die Vereinigung der Trojaner und der Ureinwohner Italiens unter dem Namen der Latini, die Gründung Alba's und endlich die Erbauung Roms. So erkennen wir aus dieser Einleitung: 1) den Plan des Dichters, in seinem Epos Schlachtengemälde zu entrollen, wie sie die Ilias bietet, und Abenteuer vorzuführen, wie sie uns in der Odyssee entgegentreten; 2) den religiösen Sinn des Dichters, dem alle menschlichen Handlungen durch das Walten der Gottheit bedingt sind; 3) den Nationalstolz Vergils, der sich in der Wahl des Stoffes zeigt, und seinen Ausdruck findet in v. 33.

1. primus. Das von dem Trojaner Antenor gegründete Patavium (s. unten v. 242-49.) wurde nebst der ganzen Gallia cisalpina erst unter Augustus ein integrirender Theil Italiens.

2. Laviniaque (s. Einl. p. VII.)

1

Litora, multum ille et terris iactatus et alto

Vi superum, saevae memorem Iunonis ob iram, 5 Multa quoque et bello passus, dum conderet urbem Inferretque deos Latio, genus unde Latinum Albanique patres atque altae moenia Romae.

Musa, mihi caussas memora, quo numine laesa Quidve dolens regina deum tot volvere casus 10 Insignem pietate virum, tot adire labores Inpulerit. Tantaene animis caelestibus irae? Urbs antiqua fuit, Tyrii tenuere coloni, Carthago, Italiam contra Tiberinaque longe Ostia, dives opum studiisque asperrima belli, 15 Quam Iuno fertur terris magis omnibus unam Posthabita coluisse Samo: hic illius arma,

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litora ist nähere Erklärung zu Italiam. Lavinius ist das Adj. zu Lavinium, einer von Aen. gegründeten Stadt Latium's, s. zu v. 12. 3. ille, s. zu A. V, 457. 4. vi superum, vgl. Hom. Od. XVII, 119.

5. Mit den Worten et bello wird die vorhergehende Eintheilung et terris et alto fortgeführt und zum Abschluss gebracht. Uebrigens vgl. Hom. Od. I, 4.

8-11. Ein vir pietate insignis konnte eine Gottheit nicht durch Missachtung ihrer göttlichen Hoheit oder durch persönliche Kränkung verletzen; zog er sich dennoch ihren Zorn zu, so konnte das nur dadurch geschehen, dass er unbewusst (d. h. als Werkzeug in der Hand eines andern Gottes) die Pläne der Gottheit durchkreuzte, oder einem Geschlechte angehörte, das sich den Zorn der Gottheit zugezogen hatte. Beides galt vom Aeneas, indem 1) das Fatum sich seiner als Werkzeuges bediente, um durch ihn den Grund zum römischen Weltreiche legen zu lassen, während die Juno die Weltherrschaft gern ihren Lieblingen, den Karthagern, verschafft hätte; 2) indem er dem trojanischen Volke angehörte, das der Juno aus den v. 24-28 angegebenen Ursa

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chen besonders verhasst war.

8. quo num. laesa, durch welche Gottheit verletzt. Die Muse, welche dem Dichter auf seine Fragen v. 811 Auskunft ertheilt, deren Inhalt die V. 12-32 berichten, belehrt den Dichter, dass sich nicht eine einzelne Gottheit, sondern das Fatum des Aeneas zur Ausführung von Plänen, welche einen Lieblingswunsch der Juno vereiteln, bedient hat.

9. quidve dolens. Die Gründe dieser Empfindlichkeit werden v. 26 28 angegeben.

12. Vergil nennt Karthago eine urbs antiqua aus dem Gesichtspunkte seiner Zeit, nicht nach den Zuständen der erst folgenden epischen Erzählung. In derselben Weise wurden auch oben v. 2 Lavinia litora erwähnt, obwohl es zur Zeit der Ankunft des Aeneas noch kein Lavinium gab.

16. posth. Samo. Lactant. inst. I, 17: Insulam Samum scribit Varro prius Partheniam nominatam, quod ibi Iuno adoleverit ibique etiam Ïori nupserit. Itaque nobilissimum et antiquissimum templum eius est Sami. Ein anderer Hauptsitz der Juno war Argos, s. A. VII, 286. Bei Hom. ll. IV, 51 52 sagt Hera: ἤτοι ἐμοὶ τρεῖς μὲν πολὺ φίλτα

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