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philosophische Schreibart eines Diderot, eines d'Alembert, eines Rousseau, eines Voltaire, eines Maupertuis, oder eines Montesquieu entgegenseßen wollte. Von den Franzosen kömmt der Hr. Verf. zu den Engländern, und von diesen zu den Schwe den, denen er auch wegen der sorgfältigen Verbesserung ihrer bürgerlichen und Land- Öconomie einen Nationalstolz erlaubt. Mit welchem Rechte dieses geschieht, wollen wir nicht ausmachen. Wir sollten glauben, eine Nation könne wohl auf große Genies, aber nicht auf fleißige Sconomisten stolz seyn. Das Genie ist eine angeborne Eigenschaft der Seele, die sich öfters fortpflanzt und wie ein lebendiger Quell immer mehr und mehr ausbreitet. Der Fleiß und die Sorgfalt hingegen sind erworbene Fertigkeiten, die, wie das Wasser in einem Teiche, an dem Orte stehen bleis ben, wo sie die Arbeit hervorgegraben hat. Die Enkel und Nachkömmlinge können wohl die Wohlthaten davon genießen, aber ihrer Nation deswegen keine Vorzüge zuschreiben, die ihr gleichsam eigen seyn, und sich allen Mitbürgern in einem gewissen Verhältnisse von Natur einpflanzen sollten.

Ferner handelt der Hr. Verf. von dem Nationalstolze, der aus der Regierungsform eines Landes entsteht. Man kann sich leicht vorstellen, daß er diesen Stolz bloß den freien Staaten erlauben wird. Er weiß die Vortheile der Freiheit, der Mittelmåßigkeit und Gleichheit, welche in einer wohleingerichteten Republik herrschen, und die Liebe zum Vaterlande, die daraus entspringt, so feurig und lebhaft zu beschreiben, als nöthig ist, wenn man nach dem, was die Alten über diese Materie ge= schrieben, noch immer lesenswürdig bleiben will. Besonders ist die Lobrede auf die Liebe zum Vaterlande mit vieler Beredsamkeit ausgearbeitet. Der gerechte, der erlaubte, der vernünftige ,,Nationalstolz", heißt es,,,ist in den Republiken die Liebe zum ,,Vaterlande, und die Liebe zum Vaterlande ist der eigentliche ,,Nationalstolz. Was war diese füße Empfindung, die alles, was ,,uns angenehm und reizend ist, die die Liebe zu unsern Eltern, ,,zu unsern Kindern, zu unsern Anverwandten und zu unsern Freunden in sich hält, die den Tod, den bittern Tod, leicht, ,,die ihn ruhig, die ihn angenehm machte, so bald er diesem ge ,,heiligten Namen ein Opfer war? Was war die Liebe zum ,,Vaterlande anders, als ein wahrer Nationalstolz? War sie nicht ,,in dem Herzen eines Römers ein Gefühl des vorzüglichen „Werthes dieser Königinn der Städte, die ihr Haupt über alle

Reiche der Erden empor hob, die mit ihrem Scepter den Mee,,ren befohlen, die den Orient und Occident nach ihrem Willen ,,gebogen, die die Belohnerinn aller Künste, die Beschüßerinn ,,aller Wissenschaften geworden, welche ihre lachende griechische Gestalt in derselben ernsthaften Schooße mit der römischen „Majestät verwechselt hatten? Was ist in den kleinsten Republi,,ken das Wort Vaterland? Noch ist es nicht veraltet,

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hålt Liebe, es hält Hochachtung, es hält Dankbarkeit, es hält ,,Entzückung in sich"; und an einem andern Orte: „Kein inner,,licher Trieb des Menschen kann nach der Aussage der wenigen "großen Seelen, die von dieser rührenden Empfindung durch ,,drungen sind, der Liebe zum Vaterlande verglichen werden; ,,weder Montagne, da er seine Versuche schrieb, weder Descartes, „da er neué Welten aufführte, weder Burnet, da er den Bau ,,der Erde bestimmte, noch Newton, da er die wahren Geseße ,,der Natur so wohl durch Erfahrungen, als durch die Kraft seiner Meßkunst entdeckte, fühlten, nach dem erhabenen Aus„drucke des Mylord Bolingbroke, eine größere Freude, als der ,,jenige fühlt, der ein wahrer Patriot ist, der alle Kräfte seines Verstandes, seine Gedanken, seine Thaten alle dem Vortheile ,,des Vaterlandes aufopfert. Diese Regung bemächtigt sich mit „einer unwiderstehlichen Kraft des ganzen Menschen, sie unter,,drückt alle andere Leidenschaften, sie hebt unsere Augen von der sanften Aussicht in die Thåler der Ruhe weg, sie reißt uns ,,durch die gedrungenen Schaaren, durch gezückte Schwerdter ,,und feurige Wetter, und welches noch mehr ist, durch den „dunkeln Hinterhalt der Feindschaft, der Rache, der Mißgunst ,,und des Neides unserer eigenen Mitbürger hindurch, und bes ,,reitet uns die Triumphe, die nur das Herz des Patrioten "fühlt". Wir wissen nicht, mit welchem Rechte man den Pa trioten, in der weitläuftigsten Bedeutung genommen, deren dieses Wort fähig ist, dem Lehrer der Weisheit vorziehen will. Sie find beide Wohlthäter der Menschen, sie opfern beide ihre Gedanken, ihre Ruhe und Bequemlichkeit dem Besten des mensch lichen Geschlechts auf; aber die Wohlthaten des Patrioten sind in dem kleinen Bezirk seiner Mitbürger eingeschränkt, und stürzen vielleicht einen großen Theil der übrigen Menschen in den Untergang; der Weise aber erhebt seine Absichten zu dem Besten des gesammten menschlichen Geschlechts, und schließt Niemanden von der Zahl derjenigen aus, die er glücklich zu machen wünscht.

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Die Bemühungen des Patrioten betreffen nur zeitliche Vortheile, die doch endlich der Veränderung und dem Wechsel der Zeiten unterworfen sind; der Weise hingegen verschafft ewige, unvergängliche Vortheile, die den spätesten Enkeln noch nügen, die die Besserung der Seele zur Absicht haben, und öfters in die ganze Seligkeit des Menschen einen nicht geringen Einfluß haben. Jedoch es ist hier der Ort nicht, sich hierüber weitläuftiger einzulasfen. Beim Schlusse des Werks erinnert der Hr. Verf. selbst, der zweite Theil seiner Abhandlung gefalle ihm besser, als der erste. Earl der andere", fügt er hinzu,,,warf dem berühmten ,,Dichter Waller vor, er habe in seinen Versen den Cromwell ,,weit besser gelobt, als ihn; ja, gab dieser zur Antwort: Wir ,,Dichter kommen beffer in der Erfindung, als mit der Wahrheit zurechte". Die Zusäße, welche dem Werke angehängt. worden, enthalten einige nåhere Nachrichten und Betrachtun gen über die asiatischen Völker, nachdem der Verf. in währendem Drucke der Abhandlung aus andern Absichten sich mit ihnen näher bekannt zu machen gesucht hat. Wir haben unserm Auszuge einige Gedanken daraus an den Stellen, die ihnen der Verf. angewiesen, einverleibt.

Der Tod Abels in fünf Gefången von Geßnern. Zürich bey Geßnern 1758. 226 S. in klein 8°.

(aus der Bibl. der schönen Wiss. und der fr. K. Bd. 4. Stück 2. 1759. . 706–745.)

Ich habe mich an einen höhern Gegenstand gewagt", sagt der Dichter in der Vorrede, um zu wissen, ob meine Fähig„keiten höher hinaus reichen, als ich sie bisher versucht hatte. ,,Eine Neugierde, die jedermann haben sollte. Man macht oft ,,einen Dichter furchtsam, der in einer gewissen Dichtart glücklich gewesen ist, und will ihn in diese Sphäre einzåunen, als ,,wenn er da die ganze Bestimmung und die ganze Stärke seiIV, 1.

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,,nes Genies gefunden håtte; wenn er oft mehr durch äußere „Umstände, und vielleicht mehr von ungefähr, als durch beson,,dern Trieb desselben, auf diese Bahn ist geführt worden". Dieser Gedanke ist sinnreich, aber auch vielleicht nichts mehr als finnreich. Es giebt Proben, die ein Genie mit sich selbst an= stellen kann, ohne daß es nöthig hat, das eigensinnige Publi kum zu Rathe zu ziehen. Will man der Selbsterkenntniß nicht trauen, so wähle man Freunde, auf deren Einsicht man sich sicherer verlassen kann, als auf den zweifelhaften Ausspruch des unschlüssigen Richters, den man das Publikum nennt. Zwar wenn dieses Vorurtheil keine schlechteren Gedichte zur Welt bringt, als den Tod Abels", so mag es immer eine Wahrheit seyn !

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In der Folge begegnet der Verf. dem Einwurfe, den man wider die biblischen Gedichte hat machen wollen, und beschließt die Vorrede mit einer artigen Satyre. „Noch giebts eine gewisse „Gattung Leute", heißt es,,,die zu gut zu leben wissen, als ,,daß ihnen Helden gefallen sollten, die von nichts als Religion ,,reden, so ernsthaft sind, und so wenig feinen Wig haben. ,,Diesen muß ich im Vertrauen sagen, daß mir, als einem jun,,gen Herrn, der auch zu leben wissen will, an ihrem Beyfall ,,gar zu viel gelegen ist, und daß ich, um sie gut zu behal ,,ten, das gleiche Sujet auch für sie zurichten will. Ich will „dann trachten eine Liebesintrigue (und was ist ein episches Ge„dichte ohne das? Alles, was feinen Geschmack hat, muß es ,,verlachen), das werd' ich darinn anbringen, Abel wird dann ,,ein zårtlicher junger Herr seyn, und Kain wie ein französischer „Hauptmann, und Adam soll nichts reden, das nicht ein be ,,tagter Franzose, der die Welt kennt, sagen könnte".

Diese

Satyre wird auch uns treffen, denn wir werden in unserer Beurtheilung dieses Gedichts auch eine Liebesintrigue vorschlagen, die der Dichter håtte in seinem Plane anbringen sollen; aber keine französische, unsere ist orientalischen Ursprungs.

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Wir wollen unsern Lesern einen etwas weitläuftigen Auszug aus dem Gedichte vorlegen, und unsere Beurtheilung am Ende hinzufügen. Solche Werke zu beurtheilen, ist eine ange nehme Beschäftigung; man hält sich gern bei einer Arbeit auf, die Vergnügen macht.

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Erster Gesang.

Ein erhabnes Lied möcht' ich ist fingen, die Haushaltung ,,der Erstgeschaffenen nach dem traurigen Fall, und den ersten, ,,der seinen Staub der Erde wieder gab, der durch die Wuth ,,seines Bruders fiel. Ruhe du ißt, sanfte ländliche Flöte, auf ,,der ich sonst die gefällige Einfalt und die Sitten des Land„manns sang *)". Hier folgt eine Anrufung an die Muse oder die Begeisterung, wie der Dichter diese profane Gottheit erklärt. Sie nimmt zwei ganze Seiten ein; und so schön fie auch ist, so scheint sie hier an diesem Orte wegen ihrer großen Ausdehnung nicht die beste Wirkung zu thun. Endlich fängt sich das Gedicht an: Die stillen Stunden führten den rosenfarbnen Morgen herauf, und gossen den Thau auf die schat,,tichte Erde da giengen Abel und seine geliebte Thirza aus ,,ihrer Hütte hervor, in die nahe geruchreiche Laube von Jasmi,,nen und Rosen". Die Beschreibung dieses Paars ist überaus malerisch: Bårtliche Lieb' und reine Tugend gossen sanftes „Lächeln in die blauen Augen der Thirza, und reizende Anmuth ,,auf ihre rosenfarbne Wangen, und weiße Locken flossen am ju,,gendlichen Busen und ihre Schultern herunter, und umschweb,,ten ihre schlanke Hüften; so gieng fie dem Abel zur Seite. Braune Locken kraußten schatticht sich um die hohe Stirne des "Jünglings, und zerfloffen auf seinen Schultern; denkender „Ernst mischte sanft sich in das Lächeln der Augen; in schlan,,ker Schönheit gieng er daher". Thirza bittet den Abel, ihr den neuen Lobgesang zu singen, den er gestern auf der Flur gedichtet hat; und Übel besingt das Lob des Schöpfers und die Entstehung des Weltgebäudes, der Wahrheit weit anständiger, als Silen beim Virgil auf Verlangen der schönsten der Najaden gefungen.,,Weiche, du Schlaf, von den Augen", stimmt

*) Vielleicht würde der Dichter besser gethan haben, wenn er dem Virgil auch in der Ordnung der Gedanken nachgeahmt hätte: „Ruhe du ist, sanfte Flöte", u. f. w. ,,Ein erhabnes Lied möcht' ich ist fingen"; so wie jener: Ille ego, qui quondam gracili modulatus avena, e. c. arma virumque cano; damit die Ankündigung nicht von der Anrufung durch einen so fremden Gedanken getrennt werde.

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