Eine starke Beschreibung in der 34sten Strophe: Nur dann erst, wenn der Tod den eisenharten Rücken Da sieht der Geist, halb frey von seines Leibes Stricken, Sieht Reu den Schlangenhals um seinen Nacken winden, Von der knechtischen Nachahmung der Franzosen in der 40sten Strophe: Man ahme Frankreich nach! Doch traun! was mag es helfen? Für Spanier ward es schwer, am zärtlichsten für Guelphen, Gerecht für andre seyn, und züchtig für sich selber, Lehrst du (Paulus), so lehrest du, du lehrst gottselig seyn. Der Plan von diesem Gedichte scheint uns beinahe possierlich. Der Dichter will einen medicinischen Vorschlag thun: wir sollen die Kinder lieber mit Milch von der Heerde ernähren, wenn die Mutter entweder siech oder lasterhaft ist; und in den ersten zwei Dritteln seines Gedichtes widerlegt er die verschiedne Meinung der Weltweisen von dem höchsten Gute, und von den Mitteln, dadurch man es erlangen kann. Ziemlich weit aus, geholt! Weit ausgearbeiteter ist das 7te Stück, die „sinnlichen Ergößungen“, an den Hrn. geh. Rath Withof in Berlin. Wir wollen dieses schöne Gedicht etwas nåher betrachten, weil wir mit nächstem vielleicht Gelegenheit haben werden, es mit einem engländischen Gedichte, fast eben dieses Inhalts, zu vergleichen. ,,Die Eintheilung dieses Werkchens in sieben Versuche „ist bloß willkührlich", sagt der Verfasser in dem angehängten Verzeichnisse. Eine Poesie von dem Umfange in einer ununter,,brochnen Zeit zu verfertigen, ist keine Sache für uns, denen ,,die Poesie zu nichts weiter als zur edlen und anständigen Er,,göhung einer arbeitvollen Jugend gedient hat. Ich habe also ,,oft anfangen und oft wieder aufhören müssen. Und da dieses „zu siebenmalen geschehen ist, so habe ich auch so viele Theile ,,daraus gemacht." In dem ersten Versuche werden der allgemeine Endzweck der sinnlichen Begierden und ihre Wirkungen überhaupt beschrieben: Des Himmels noch nicht werth, und doch für ihn gemacht, Mit Kenntniß soll er hier den Geist noch erst erfüllen, Wir sollen durch sinnliche Lust und sinnlichen Schmerz ge= wohnt werden, uns nach dem Guten zu sehnen und das Böse zu verabscheuen: Begierde kommt von Lust, und Abscheu folgt der Pein Dort hebt ein lockend Spiel die Sehnsucht nach dem Guten, Das Kind erwächst; und wo nun nicht durch die Zucht der Abscheu für das Böse immer mehr gestärkt wird, so wird diese Welt in kurzer Zeit dem Geist zu dürftig werden. Er reift zu größrer Lust, und wachsenden Beschwerden. Der Mensch will die heftigen Begierden durchaus befriedigen; er sehnt sich nach Zufriedenheit, und findet sie nicht; er versucht seine eigenen Kräfte, und findet sie zu schwach: Er wünschet sich ein Gott, schwärmt hinter alle Sonnen, So lehrt uns die Begierde endlich die Tugend kennen, und Jedoch der Endzweck der Sinne würde nicht so stark in unser tråges Herz wirken, wenn nicht innere Kräfte die Empfin dung der Lust und des Abscheues erhielten und gleichsam in uns ausbreiteten. Das was ein Sinn gefühlt, das empfindet der ganze Mensch: *) Der Dichter hätte lieber sagen sollen: die Unzufriedenheit führt uns der Weisheit zu, sonst könnte man diese Stelle auf zweierlei Art verstehen; eine kleine grammatikalische Anmerkung! So fühlt der ganze Mensch den feuerreichen Wein Zweiter Versuch. Indem die Menschen alle sich nach der Zufriedenheit sehnen, so fällt ein Theil derselben auf das Sinnlichreizende, und glaubt darin sein Element und die Quelle feiner Glückseligkeit zu finden: Verstreute Gott die Luft, er (der Mensch) sammelt sie zu Hauf, und stellt ein Fragenspiel zu seinen Gößen auf. Der Thorheit fehlt es nie an wißigen Erfindern. Ein Verliebter sucht alles auf, was in der Natur_lieb: reizendes anzutreffen ist, und seht es in seiner Einbildungskraft zusammen; Die Schöne, der er lebt, schmückt er mit diesen Schäßen, Nach langer Sehnsucht, nach vielen ausgestandenem Ungemach erlangt er endlich den schmachtenden Genuß: Was ihm so himmlisch schien, der allererste Kuß, Aus tiefen Falten los. Er schlingt den Trank der Liebe, Unendlich wird der Reiz, die Wollust endlich seyn. So betrügt die Wolluft sich selbst; so betrügen sich Stolz und Geiz, wenn die Lüsternheit einmal rege wird; Da wälzt man Lust auf Lust Cyclopen gleich zusammen. Der schlaue Selbstbetrug giebt dem Laster die Farbe der Tugenden; und so lange es nach Wunsche geht, glaubt man seine Glückseligkeit auf sichern Grund gebauet zu haben; wenn aber die Hoffnung betrügt, so schilt man auf Schicksal, Gott und Sterne. Ein anderer Theil der Menschen sieht die Schädlichkeit der sinnlichen Lüfte ein, und will sie ganz aus ihrer Brust verbannen; „Suche nur dein Herz, durch überird'sches Denken, ,,Im bodenlosen Meer der Zukunft zu versenken, ,,Dein Kerker ist dein Leib, die Welt ein Natternhaus; „Mein Geist zerfließt in Gott!" ruft Böhmens Schüler aus. Allein tadeln wir auch nicht des Schöpfers Hånde, wenn wir alles, was seine Herrlichkeit verkündigt, keines Anblicks würdigen? Der Sinnen längste Luft eilt freylich schnell vorbey: Ein Mensch, der bei äußerlichen Reizen die innere Pflicht aus den Augen seht, mißbraucht zwar der herrlichsten Güter zu feiner eignen Schande: Der unsichtbare Geist entläuft dem weisen Zügel; Doch wenn die Mücke brennt, wer schilt auf Licht und Flügel? In dem dritten Versuche beschreibt der Dichter die reine Lust der Sinne, die er einst an einem Morgen gefühlt, als er am Ufer der Ruhr spazieren ging. Alle seine Gemälde sind ausgesucht, stark, und dennoch nach der Natur geschildert. Schade! daß unser Ohr öfters durch eine unangenehme Hårte im Ausdrucke allzu empfindlich beleidigt wird. Niemals wollen unsere Sinne so sehr geschmeichelt seyn, niemals scheint ihnen. die geringste Rauhigkeit so anstößig, als wenn die angenehmen Gegenstände der Natur geschildert werden sollen. Sie fordern alsdann von dem Gemälde eben die fanfte Wirkung, die sie an der liebreichen Natur gewohnt sind. Wir wollen uns indessen bei den Fehlern unsers Dichters nicht so lange aufhalten, weil sie den meisten Lesern vielleicht mehr in die Augen leuchten werden, als seine vorzügliche Schönheiten. Welch ein großer Gedanke liegt in folgender Beschreibung! Wie funkelnd war der Glanz, der durch die Bäume ging, Die Sonne quoll hervor, wie Ruh' aus Tugend quillt. ✔ Der Ausdruck,die Sonne quoll" ist hart und ungewöhnlich; allein das folgende vortreffliche Gleichniß macht diesen kleinen Fehler wieder gut: Du Sonne, wärst mein Gott, wann Gott nicht göttlich wäre. Der wallte langsam auf, umschwomme mit der Luft Begeistrend meine Brust, lag brütend auf dem Grase; Die Gedanken : du Sonne wårst mein Gott" u. f. w. hat Young weit kühner ausgedrückt; es wäre Sünde von den Heiden gewesen", sagt er,,,wenn sie sie nicht angebetet håtten.“ Noch eine sehr feine Erdichtung können wir nicht mit Stillschweigen übergehen. Kurz vorher, ehe sich die Ruhr in den Rhein ergießt, befinden sich in ihrem Bette ziemliche Tiefen. Der Dichter verfolgt den Lauf der jüngern Ruhr, wie sie dem månnlichen Strome entgegeneilt: Dem stolzen Rhein getreu, taucht sie die volle Hüfte In das geheime Bett nie durchgesehner Klüfte. Der vierte Versuch handelt von den Ergösungen des Ges schmacks und des Geruchs. Wer im Genusse der Speisen bedächtlich ist und allen nöthigen Überfluß zu verachten weiß, wer sich durch Mangel, durch den Hunger selbst die Speisen schmackhaft macht; der wird das Nöthige immer mit Wollust verzehren, dem wird kein Übers druß die mäßige Kost vergållen; denn: Des Schattens todte Nacht muß Bildern, Licht und Leben, Umsonst entgeht der Lüsternheit kein Kunststück, den Geschmack der Speisen zu erhöhen; umsonst wünscht sie dem Leibe, wenn er effen soll, die tausend Zungen der virgilischen Fama; Die Schwelgerey, der Göze reicher Zonen, Säumt nicht den übermuth mit Ekel zu belohnen. Gab die Natur die Kraft, den Menschen zu erfreuen, Der Reiz des Geruchs ist weit stärker, und dem schädlichen Mißbrauche weniger unterworfen. Ein Weiser genießt dieser Lust mit dankbarem Gemüthe; Wie athmet jener Baum, vom Wasser durchgedrungen, |