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Moses Mendelssohn's Antheil an der Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste.

Aufmunterungen in moralischen Gedichten von Joh.

Lorenz With of, J. H. fils. aus Duisburg, der Arzney Doktorn auf der hohen Schule zu Hamm, Mitglied der deutschen Gesellschaft in Göttingen, wie auch von der Königl. Großbrit. Academie der Wissenschaften. Dortmund 1755. bey Bödeckern.

(aus der Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste Bd. 1. Stück 1. 1757. S. 86-106.)

Se mehr sich die ernsthafte Weltweisheit von dem Sinnlichen entfernt und auf ihrem Lehrstuhle nichts als die Sprache der lautern Wahrheit zu vertragen scheint, desto angenehmer muß es uns seyn, wenn ein schöner Geist alle seine Kunst erschöpft, ihre abgezogenen Begriffe vollkommen sinnlich vorzutragen. Um in diesen Arten von Gedichten zu gefallen, bedarf es weder der Erdichtung, noch der Nachahmung; weder der Fabel, noch der Charaktere und Gesinnung. Wenn der Dichter nur Geschicklichkeit genug besißt, die trocknen Lehren der Weltweisheit bald durch Bilder und Gleichnisse zu beleben, bald in der Verbindung mit andern Wahrheiten uns gleichsam zum sinnlichen Anschauen vorzulegen, bald einen Sah mit Erempeln und Folgerung zu berühren, bald verschiedene dergestalt in einander zu concentriren,

daß wir in wenig Worten von einer großen Menge von Begriffen übereilt werden; wenn er dieses Kunststück nur inne hat, so kann er den Ruhm eines großen Dichters verdienen, und wenn sich auch seine Gedichte mit der Definition nicht vertragen, die hier und da ein Kunstrichter von dem Wesen der Dichtkunst gegeben hat.

Pope war der Erste in den neuern Zeiten, der die tieffinnigsten Gedanken mit poetischer Schönheit zu verbinden gewußt. Sein Schwung ist måßig, niemals ausschweifend, auch niemals niedrig; sein Feuer brennt immer sich selber gleich; und der Reichthum an Anmuth, den er über sein Werk ausgestreuet, macht, daß man ihn immer beneiden, aber selten erreichen wird. Young ist weder so correct, noch so anmuthig als er; aber er übertrifft ihn weit an Feuer, Schöpfung neuer Begriffe, und tiefer Einsicht in die Verbindung, in welcher sie mit andern wichtigen Wahrheiten stehen. Jener war ein Dichter, der seiner Poesie durch den Ernst der Weltweisheit ein Ansehn geben will; dieser hingegen ein tiefdenkender Kopf, dem die Menge der erkannten Wahrheiten selbst statt der Begeisterung dienen muß.

Unter den Deutschen würde Haller ein Mittel zwischen diefen beiden großen Geistern getroffen haben, wenn ihn nicht solidere Wissenschaften abgehalten håtten, seine månnlichen Jahre den Musen zu widmen. Indessen wird die kleine Sammlung von Gedichten, die er geliefert hat, nie aufhören von uns bewundert zu werden; und wir glauben unsern Withof nicht besser anpreisen zu können, als wenn wir sagen, er habe Hallern, den er sich einzig und allein zum Muster vorgeseßt, in vielen Stücken recht glücklich nachgeahmt. Er hat zwar das Schicksal derer nicht vermieden, die sich ein einziges Muster zum Vorbilde wählen; er hat die Flecken selbst mit beibehalten, die sein Urbild entstellen. Seine Verse sind nichts weniger als wohlklingend, sein Ausdruck ist hart und öfters sehr dunkel, seine Wortfügung fremd und unbiegsam; und überhaupt hat er die Sprache und das Mechanische in der Poesie nicht genug in seiner Gewalt. Ja in der Schönheit selbst, dadurch uns Haller für diese Fehler schadlos hält, hat er ihn nicht völlig erreicht. Sein Feuer ist sich ungleich; er weiß seine Gedanken nicht so künstlich vorzubereiten, und seinen Plan vielleicht noch weniger anzulegen, als fein Muster, der große Haller. Allein bei allen diesen Fehlern bleibt ihm eine Menge von vorzüglichen Schönheiten, die uns

öfters mitten im Lesen alle seine Rauhigkeiten vergessen läßt. Diese Aufmunterungen" sind eigentlich eine Nachlese zu einer andern Sammlung, die im Jahre 1753 von eben diesem Verfasser herausgekommen ist; und haben das feltne Schicksal, daß fie ihre Vorgänger an innern Werthe übertreffen. Wir wollen die kleinen mittelmäßigen Stücke übergehen, und uns bei denjenigen aufhalten, die unsere Aufmerksamkeit vorzüglich verdienen.

Der Sieg des Heilandes ist eine sehr feurige Ode, welche die Haller'sche Ode über die Tugend, mit der sie dem Außerlichen nach einige Ähnlichkeit hat, weit übertrifft. Nur scheint uns das Sylbenmaaß unglücklich gewählt zu seyn. Der männliche Abschnitt, darauf ein unmittelbarer Trochaus folgt, nöthigt uns, alle Verse in zwei kleinere abzutheilen, dadurch das Feuer der Ode allzu sehr unterbrochen wird. Welch ein Bild! Siegreich stand der Held! dicht gerollte Flammen Schlungen sich zum Kranz um sein Haupt zusammen, Die der Söhnaltar, da er fallen hieß,

Ihm zum Siegeszeichen ließ.

Welch eine würdige Erdichtung in folgender Beschreibung des Triumphwagens, darauf sein Held einherzieht!

Der vereinte Duft, der seit tausend Jahren
Von dem Opferheerd, wolkigt aufgefahren,
Ward zum Wagen ihm an des Gedrons Strand,
Zum Triumph herabgesandt.

Noch eine vortreffliche Abschilderung:

Unsers Schicksals Buch ward ihm übergeben;
Vor ihm liegt der Tod; nebst ihm steht das Leben;
Macht stüßt seinen Arm; Güte ruht bey ihr;
Solchem Fürsten dienen wir.

Der medicinische Patriot hat vortreffliche Stellen, die gedrängt von Gedanken, voll kühner Beschreibungen und tief= sinniger Betrachtungen sind. Bei Gelegenheit des platonischen Lehrsages, daß ein Übel in den Theilen dieser Welt nothwendig ine Vollkommenheit im Ganzen befördern müsse, sagt der Dichter:

So hilft die Weisheit nur den Jammer fortzupflanzen,
Sie, die mit öftrer Reu, und doch nicht seltner fehlt.
Was fie vom Schönen zeigt, ist Schönheit nur im Ganzen,
Uns plagt es eben so, wie wahres übel quält 2c.

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