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schuldig mache. Als man ihm nachher die nåmliche Ehre eines Tempels antrug; so schlug er sie mit der Bemerkung aus: Er wisse zu gut, daß er sterblich, und seine Handlungen nur mensch= lich wåren; als daß er sich andere Tempel wünschen sollte, als ihre Herzen." Sogleich war der Ton umgestimmt. Man hielt den Kaiser für einen populáren Mann, der sich keine Würde zu geben wüßte. August håtte dieses besser verstanden: er wußte sich bis zur Gottheit `emporzuschwingen. Wer die Ehren verachtet, verz achte auch die Tugend u. s. w. Diese war ist die Stimmung des Volks, welches sich nach Augusts Tod laut beschwerte, wie er vom Stolz, und Uibermuth hingerissen sich Tempel, Statuen, und Priester schuf, und der Ehre der Götter nichts überlassen wollte.

18.

Mit Sehnsucht sah das Römische Volk einem kühnen Manne entgegen, der es über sich nehmen sollte, es von dem grausamen Zieger Kaligula zu befreyen. Chårea unternahm es; allein es wurde ihm der Proceß gemacht, und das Volk sah mit der größten Gleichgiltigkeit zu, da er enthauptet wurde. In dem folgen: den Jahre, als das Volk das Fest zur Besänf

tigung der abgeschiednen Seelen feyerte, nannte es den Namen Chårea mit Rührung, und bath feinen Schatten, ihm seine Undankbarkeit zu verzeihen.

19.

Nie zeigte es sich mehr, wie wenig man auf die Volksliebe rechnen kann, und wie wez nig Zeit es braucht, das nämliche Volk ni t wieder zu finden, als bey jener militärischen 9 evolution; da Galba ermordet, und Otho a. dessen Stelle auf den Thron erhoben wurde Galba hatte die schmeichelhaftesten Beweise von Seiten aller Stånde empfangen; mit seinem Tode aber ånderte sich gleich alles, und der Uibergang zum andern Extrem war so plöhlich, daß Tacitus sich hierüber ausdrückte: alium crederes senatum, alium populum: ruere cuncti in castra, anteire proximos, certare cum praecurrentibus, increpare galbam, laudare militum iudicium." Und so beeiferte fich Jedermann Demjenigen die Hånde zu küßen, dem er erst vor einer Stunde den Tod zugedacht hatte. Ganz richtig drückte sich Bussieres über Galba aus:,,Cito placuit: cito displicuit. Der gewöhnliche Dank des Volks' gegen seine Regenten,

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20.

Karl III der Dicke genannt, wurde von der Generalversammlung der Stånde unfähig erklårt, dem Königreiche långer vorzustehen; weil man einige Unrichtigkeiten in seinem Geiste bemerkte. Sogleich war er von dem ganzen Volke dergestalt verlassen, daß nicht einmal ein Domestike bey ihm geblieben. Dieser unglückliche Fürst würde Hungers gestorben seyn; wenn fich nicht der Bischof von Mainz seiner erbar met hätte.

21.

Die Einwohner von Lisabon trugen sich mit Ungestimm dem Don Pietro von Portugall, Vormunder des Königs Alphons V an, ihm zu Ehren auf öffentlichen Plågen Statuen zu sehen. Meine Freunde, antwor tete der Infant, wenn ich es euch wirklich gestatte; so wird dennoch ein Tag kommen, wo euere Kinder wieder zerstören werden.“

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22.

Bey dem Begriffe von Freyheit ist das Volk nie im Mittel geblieben. Entweders giengen von ihr nur Wuth, und Zerstörung aus ;

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oder das Volk begnügte sich mit dem bloßen . Namen einer freyen Nation. Wenn auf einer Fahne nur Freyheit stand: wenn man diesen Namen nur mit Achtung nannte: wenn er auf dem Papier nur mit großen Buchstaben geschrieben war, oder auf den Münzen glänzte: wenn auch der gemeinste Mann sich einer Wahlstimme` rühmen konnte; so hielt man sich für frey. August war schon im vollen Besige der Alleinherrschaft, und doch glaubten die Römer, noch frey zu seyn; weil er seinem Staate den Namen Republik gab, und Republikaner zu bez herrschen äußerte. Die Engländer unter Cromwell hatten einen solchen Haß gegen das Königthum, daß sie sich weigerten zu bethen: zukomme uns dein Reich - sondern : deine Republik: Dennoch ertrugen sie geduldig ein despotisches Protektorat. Karl V. sagte von den Holländern, es gebe kein Volk, welches die Dienstbarkeit mehr hasse, und gedulVon dem diger ertrage, als die Holländer. Neapolitanischen Volke sagte der Prinz Eugen: „Man müße ihm Maulkörbe anwerfen; diese aber mit Honig bestreichen, um ihnen die Beschwerden derselben vergessen zu machen.“

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23.

Wie sehr haben sich nicht die Meynungen unsers Zeitalters herumgedreht? wie vielerley Konstitutionen kamen auf die Bahn, und bey jeder wurde gerufen: „Es lebe die Konstitution! Wie verschieden waren die Gestalten, welche die Göttinn der Freyheit angenommen! Es gab eine Freyheit unter La Fayette: Freyheit unter Brissot: Freyheit unter Robertspierre: Freyheit unter Merzi lin: Freyheit der Konsuln. Und bey jeder

rief das Volk: Es lebe die Freyheit! Doch nicht Paris allein ist es, das man diefer Wankelmüthigkeit beschuldigen kann. Wie der Hall von dieser Hauptstadt ausgegangen; so gieng er allemal auch von einem großen Theile des Auslandes zurück,

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