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POPE'S EINFLUSS

AUF BYRON'S JUGENDDICHTUNGEN.

INAUGURAL-DISSERTATION

ZUR

ERLANGUNG DER PHILOSOPHISCHEN DOCTORWÜRDE

BEI DER

UNIVERSITÄT LEIPZIG

VON

CARL WEISER

AUS CZERNOWITZ.

HALLE 1877.

DRUCK VON E. KARRAS.

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Es ist wol schon seit lange eine von englischen sowol als nichtenglischen kritikern anerkannte tatsache, dass Byron, der im allgemeinen zu den originellsten dichtern gehört, in seinen jugendschriften bewust oder unbewust grossenteils nachahmungen heimischer und ausländischer klassiker lieferte. Die kritik unserer zeit hat längst aufgehört, derlei nachahmungen einem dichter vorzuwerfen, wenn er nur später bewies, dass er auch originelles und schönes schaffen könne. Besonders die alten sind es, deren studium in der neuzeit bereits soweit in fleisch und blut der denkenden menschheit übergegangen ist, dass nachbildungen derselben kaum mehr als solche empfunden werden. Weniger werden schon nachahmungen neuerer klassiker nachgesehen, und der nachweis hiervon selten dem dichter geschenkt. Um so auffälliger muss es daher erscheinen, dass sich bis heute kein kritiker der aufgabe unterzogen hat, zu untersuchen, ob und wie weit eine nachahmung neuerer muster bei einem dichter vom range Byron's vorliegt. Zum teil erklärt sich dies daraus, dass die hohe schönheit und zweifellose originalität der mehrzahl der reifern dichtungen die früheren verdunkelte, daher es lohnender erschien, zur erweiterung des verständnisses jener beizutragen, als nach der grössern oder geringern originalität dieser, nur zum kleinen teile wertvollen poesien zu forschen. Wie aber das leben, wachsen und gedeihen der entwickelten pflanze unverständlich ist, so lange beschaffenheit und nahrungsquellen der wurzel nicht ergründet sind, ebenso wird ein vollkommenes verständnis der reifern werke eines dichters erst durch das studium seiner ersten geistigen entwicklung und jugendschriften er

möglicht. Jene lässt sich bei Byron nach den sowol von ihm selbst als von seinen zeitgenossen zahlreich vorliegenden aufzeichnungen verfolgen, und das um so leichter, da diese eben durch den biographen Byron's, Thomas Moore, chronologisch und übersichtlich geordnet sind; die beurteilung der jugendschriften aber verlangt ein aufmerksames durcharbeiten derselben, wie auch der in ihnen nachgeahmten werke älterer und neuerer dichter. Hieraus ergibt sich dann, dass von antiken schöpfungen keine von einiger bedeutung Byron fremd war: Virgil und Homer, Catull, Tibull und Horaz, Euripides, Aeschylos und Anacreon finden wir angeführt und nachgeahmt. Von neueren dichtern sind es jedoch, trotz ausserordentlicher belesenheit in in- und ausländischer literatur nur wenige, deren studium Byron in seiner jugend bis zur nachahmung verfolgt hätte; ein dramatischer, ein lyrischer und ein epischer dichter: Shakespeare, Moore und Pope.

Shakespeare ist am wenigsten benutzt und das aus zwei gründen: erstens hatte Byron anerkanntermassen kein dramatisches talent; zweitens widerstrebte es seinem eigenartigen charakter, das vorbild aller auch zu dem seinen zu machen. Nebenbei tritt der Shakespearesche einfluss so allgemein bei den später geborenen dichtern Englands auf, dass er eben so wenig wie der altclassische sich bei den einzelnen nachweisen lässt. Moore wird schon mehr nachgeahmt, aber erstens nur teilweise, nämlich in den lyrischen gedichten und selbst in diesen nicht durchweg, da das verschiedene temperament die beiden dichter zumeist auf verschiedene bahnen führte 1) zweitens versteckt, weil Byron dem zeitgeist huldigte, der Moore zwar als dichter vergötterte, aber wegen seiner lascivität angriff. Am meisten und offenbarsten aber Pope, dessen einfluss sich nicht nur in den poesien Byron's durchweg geltend machte, sondern auch das denken und fühlen Byron's beherscht hat.

Andere hervorragende englische dichter, wie Chaucer, Spenser, Milton, Dryden finden wir wol auch anerkannt und verehrt, aber nicht ganz vorurteilsfrei, sondern im Popeschen lichte, nach Popescher kritik und moral, einer tugend, deren

1) Moore ist auch patriotisch, Byron nur erotisch, zum mindesten egoistisch in seiner lyrik.

stätes verteidigen seitens des eher unmoralischen Byron schon auf Pope, den moraldichter par excellence, hinweist. 1)

Der nachweis des einflusses Pope's, als ethischen denkers, auf Byron ist jedoch von mehr psychologischem interesse; den literarischen einfluss des dichters Pope auf die jugenddichtungen Byron's nachzuweisen ist aufgabe dieser abhandlung.

1) Den einfluss Scott's auf Byron, der bis zur stunde ebenso wie derjenige Pope's unterschätzt wurde, macht sich erst im 'Giaur' geltend. Ein genaues eingehen auf diese behauptung würde hier zu weit führen; es genüge auf den bis dahin Byron fremden vierfüssigen jambus (abgesehen von kleineren gedichten) hinzuweisen und aus der legion ähnlicher stellen die folgenden hervorzuheben:

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