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Kultur, das Vermächtniß des großen Theodorich, frech um, der Fanatismus deckte seinen finstern Schleier von Neuem über die Morgenröthe, die eben einer italienischen Civilisation anbrechen sollte, und trat schonungslos alle Keime einer ruhigen sittlichen Entwicklung für lange Zeit nieder. Alle Greuel eines von geschickten Feldherren mit gleicher Hartnäckigkeit von beiden Theilen geführten Krieges gossen sich gleich einem Lavastrom über das Land von den Alpen bis zum Faro; es war fast keine Stadt, die nicht eine Belagerung oder Plünderung ausgehalten hätte. Die Kraft der Gothen war nicht so schnell niedergeworfen, und ihr Fürstenstamm lieferte ihnen noch eine Reihe von tapfern und rechtschaffenen Regenten,,, mehr als man von Barbaren erwarten sollte“, meint unser Abt. Selbst der Untergang des ostgothischen Reichs endigte nicht den Krieg; noch suchte das Volk den Fall seiner trefflichen Könige zu rächen, bis es endlich durch Narses' Schwert fast aufgerieben, unter der Masse der übrigen Bevölkerung spurlos verschwand.

Wir wissen nicht, was Italien unter der ruhigen Herrschaft der Ostgothen geworden wäre, allein das ist gewiß, daß ein großes Werk, mit großer Kraft begonnen, von der räuberischen Hand der Griechen zertrümmert wurde. Waren diese nur Werkzeuge für einen höhern Plan? War Italien vielleicht noch nicht reif für einen bessern Zustand? Die nächste Zeit hat keinen Aufschluß darüber gegeben, aber immer bleibt das Gemålde der østgothischen Herrschaft eine erhebende Episode in der Geschichte jener finstern Zeit mit ihren Kämpfen und theologischen Streitigkeiten, ihrer Anarchie und Sittenlosigkeit. In ihrem kurzen Verweilen auf dem Schauplah der wildesten Verwirrung, erscheinen die Gothen nicht anders, als wohlthätig ordnend, befördernd, anregend, Frieden und Sicherheit, frische Arme und frische Hoffnungen den verwüsteten Provinzen wiedergebend. Ihr Untergang hat manche gute Saat zerstört, und bei gewissen, spåter sehr drückenden Anmaßungen wåren die Gothen als Arianer sicherlich ein wohlthätiges Gegengewicht gewesen.

Die Griechen dagegen brachten alles Unglück, das eigentlich nur den einfallenden Horden der sogenannten Barbaren aufgebürdet wird, über das Land, das kaum zu heilen begann. In eitler Anmaßung Italien als eine ihnen zugehörende Provinz be

trachtend, wirkten sie während des Kriegs wenig anders als raubend und zerstörend. Die kaum gefesselten Leidenschaften fanden bei ihnen neuen Anklang, und brachen mit frischer Stärke hervor. Narses' fünfzehnjährige Verwaltung des mit Schrecken eroberten Landes zeigt wenig Bemerkenswerthes als sein Streben den öf= fentlichen Schah zu bereichern. Und nur dadurch, daß er mit seiner Habsucht die von der Römerzeit her empfindliche Seite des Volks verwundete, vermochte er eine gewisse Energie in demselben zu erwecken, die sich durch eine Anklage bei dem Hof in Constantinopel und durch die schimpfliche Absehung des Statthalters befriedigen ließ.

Sein Abgang vom Staatsruder öffnete die Halbinsel den Longobarden, einer der bravsten, stolzesten und freisten Nationen. Sie legten die lehte Hand an das Verjüngungswerk der Oftgothen, und führten es in ihrer 200 jährigen Herrschaft unter ein und zwanzig zum Theil sehr talentvollen Königen glücklich aus. Ihnen verdankt Italien unendlich mehr, als es anerkennen will, und als nach dem äußern Anschein anzuerkennen wäre. Tiraboschi (T. III, Libr. II, cap. 1) hålt sich allein an die Außenseite und Oberfläche, und findet die Lage Italiens unter den Longobarden äußerst unglücklich; grausame Könige, ein unruhiges Zwischenreich, immerwährende Befehdungen mächtiger Herzoge, beständige Kriege gegen die Griechen und Franken, Verheerungen, verderbliche Neigungen der Fürsten sind die Elemente, aus denen er den tiefen Stand der Kultur und Literatur unter diesen Herrschern ableitet. Die Beweise, worauf er sein hartes Urtheil über dieses Volk gründet, sind übrigens äußerst schwach. Erstüßt sich hauptsächlich auf Gregor's I. und auf Procopius' Zeugnisse, die aber beide verdächtig sind. Daß ein herrschsüchtiger Priester, wie Gregor, die glücklichen Nebenbuhler in der Herrschaft Italiens nicht gerne sah, war natürlich, und der Kirchenstyl gegen Feinde und Keher mit seinen Uebertreibungen ist bekannt; Procopius' Zeugniß kann ebenfalls nicht volle Gültigkeit haben, da er ein griechischer Schriftsteller, folglich geborner Feind der Longobarden war. Ein langer Krieg, sowohl nach Außen als im Innern unter den verschiedenen kleinen Fürsten, bezeichnete freilich das politische Dasein der Longobarden. Allein war Krieg nicht eine beständige Geißel der Menschheit? War nicht selbst zur Zeit der

Blüthe der italienischen Literatur der Krieg zwischen Welfen und Gibellinen heftiger und blutiger, als irgend einer in der italienischen Geschichte? Der Krieg wüthete übrigens nicht in ganz Italien, und es mag wohl zu Gunsten der Longobarden angeführt werden, daß ihre eigne Provinzen einer tiefen Ruhe und Sicherheit genossen. Nur die Gebiete von Rom, Ravenna und andern Städten, wo sich griechische und longobardische Interessen begegneten, seufzten ein halbes Jahrhundert unter dem Druck der wechselnden Eroberungen. '1) Man wirft den Longobarden Grausamkeit und Roheit in ihren Kriegen vor, die aus ihrer barbarischen Erziehung, Sitte und Religion hervorgehen sollten, und Tiraboschi spürt mit besonderer Genauigkeit allen Excessen longobardischer Könige und Großen nach, deren er indessen keine so große Menge aufzuführen findet. Ob die Kriege in damaliger Zeit mit mehr Wildheit geführt wurden, als früher oder spåter, wo die Literatur blühte, möchte schwer zu beweisen sein; übrigens wåren im schlimmsten Fall die Longobarden nicht die einzigen Schuldigen, sondern stünden auf gleicher Stufe mit ihren civilisirten Gegnern. Viele Longobarden waren aber Heiden, und sollen römische Christen verfolgt haben. Dies wäre am wenigsten ein Grund, sie allein Barbaren zu nennen, denn die römische Kirche machte sich der entseßlichsten Grausamkeit sogar gegen ihre Glaubensgenossen schuldig. Dann bleibt der Zeuge und Ueberlieferer aller dieser Verfolgungen, der Papst Gregor, immer nicht ganz unverdächtig. Die christlichen Longobarden waren Arianer, doch wird ausdrücklich von ihnen erwähnt, daß ihre Priester die ka= tholischen nie im Geringsten beschwert haben. Wo wäre also die gerügte Grausamkeit, die sich doch in religiösen Differenzen am stärksten zeigt? Und gerade auf diese Glaubensverschiedenheit, welche die Toleranz der Longobarden in das hellste Licht seht, gründet Tiraboschi, der nun einmal in seinem System beharrt, seine Anklage, welche er, da Beweise fehlen, doch wenigstens als Wahrscheinlichkeit gibt.

Was aber ausgemacht, das ist, daß die eigentlichen Provinzen der Longobarden, besonders Norditalien, in einem ruhigen

1) Muratori, Annal. ad ann. 618. Denina, Rivol. d'Ital. Tom. I, p. 321.

und sichern Zustand, unter vortrefflichen Gesetzen, in einer freien Constitution zu blühen anfingen, und die Drangsale unter den griechischen Heeren bald vergaßen. Die Longobarden nahmen sehr empfänglich die feinern Sitten sehr bald an, ohne von ihrem edeln Charakter etwas einzubüßen. Sie vermischten sich nicht, wie ihre Vorgänger, mit der eingebornen Race, sondern hielten sich fern von ihr, und prosperirten in dem Maße, als die Rómer, denen noch dazu die verweichlichte Sitte und die Trägheit eine Vorliebe für das Côlibat gaben, nach und nach erloschen. ') Die Geschiedenheit und selbst der Haß zwischen ihnen und den Römern dauerte selbst noch nach dem Untergang des Longobardenreichs fort; der Name Römer war bei den Longobarden ein Schimpfname, und bezeichnete, wie Luitprand sagt, alles Unedle, Furchtsame, Geizige, Lururiöse, Lügenhafte. 2)

Die Longobarden ersezten die Säfte der römischen Race, welche des Lebens und Verjüngens unfähig geworden waren, und bildeten mit ihrer tüchtigen Gesinnung und festen Natur den Kern, um den sich später die Schale der Gesittung anschloß. Die stets unruhige Kirche, welche in diesen freisinnigen Ketern kein brauchbares Werkzeug ihrer Plane fand, rief das vierte Volk, die Franken, nach Italien. Die Longobarden mußten die Herrschaft über Italien abgeben, aber nie ließen sie sich den überwiegenden Einfluß aus der Hand spielen, der ihnen auch ohne Thron und Scepter in der Geschichte der Eivilisation verliehen war. Die Karolinger wurden nun Herren des Landes; ihr Einfluß war unmittelbar sehr gering, da die meisten sich mit ihren weitläufigen nördlichen Reichen beschäftigten, und insofern schädlich, als bei ihrer wenigen Aufmerksamkeit auf Italien die Kirche völlige Muße hatte, ihre Anmaßungen auf eine furchtbare Art

1) Diese aus der grånzenlosen Ueppigkeit hervorgehende Verringerung und fast gänzliche Ausrottung der Bevölkerung fing eigentlich viel früher an. Die Ehe wurde als ein unerträgliches Joch betrachtet, und ungeachtet der unzähligen Geseze gegen die Ehelosen und zu Gunsten der Ehemånner war den Römern ein ungebundenes und ausschweifendes Leben viel beliebter, und der Mangel an Kindern schon unter Constantin so groß, daß der Besiß eines einzigen Sohnes bedeutende Vortheile verschaffte. Denina, Riv. Tom. 1, Libr. IV, cap. 1.

2) Sismondi, Hist. des Rép. ital. Tom. I, chap. 1.

auszudehnen. In ihrer Zeit wurde der Grund zu der weltlichen und geistlichen Herrschaft der Päpste gelegt, auf welchem einige glückliche und kühne Nachfolger ein Gebäude errichteten, das Jahrhunderten getrost hat. Doch war unter den beständigen. Bruder- und Vaterkriegen, welche die Geschichte der Karolinger eben nicht vortheilhaft bezeichnet, Italien weniger unglücklich, als die übrige Erbschaft Karl's des Großen, und genoß eines theilweisen Friedens, in welchem der wohlthätige Einfluß der Longobarden ziemlich ungestört wirken konnte. Land und Städte füllten sich mit rüstigen Einwohnern, Straßen und Märkte mit Erzeugnissen des Fleißes; die longobardische Lehnsverfassung erweckte Selbstgefühl und edeln Stolz, Liebe zur Freiheit und zu den Waffen und fördernde Nacheiferung. Doch eine solche Verfassung verlangte kräftige Könige, deren sich Italien, außer Ludwig II., unter den Karolingern nicht erfreuen konnte, und eben diese Schwäche in der weltlichen Herrschaft war die eigentliche Losung zu der merkwürdigen Veränderung in dem Charakter und den politischen und socialen Einrichtungen der Italiener, die als der lehte Ukt ihrer Verjüngung anzusehen ist. Das Lehnwesen durchdrang alle Einwohner bis in die untersten Klassen, und gab allen ein eignes Selbstgefühl, ganz verschieden von dem der Römer. Die Großen des Reichs wurden mächtig und achteten sich dem Oberhaupt gleich, die geringern Grafen und Barone ahmten ihnen nach, und waren in ihren Besitzungen Könige und Lehnsherren, und so war keiner bis zu den allergeringsten Edelleuten, der nicht durch Verlehnung eines Hauses, einer Mühle, eines Grundstücks, sich einen Hofstaat, eine gewisse Macht und politische Wichtigkeit verschafft hätte. Durch das Lehnwesen rückte die Menschheit durch alle bürgerlichen Klassen um eine Stufe höher; die Sclaverei, deren Ketten das Christenthum nicht zu zerbrechen vermochte, fand in dieser germanischen Sitte ihre Befreiung. Der römische Sclave ward nun Höriger seines Lehnsherrn, der wieder in demselben Verhältniß zu einem Mächtigern stand, und so ward das ganze Land ein in unendlichen Abstufungen getheiltes Lehen des Königs. Da dieser aber bei einer solchen Verfassung nur eine ideelle Macht besaß, so erhielt das Freiheitsgefühl eine unglaubliche Nahrung; Jeder machte sich in seiner Provinz, in seiner Grafschaft, auf seinem Schloß und

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