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halb das Schloß diesen Namen trage. Der Name mußte doch etwas mit Mädchen zu tun haben, gerade wie die deutsche Bezeichnung Magdeburg, von dem die Schöppenchronik erzählte, Julius Cäsar habe hier eine Burg und einen Dianatempel gebaut und die Stadt Parthenopolis genannt. Im Tempel seien viele Mädchen für den Dienst der Göttin gewesen, und so habe sie den Namen Megedeborch bekommen.84 Die Schriftsteller, die sich über den Namen Edinburghs äußerten, hätten an und für sich auch zu einer solchen Ausdeutung greifen können, sie erzählen aber gewöhnlich, der König habe sich dort mit Mädchen vergnügt und deshalb sei der Name der Burg und des Ortes aufgekommen.85

In der Historia hatte also Geoffrey die Stadt als Gründung eines britischen Fürsten angesprochen. Das konnte in spätern Jahrhunderten verhängnisvoll werden, wir werden ja noch hören, wie oft die Sagen in der Politik zur Begründung gewisser Rechtsansprüche ver wendet wurden. Wir dürfen vermuten, daß die schottischen Historiker sich bemühten, einen andern Gründer ausfindig zu machen, wenigstens als Eponymos von castellum Puellarum = Edinburgh. Und in der Tat leitet Fordun in seiner schottischen Geschichte den Namen von einem schottischen König Heth ab, der Agned wiederhergestellt haben sollte.86 Dasselbe tut Hector Boethius in seiner Landesgeschichte. Aber er geht noch weiter als Fordun und spricht die Gründung von Agned dem Piktenkönig Camelonus zu, dem auch Camelodunum.

84 Vgl. Magdeburger Schöppenchronik, ed. C. Hegel, Leipzig 1869 (Chroniken der deutschen Städte), pag. 7.

85 Vgl. Manning, v. 2170: Wiþ maydenes had he þer his play. 86 Vgl. SM. Kommentar, pag. 215, 11: Agned, quae per Heth, Scotorum regem reparata, postmodum Hethinbourgh dicta fuit.

seinen Ursprung zu verdanken haben sollte; dann nennt auch er den Piktenkönig Etho als Eponymos von Edinburgh und sagt, hier hätten die königlichen und edeln Jungfrauen der Pikten bis zum Alter ihrer Verheiratung die Kunst der Handarbeiten gelernt. Er gibt Er gibt also eigentlich zwei Erklärungen des Namens, und versucht, dem Namen Mädchenburg eine möglichst harmlose Bedeutung zu geben.87 Während die Gelehrten der spätern Jahrhunderte diese Ausdeutungen ablehnten 88, überlieferten die Verfasser populärer Geschichtswerke, wie etwa Holinshed, dieselben weiter; letzterer spricht zwar auch von Ebraucus als dem Gründer des Mädchenschlosses, führt aber den andern Namen, Edinburgh, auf den schottischen König Aidan zurück.89

Nach Geoffrey hatte Ebraucus auch Schmerzensberg, montem dolorosum, erbaut. Dieser Name eignete sich noch besser als die vorhergehenden zur Ausdeutung. Wahrscheinlich beruht der Name auf irgendeinem Mißverständnis.90 San Marte hat schon darauf hinge91 wiesen, daß sowohl Mädchenburg als Schmerzensberg den jüngern französischen Romanciers hinreichenden Anlaß boten, beide mit Wundern und Abenteuern auszustatten. Eine Spur dieser Traditionen finden wir im

87 Vgl. Boethius, pag. 12: Condidit & rex (sc. Camelonus) Agnedam oppidum, & arcem loci natura munitissimam. Id posterior aetas ab Etho Pictorum rege Ethinburgum arcem, Puellarum castrum quod illic regiae Pictorumque virgines insigniores, manuariis artibus discendis ad nubilem aetatem addictae arcta custodia servabantur. 88 Vgl. Buchanan, SM. Kommentar, pag. 215, 11.

89 Vgl. Holinshed, Chronicles, vol. 1, pag. 197: Ebranke the lineall heire from the bodie of this Locrine builded in Albania the castell of Maidens, now called Edenborough (so called of

Aidan somtime king of Scotland).

90 Vgl. SM. Kommentar, pag. 216.
91 Loc. cit.

kleinen Brut des Rauf de Bohun.92 Da es sich nicht um eigentliche Gründungssagen handelt, genügt ein Hinweis.

Von der Gründung von Alclud der Name gilt als alte Bezeichnung für das schottische Dumbarton ist weniger die Rede; sie wird einfach als bloße Tatsache mitgeteilt. Wir werden später noch hören, daß man Ebraucus auch Städtegründungen zugeschrieben hat, von denen Geoffrey nichts erzählt.

d) Carlisle.

Die dritte Stadt, die der Historia zufolge in Britannien gegründet worden, ist Kaerleir (Carlisle in Cumberland). Ihr Erbauer ist der Sohn des Königs Brutus Grünschild, der Großsohn des Ebraucus, Leir. Zum Schutz des Reiches baute er die Stadt im Norden, die er nach sich benannte. Damals begann Salomo den Bau des Tempels in Jerusalem und besuchte die Königin von Saba den Weisen, und damals regierte Sylvius Epitus bei den Latinern. Leir regierte 25 Jahre lang, aber zu milde und schwach, so daß im Innern des Reiches Zwietracht herrschte.93 Jedenfalls ist der Name schuld, daß man nicht auch diese Stadt dem Ebraucus zugeschrieben hat. Ist der Name des Königs aus dem der Stadt erschlossen? Wahrscheinlich nicht, denn dieser hat ja ein,,1"; es scheint, daß die zwei Namen nachträglich miteinander in Beziehung gebracht worden sind. Von diesem älteren Leir wissen wir sonst gar nichts, er teilt mit seinem Urgroßsohn den Bau einer Stadt

92 Vgl. Meyer Bulletin de la société

..., pag. 112.

93 Lib. 2, cap. 9: Vixit deinde Leir post sumptum regnum viginti quinque annis, sed regnum tepide in fine rexit. Segnitia ejus discordia subito in regno orta est.

und eine schwache Regierung im Alter. Wir können heute nicht mehr verstehen, wie Geoffrey zu diesem Kaerleir gekommen ist; der Stadtname lautete doch schon sehr frühe mit einem,,1". Wenn der Name des Gründers erschlossen ist, sollte er eigentlich auch ein 1 haben. Der Name Leir war aber wahrscheinlich schon vorhanden, und der Stadtname wurde an den Personennamen angepaßt. Vom spätern ist dieser ältere Leir durchaus unterschieden, wie ja ihre Gründungen auch.

Daß die Namen garnicht zusammen stimmen, haben viele Dichter und Chronisten gemerkt. Sie nennen den König deshalb nicht Leir, sondern Leil und die Stadt Carleil. Auf wen geht diese Abänderung zurück? Merkwürdigerweise hat schon Wace und nach ihm Layamon diese Formen.94 Kannte der normännische Dichter eine Handschrift mit den Formen, die er uns mitteilt? Gab es, wie wir schon in einem frühern Abschnitt gefragt haben, eine andere Version der Historia? Wenn wir die Epistola Henrici archidiaconi fragen, die ja ein Auszug aus der Historia sein soll, bekommen wir nicht die gewünschte Auskunft, denn hier wird die Stadt, wohl durch ein Mißverständnis, nicht Leir, sondern seinem Vater Brutus Grünschild zugewiesen.95 Aber auch hier heißt die Stadt Carleil, und nicht Kaerleir. Wer die Frage einer zweiten Version der Historia lösen will, wird auch der soeben erwähnten Tatsache gedenken müssen.96

94 Vgl. Wace I, pag. 78: Léil ses fius, puis son décès / Vint cinq ans fu rois emprès. / Une cité, ce dist l'estore, Fist por tenir de lui mémore: / Kaërléil ot non, vers nort.

95 Vgl. Epistola, ed. Howlett, pag. 67: Brutus Viride Scutum. ... Hic construxit Carleil tempore Salomonis et Roboam regum.

96 Schon im Abschnitt über die Brutussage haben wir darauf hingewiesen, daß der Anonymus Cadomensis eine gewisse Ähnlich

Die Tradition hat die magern Angaben Geoffreys nicht erweitert. Die meisten Schriftsteller begnügen sich mit der Erwähnung des britischen Fürsten Leil und seiner Stadtgründung.97 Andere, wie Waurin 98, sprechen von Leir und Carleil. Dieser Chronist erwähnt auch, daß einige nicht von Carleil, sondern von Carduil sprechen. Im Eulogium 99 ist der König mit dem jüngern Leir verwechselt, denn der Verfasser sagt, Carleil sei eine Stadt im Norden, die Leir, der zehnte König der Briten, gegründet habe.

e) Die Städtegründungen des Königs Hudibras.
(Canterbury, Winchester und Shaftesbury.)

Geoffrey berichtet von der Gründung dieser Städte, die alle drei möglicherweise britischen Ursprungs sind, wie folgt (lib. 2, cap. 9): Nach des ältern Leir Tode folgte ihm in der Regierung sein Sohn Hudibras nach. Dieser stellte die Eintracht, die dem Reich während der Herrschaft seines Vaters abhanden gekommen war, wieder her. Er gründete Kaerlem, das heißt Cantuaria, Kaerguen, das heißt Guintonia, und Paladur (oppidum montis Paladur), das jetzt Sefovia heißt. Bei der Erbauung der Mauern prophezeite der Adler, dessen Worte Geoffrey mitteilen würde, wenn er sie für wahr halten könnte. Damals regierten Capys, und prophezeiten Aggeus, Amos, Johel und Azarias.

Warum die Gründungen dieser Städte Hudibras zugeschrieben wurden, vermögen wir nicht einzusehen. Zu

keit zur Epistola aufweist, und so ist denn auch hier zu bemerken, daß die Gründung unserer Stadt dem Brutus Grünschild zugewiesen wird und Carleuil heißt. (Vgl. Memoriale Walteri de Coventria, pag. 3 ff., der auch nur sechs Verse des Orakels kennt.)

97 Manning, Gervasius von Tilbury, der Brut.

98 Pag. 86. 99 Vol. 2, pag. 151.

Matter, Englische Gründungssagen von Geoffrey of Monmouth. 24

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