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tische Krone und errichtet ein Denkmal, das d Geschlechtern zeugen wird vom Verrat und Sachsen, von der Vaterlandsliebe und Aufopf digkeit der Briten.

Die Sage bei Geoffrey erzählt eigentlich der Reichsgründung der Sachsen; ihr Fül in den Besitz von Kent und einiger anderer sie werden ihnen von den Briten jedoch genommen, Octa, nach andern Quellen de der kentischen Dynastie, wird von ihnen in schlagen. Hengist und seine Nachkommen an der Spitze eines festgefügten Staates, si bei Geoffrey auch nicht etwa als Schöpfer de Hengist ist einfach der Führer der Sachsen, d um Britannien, es geht ums Ganze; aber nicht erreicht, das Lebenswerk ist in Fr der Streit geht weiter; so fehlt dem We Vergleich zur Brutussage, der Abschluß; di von Hengist und Vortegirn wird zur Epi scheinlich ist die historische Überlieferung Hengist nicht wie Brutus zum machtvoller eines neuen Reiches geworden ist.

Wenn man die Sage als Komposition wird man ein anerkennendes Urteil nicht ve nen. Die einzelnen Szenen sind logisch a reiht, ihre Folge ist durch das Handeln der I bedingt, und über deren Absichten sind wir im Zweifel wie bei ,,Nennius". Vortegirn gel einen Mord auf den Thron, dies ist entsch seine Stellung zu den Briten, den Pikten und sen; er muß in den ersteren seine Feind letztern seine Retter sehen. So ist auch die

immer neuer Scharen wohl begründet. Das Schicksal Vortegirns wird nicht durch einen Heiligen bestimmt, der zufällig nach Britannien gekommen ist; auf der einen Seite bedroht ihn sein Feind Aurelius Ambrosius, auf der andern sein scheinbarer Freund Hengist. Unser Interesse ist auf deren Handeln konzentriert, es wird nichts berichtet, was uns ablenken, was den Fortgang der Handlung unterbrechen könnte. Die Wunder des Germanus werden nicht erzählt, und der Heilige ist nicht mehr der Deus ex machina, der den König unsern Blicken entzieht, ihn nach Wales treibt. Wir erfahren unzweideutig, daß das Volk seinen König verläßt und dessen Sohn Vortemir zum Fürsten wählt. Dieser stirbt nicht zufällig, nachdem er die Sachsen und Hengist vertrieben hat, er wird von seiner Stiefmutter vergiftet. Der vertriebene Hengist kommt nicht von ungefähr wieder nach Britannien, er wird auf Bitten seiner Tochter von Vortegirn eingeladen. Er muß zur List greifen, wenn er im Lande bleiben will, denn Rowena hat ihm gemeldet, daß er in Britannien keinen Freund mehr besitzt. Wir sehen, die Vorgänge sind gut motiviert; es ist nicht dem Spürsinn des Lesers überlassen, nach Gründen für einzelne Vorfälle zu suchen.

Gerade unsere Sage gibt Geoffrey Gelegenheit, sein Erzählertalent zu zeigen. Die Darstellung läßt an Lebendigkeit nichts zu wünschen übrig, die zum Teil durch den häufigen Gebrauch der direkten Rede erzielt wird. Der Verfasser der Historia versteht nicht nur, Kampfszenen zu schildern, er hat auch Sinn für das Liebliche einer Episode; wir haben schon bei der ersten Begegnung Vortegirns mit Rowen darauf hingewiesen, wie er es verstanden hat, durch geringfügige Änderungen der nen

nianischen Darstellung feine Wirkungen zu erzielen. Besonders wertvoll ist die Schilderung der Charaktere. Vortegirn ist ein Erzbösewicht, dem jedes Mittel recht ist, wenn es ihn nur seinem Ziele näher bringt; um seine Pläne durchzuführen, bedient er sich des Mordes, der Lüge, des Verrates; nichts ist ihm heilig, weder das Wohl seiner Untertanen, noch das Glück seiner Familie. In den Tagen, da es ihm wohl geht, ist der Tyrann entschlossen und stark, in den Tagen des Unheils erweist er sich als ein erbärmlicher Schwächling, der sich seiner Verantwortung durch die Flucht zu entziehen sucht. In seinem Helfershelfer, dessen Absichten der Leser früher erkennt als der König, hat er seinen Meister gefunden. Hengist ist der einzige Mensch, dem der König seine Gunst geschenkt hat, den er mächtig gemacht hat, und gerade von diesem einzigen wird er verraten. Tyrannenlos.

Während Vortegirn erst in der Historia als geschlossener Charakter dargestellt wird, ist Hengists Pesönlichkeit schon bei „,Nennius" scharf umrissen, schon in der Historia Britonum ist er der gewiegte Politiker, dem das Ziel alles, das Mittel nichts bedeutet. Die Erweiterungen, wie sie oben angegeben worden sind, haben am Charakterbild des Sachsen nichts geändert; trotzdem hat es gewonnen. Die Darstellung Vortegirns als eines rücksichtslosen Tyrannen läßt auch die Handlungen seines heimlichen Gegners bedeutsamer erscheinen.

Bis jetzt war immer nur von Vorzügen die Rede, den Maßstab für die Beurteilung lieferte,,Nennius“; es soll jedoch nicht der Eindruck erweckt werden, als ob das Werk schlechthin befriedigte. Nicht alle Personen, mit deren Erwähnung die Historia Britonum sich be

gnügt, sind lebendig geworden. Von Rowena, der schönen Helfershelferin ihres Vaters, die ihren Stiefsohn aus der Welt schafft, erfahren wir ziemlich wenig, wir wissen bloß, daß sie eine unheilvolle Macht auf Vortegirn ausübt; die Darstellung ihres Wirkens am britischen Hof wäre ein dankbares Thema gewesen. Auch mit Vortemir, dem Retter Britannienns, weiß die Historia nicht viel anzufangen. Während sie etwa genau darstellt, wie Vortegirn die Pikten zur Ermordung des Königs Constans reizt, hören wir nichts von einem Konflikt zwischen ihm und seinen Söhnen, es heißt einfach, er habe sie sich durch seine Vermählung mit der sächsischen Fürstin zu Feinden gemacht. Ein packendes Kapitel hätte sich über diese Familientragik schreiben lassen. Geoffrey deutet nicht einmal an, ob die erste Gemahlin Vortegirns noch lebe.

Eine Ausnahme von der oben gerühmten Motivierung der Vorgänge macht die Tatsache, daß Vortegirn nach der Ermordung seines Sohnes Vortemir wieder als König auftritt. Haben ihn die Briten wirklich wieder als König anerkannt, besaß er die Macht, sich durchzusetzen? Auch hier ist ein Stück „Nennius" stehen geblieben.

Man könnte der Historia auch den Vorwurf machen, daß sie nicht alle Elemente, mit denen sie die Sage bereichert hat, vollkommen logisch dem alten Bericht einfügt; wir haben bei der Erwähnung des Baues von Thancaster davon gesprochen. Ja die Erweiterungen selbst bieten Anlaß zu Einwänden. Erst die Historia Geoffreys kennt den Britenkönig Constantin. Er wird 271 durch einen Pikten ermordet. Wie ist aber die Rede des Aurelius zu verstehen, der Eldol klagt, Vortegirn

271 Lib. 6, cap. 5.

habe seinen Vater Constantin und seinen Bruder Constans verraten? Hier ist ein Widerspruch, der nicht mit Hilfe des ,,Nennius" zu erklären ist.

Das Hauptverdienst der Version Geoffreys ist die Beifügung der Vorgeschichte Vortegirns, die erst einen Sinn in die Geschichte bringt, die uns den Schlüssel liefert zum Verständnis der folgenden Vorgänge, sowie die Erzählung vom Sieg des Aurelius, der sich an den beiden Verrätern rächt.

5. Die Verbreitung der Sage.

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Im mittelenglischen Brut 272 lesen wir: „Und Hengist ging durch das Land; überall ließ er Kirchen und Klöster niederreißen, zerstörte er das Christentum; er befahl auch, daß man den Namen des Landes ändere, niemand wagte mehr von Britannien zu sprechen, man nannte das Land Engistsland." Hengist ist in der spätern. Tradition zum Eponymos geworden. Die Historia Geoffreys weiß noch nichts davon. Aber erzählte sie nicht, daß die Briten einst den alten Namen des Landes abgeändert hatten, daß sie es nach Brutus Britannien nannten? Nun hatten auch die Sachsen der Insel einen neuen Namen gegeben, sie hießen sie England; stammte nicht auch diese Bezeichnung vom Führer der neuen Rasse? Was konnte England anderes bedeuten als Hengistsland? Indem Hengist zum Eponymos wurde, war seine,,Popularität" gesichert. Wenn England als Hengistland aufgefaßt wurde, so lag es nahe, einen Ausdruck wie englische Sprache als Hengists Sprache zu deuten 273, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn

272 Ed. Fr. Brie, pag. 54.

273 Vgl. G. C. Macaulay: The English works of John Gower, Confessio amantis, 1: Qua tamen Engisti lingua canit Insula Bruti.

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