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Classe die vier summa collegia, Pontifices, Augurn, Quindecimviri, Fetialen. Wie weiter das weise Streben nach Gleichgewicht diese Macht durch andere politische Körper beschränkt habe, ist bei Ambrosch lesenswerth auseinandergesetzt. Wenn das Thatsächliche dieser Verhältnisse für die Zeit, welche Ambrosch andeutet (republica adulta), nicht geläugnet werden darf, so sind dieselben dagegen, sobald man sie durch die ganze Dauer des Priesterthums verfolgt, manchen Beschränkungen unterworfen. Eine solche Trennung der Magistratur und des Priesterthums, wie sie während der Republik sich findet, kennt weder die Königszeit, noch gilt sie für das Kaiserthum (Coopt. Abschn. 5). Dass sich beide Richtungen aus derselben Wurzel nach verschiedenen Seiten hin entwickelten und zuletzt, unter den Kaisern, deren Zeit vielfach den Anfängen des Staates gleicht, sich wieder einander näherten, glaube ich a. a. O. gezeigt zu haben. So ist namentlich die Königszeit die Periode der Indifferenz in dieser Beziehung. In der Person des Königs ruhen die Functionen des rex sacror. und des Pontificats. Der Tribunus Celerum hat nach Dionysius in Numa's Priesterordnung die dritte Stelle, während seine sacralen Functionen zu Dionysius Zeit, wie dessen Worte zeigen, beschränkt waren. Auch die Curionen, bei denen Ambrosch eine solche Mischung läugnet, dürften derselben sehr nahe gewesen sein, so dass nur für die Flamines die einseitig priesterliche Function bleibt, da sie sich für die Vestalen von selbst versteht, obgleich auch diese im Laufe der Zeit durch politische Auszeichnungen gehoben werden. In der Kaiserzeit kehrt das Pontificat wieder zu dem Haupte des Staates zurück, und es vereinigen sich mit ihm noch andere priesterliche Würden, auch der Zutritt zu den meisten Priesterschaften wird viel leichter, weil das Priesterthum sowohl wie die Magistratur ihre alte Bedeutung vor jener Autorität eingebüsst haben. Aber auch in der Republik ist in dieser Beziehung keine unwandelbare Beständigkeit, sondern, namentlich beim rex, den flamines und pontifices selbst ein Streben sichtbar nach der politischen Sphäre. Wir haben ferner einen Wechsel hinsichtlich der Zahl und Bestandtheile selbst in den summa collegia wahrgenommen. Der

rex sacr., welcher sich früber mit der Person des Königs vertrug, ist nun für immer von ihm geschieden, auch aller politischen Bedeutung entkleidet. Die Curionen treten als Priester und überhaupt in den Hintergrund. Fragt man aber, wie sich zu diesen Stufen in der politischen Theilnahme die früheren Partitionen verhalten, so hat Ambrosch schon die Beziehung zu seinen Priestern der Disciplin und der Cäremonie angedeutet. Diese fallen aber mit jenen hier nirgend rein zusammen. An der Magistratur betheiligen sich zwar zumeist die vier Priesterschaften der Disciplin, aber auch die Luperci, Salier und Arvalen, während nur Priester der Cäremonie, Vestalen, Rex, Curionen, Flamines ausgeschlossen bleiben. Dagegen stellt sich die Beziehung zu den Verfassungsformen reiner dar; nur die Collegien, die selbständigen Priesterschaften sind auch die politisch Bevorzugten, die Einzelpriester von jenen abhängig, haben auch im Staate keine Geltung, der Rex, die Flamines, die Curionen; der Vestalen nicht zu gedenken. Und das ist natürlich. Auf dem politischen Gebiete müssen die in der Verfassung des Priesterthums beruhenden Unterschiede am meisten gleichartige Wirkungen erzeugen. Und zwar zeigen sich auch hier noch die historischen Stufen dieser Unterschiede wirksam, je mehr die Bedeutung dieser Verfassungsformen schwindet, desto weniger scheiden sich auch Priesterthum und Magistratur.

Endlich ist auch hier die Fähigkeit zu betrachten, das Priesterthum zu verlassen und in die politische Sphäre überzutreten, oder die Nothwendigkeit stets in ihm zu verharren, die Indelebilität. Wir wissen, dass in manchen Priesterthümern ein geringer Fehler im Ritus die Priesterwürde verwirkte; wie bei den Flamines. Bei den Saliern musste austreten, wer Consul oder Prätor ward. Den Vestalen ward der Austritt nach 30 Jahren erlaubt, aber von der gewöhnlichen Meinung nicht gut geheissen. Die Indelebilität haftete am Augurat, am Arvalenthum, der Würde des rex, des pont. max., vielleicht auch der übrigen Pontifices. Der Grund dieser Unterschiede wird uns nirgend genannt), und es ist schwer denselben auf

8) Plut. q. R. 99 sucht selbst nach dem Grunde der Indelebilität der Augurn.

zufinden, ja es lässt sich nicht einmal sagen, ob derselbe ein ursprünglicher oder veränderlicher, mit der Zeist sich gestaltender war. Auch ist klar, dass er mit den genannten übrigen Differenzen gar nicht zusammentrifft, denn die Indelebilität trifft sowohl Priester der Disciplin als Cärimonie, Einzelpricster und Priestercollegien, Priesterschaften verschiedener Zeit und verschiedener politischer Geltung. Ueber manche sind wir in dieser Hinsicht nicht einmal unterrichtet, denn wir wissen darüber nichts bei den Luperci, Septemviri, XVviri, Feciales, Curiones. Gehen wir aber auf die Anfänge zurück, so dürfte es wahrscheinlich sein, dass die Indelebilität allen Priestern eigen war, und dass wo sie später fehlte, aus besonderer Rücksicht, und vielleicht nicht immer aus derselben, eine Dispensation eingetreten war, wie das am meisten bei den Vestalen der Fall zu sein scheint.

Der dritte Kreis von Merkmalen des Priesterthums, welcher die natürlichen Unterschiede des Alters, des Geschlechts, der herrschenden und dienenden Classen begreift, braucht in dieser Uebersicht nicht weiter erörtert zu werden. Denn diese allein sind die unveränderlichen, weil von der Natur gegebenen und daher bleibenden und fallen also wenig oder gar nicht unter den historischen Gesichtspunkt, den wir bisher als den leitenden erkannt und verfolgt haben.

SO

Fassen wir nämlich unsre übersichtliche Betrachtung aller für das Priesterthum gültigen Unterschiede zusammen, dürften wir zu folgendem Ergebniss gelangen. Weder in der Richtung seines idealen Grundes, der Götterwelt, als den primitiven Unterschieden treffen wir eine dauernde Beständigkeit, denn das religiöse System ist nicht fertig, sondern in Fluss und Bewegung, noch herrscht hier Isolirung, sondern es tritt Verbindung und Combination ein. Dasselbe ist natürlich noch mehr der Fall in dem Zusammenhang der realen Erscheinung des Priesterthums mit dem Staat, es ist den grossen Perioden des Staatslebens mit unterworfen und der wechselnde Charakter dieser verändert auch die inneren und äusseren Verhältnisse des Priesterstaates. Die grossen Scheidelinien der Bevölkerung, das Patriciat und die Plebität sind nicht Haltpunkte für eine Trennung des Priesterthums, son

dern werden vielmehr ein Moment seiner Entwicklung. Auch die genetisch-historische Anordnung für den Fall, dass sie erreichbar wäre, giebt kein festes System, denn das Nebencinanderstehende wirkt gegenseitig auf sich ein, und nicht bloss auf das Entstehende. So wird kein in seinen Bestandtheilen streng geschiedenes Bild gewonnen, sondern vielmehr ein in sich zusammenhängendes Ganze, wo die Verbindungsfäden nicht einfach fort- und hinüberleiten, sondern sich verschlingen und kreuzen. Also in keiner Beziehung ist Stabilität das Princip des Priesterthums, sondern die Entwicklung und das historische Leben. Die Summe dieser historischen Bewegung nach allen Seiten hin ist also der wahre Grund für eine Eintheilung des Priesterthums. Freilich behalten alle historisch gewordenen Unterschiede auch ihr Recht, aber nur als Einschlagfäden im unvollendeten Gewebe. Eine einseitige Betrachtung irgend eines solchen Merkmals kann daher nicht. genügen, nicht erschöpfen, sie kann nur Ausgangspunkt, nicht Endpunkt sein, sondern alle müssen erfasst, und mit historischem Sinne verfolgt werden. Wie es keine ausreichende genetisch-historische Anordnung giebt, so auch keine vollkommene Partition nach Kategorieen, sondern nur eine alle diese Momente in sich vereinigende Geschichte des Priesterthums. Denn das Priesterthum ist trotz seiner Theile ein Ganzes und trotz seiner Solidarität Theil eines andern Universums. Eine Geschichte des Priesterthums, welche den historischen Verlauf seiner Merkmale entwickelt, enthält daher auch die Eintheilung desselben nach allen Seiten zu aller Zeit.

Druckfehler.

S. 332 Z. 12 v. o. Anfassung
» 336 » 13 v. u. Tpòs

lies Auffassung.
» πρὸς

TEE

» 338 » 10 v. o. am wenigsten

» 339 » 19 v. o. erwäht

am meisten.
erwähnt.

» 344 » 4 v. u. eine unabhängige » eine abhängige.

(Aus dem Bull. hist.-phil. T. X. No. 18. 19. 20. 21. 22.).

KRITISCHE UNTERSUCHUNGEN ÜBER DIE VON DEM ALKMÄONIDEN KLEISTHENES IN ATHEN EINGEFÜHRTE STAATSVERFASSUNG. VON DR. M. KUTORIA. (Lu le 21 janvier 1853.)

I.

Ueber die Vertheilung der Bürgerrechte an die Metöken.

Aristoteles erwähnt in der Schrift über den Staat 1) unter Anderem die von dem Alkmäoniden Kleisthenes in der Republik Athen bewerkstelligten Reformen und die von ihm ausgegangene Verleihung des Bürgerrechts an viele Bewohner Attika's, welche diesen Vorzug bisher hatten entbehren müssen. Er erzählt dies Ereigniss keineswegs mit allen Einzelnheiten, sondern deutet es seinem durchgängig festgehaltenen Grundsatz gemäss nur kurz an zur Erläuterung des Gegenstandes, mit dem er sich eben beschäftigt und den er von verschiedenen Gesichtspunkten aus beleuchtet. Nach der Vertreibung der Tyrannen, sagt er, habe Kleisthenes viele ξένους καὶ δούλους μετοίκους in die Phylen aufgenommen. Diese Angabe des griechischen speculativen Politikers ist trotz ihrer Kürze von grosser Wichtigkeit und hat schon längst die Aufmerksamkeit vieler Philologen und Historiker auf sich gezogen. Wir wollen ihrem Beispiele folgen und uns bemühen, den eigentlichen Sinn der mit vollem Recht für sehr dunkel geltenden Stelle genau zu bestimmen.

1) Arist. Polit. III, 1, 10.

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