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glauben, sie sei mit Hülfe der Stelle des Tacitus gefertigt worden. Allein die griechische hebt jeden Zweifel. Denn den Vornamen Publius konnte der Fälscher weder aus Tacitus erfahren, der ihn gar nicht neunt, noch aus der griechischen Inschrift, die erst ein Jahrhundert später entdeckt worden ist. Da Glitius durch das Exil wohl auch das Patronat von Andros verloren haben wird, so wird man die griechische Inschrift vor das Jahr 65 n. Chr. setzen müssen. Die Inschrift von Cività Castellana aber hat wohl nur sein Kenotaph geschmückt. Auch dürfte eben dieser P. Glitius Gallus der Vater des bekannten « Q. Glitius P. f. Stellatina Atilius Agricola sein, wornach man vermuthen darf, dass die Turiner dem Q. Glitius geltende Weihinschrift 17) von den Bewohnern von Andros herrührt; und die Egnatia, deren Grossmutter in einer anderen Inschrift von Andros 18) erwähnt wird, wird eben die Gattin des P. Glitius sein.

17) Corp. Inscr. Gr. No. 6763. Die öffentlichen Ehrenbezeugungen decretiren in Andros nicht nur ẞovàn xai ó dñμos, sondern auch 'Avdpiwv πólis. Corp. Inscr. Gr. 2349o.

18) Corp. Inscr. Gr. No. 23494.

(Aus dem Bullet. hist.-phil. T. X. No. 16.)

UEBER DIE ANORDNUNG UND EINTHEILUNG DES RÖMISCHEN PRIESTERTIUMS. VON LUDWIG MERCKLIN. (Lu le 29 octobre 1852.)

Die Eintheilung eines Gegenstandes ist ebensowohl der Anfang als der Endpunkt für die wissenschaftliche Betrachtung. Sie beginnt mit derselben, um sich die verschiedenen Gesichtspunkte zu öffnen, die ein wissenschaftliches Object verträgt, sie schliesst mit der systematischen Ordnung, als dem reifsten Ergebniss ihrer Vertiefung und Ausbreitung. Denn wie mit dem Auffinden der Merkmale, ihrer Anordnung und Gliederung das logische Geschäft anhebt, so ist die Erkenntniss ihres Zusammenhangs, ihrer Abhängigkeit und Beziehung der Abschluss: die systematische Eintheilung erschöpft das Wesen des Gegenstandes. Zwischen diesen Punkten liegen alle Wege der erkennenden Thätigkeit, sie tragen sämmtlich bei zur allseitigen Ergründung des gewählten Stoffes, und aus der richtigen Constitution dieser Elemente ergiebt sich zuletzt der Gegenstand selbst, denn diese richtige Constitution fällt mit seinen Grundzügen zusammen. Es kann also alle wissenschaftliche Erkenntniss als ein Beitrag zu der Systematik ihres Gegenstandes angesehen werden. So verschieden nun nach den Objecten und den wissenschaftlichen Kräften, die sich an ihnen mühen, die Betrachtungsweisen sein können, es ist klar, dass unter den aus ihnen sich ergebenden Eintheilungen nur eine in jedem Falle die berechtigte sein wird, jene nämlich, die in dem Wesen des Objectes liegt, alle andern aber sich zu ihr nur annähernd Mélanges gréco-romains. I ̧

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verhalten werden, dass somit jene eine als die natürliche den übrigen als künstlichen entgegensteht. Wenn diese Erkenntniss vorzüglich von den exacten Wissenschaften befolgt wird, von denen jene Benennung entlehnt ist, so gilt sie doch nicht minder für alle historischen Erscheinungen. Gäbe es eine Tradition von solcher Treue und Vollständigkeit, dass sie das Geschehen und Werden selbst uns vor Augen stellte, so fiele ihre Kenntniss mit dem Ziel aller geschichtlichen Forschung zusammen, aber wir kennen nicht einmal alles Gewordene, und die geschichtliche Continuität ist selbst für den gleichzeitigen Forscher oder mithandelnden Augenzeugen nur eine ewige Zerstückelung. Die chronologische Anordnung ist gewiss für jeden historischen Gegenstand eine erste natürliche Forderung, aber selbst wo sie sich in vollem Masse erreichen lässt, ist sie nicht das natürliche System desselben, weil auf diesem Gebiete nichts unabhängig und einflusslos dasteht, noch ein einfacher Faden von dem Früheren zum Späteren fortleitet, sondern Alles sichtbar und unsichtbar mit einander zusammenhängt und nichts ohne Gefahr sein Wesen einzubüssen aus dem grossen Verbande sich ablösen lässt. Jene Anordnung ist also nur der erste Schritt und wie häufig schon ein behinderter. Es fallen darum auch die historischen Objecte unter dieselben Methoden und Gesetze, denen das Empirische sowohl wie das Gedachte unterliegt. Daraus ergiebt sich aber auch die Nothwendigkeit einer systematischen Betrachtung derselben und des Hinstrebens aller künstlichen Versuche zu ihrer wesentlichen Natur. Dies natürliche System derselben kann nur der Schlussstein aller Bemühungen sein, aber es verdient auch der Zielpunkt derselben zu werden. Damit die erforderliche Vertiefung nicht beeinträchtigt werde durch gleichzeitige Ausbreitung in den Umfang, ist zunächst mit dieser zu beginnen, da sie jener die vorläufigen Grenzen zeichnet. Bis dahin haben alle Eintheilungen nur einen bedingten, partiellen Werth als Resultate einseitiger Betrachtung, aber auch ihren Nutzen, namentlich in didaktischer Hinsicht.

Finden diese Sätze ihre Anwendung auf das römische Priesterthum, so kann es nicht entgehen, dass sowohl eine

vollständige chronologische Anordnung desselben als eine systematische Eintheilung noch vermisst wird, obwohl für jene sich Andeutungen in unsern Quellen finden und zu dieser von ältern und neuern Forschern Versuche gemacht worden sind. Diese letzteren werden vor denen am wenigsten Anspruch haben für erschöpfend zu gelten, welche wissen, wie neu die eindringliche Beschäftigung mit dem Gegenstande ist. Nichts desto weniger verdienen dieselben als Beiträge zum angedeuteten Ziele Berücksichtigung und unter ihnen muss billig Ambrosch's Leistungen ') die grösste Aufmerksamkeit zugewandt werden. Eine so viel als möglich umfassende Beurtheilung der für das römische Priesterthum sich bietenden Gesichtspunkte ist der Zweck dieser Abhandlung und wenn damit auch nur das Ungenügende der bisherigen Eintheilungsgründe und die Mittheilung einiger vernachlässigten Rücksichten gelingen sollte, hat sie bei dem gegenwärtigen Stande des Sacralrechts ihre Aufgabe gelöst, die noch nicht eine abschliessende und constitutive, sondern nur eine vorbereitende und ergänzende sein darf. Es ist aber diese Aufgabe zweifacher Art, indem sie einmal die historisch-genetische Ordnung des Priesterthums zu ermitteln hat, und da diese selbst bei grösserer Vollständigkeit doch nur eine äusserliche Gliederung ergiebt, zweitens die Gesammtheit der Erscheinungen in der Geschichte des Priesterthums nach den in der Natur desselben liegenden Kategorien zu zerlegen und zusammenzufassen sucht. Hier nehmen die systematischen Versuche des Alterthums selbst eine Stelle ein, dem sowohl der materielle Bestand des Priesterthums als seine geschichtliche Entwicklung gegenwärtiger war, während ihm die mannichfaltigen Beziehungen entgehen, mit denen die heutige Forschung ihre lückenhafte Kenntniss zu ersetzen sucht.

1) Studien und Andeutungen im Gebiet des altröm. Bodens und Cultus. Erstes Heft. Breslau 1839. De sacerdotibus curialibus dissertatio. Vratisl. 1840. Ueber d. Religionsbücher d. Römer. Bonn 1843. Quaestion. pontifical. prooem. cap. 1. 2. 3. im Index schol. in un. litt. Vratisl. hab. 1847 - 51.

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1. Historisch-genetische Ordnung des Priester

thums.

Obgleich das Priesterthum in Rom für sich betrachtet, seine eigene Geschichte hat, fällt diese doch mit den grossen Abschnitten zusammen, die für die Entwicklung des römischen Staates bestehen. Die Königszeit, die Republik, die Kaiserzeit sind die Stadien, in denen auch das Leben des Priesterthums verläuft. Nur breitet es sich über dieselben nicht gleichmässig aus, sondern hat offenbar da seine reichste Entfaltung gehabt, wohin wir nach der Beschaffenheit unserer Quellen, welche das Ende der Republik und den Anfang der Kaiserherrschaft beleuchten, am wenigsten eindringen können, in der Periode des Königthums. Alles bestätigt die Ansicht bewährter Forschung (Ambrosch, de sacr. Romanor. libris p. 11.), dass die meisten Priesterthümer bereits vor der Vertreibung der Könige bestanden. Im Uebergange dieser Zeit zur Republik entstand der rex sacrorum und erst im 6ten Jahrhundert die triumviri, nachher septemviri epulones (558 d. St.), mit denen die Zahl selbständiger Stiftungen schliesst. Desto reicher ist dieser zweite Abschnitt an Erweiterungen, Verdoppelungen, Modificationen der seit den Königen schon bestehenden Priesterthümer, veranlasst durch das Streben der Plebs nach Gleichstellung und Theilnahme. Die lex Licinia Sextia von 387 erhob zuerst ihretwegen die Anzahl der duumviri Sibyllini auf zehn; die . Ogulnia öffnete ihr das Pontificat und Augurat, aber auch die Flamines minores, die anfangs patricisch waren, müssen von ihr in dieser Zeit occupirt worden sein, denn schon acht Jahre nach der 1. Licinia Sextia finden wir das Flaminium Carmentale aus der Plebs besetzt (595 d. St.) (Ambrosch q. p. c. II. p. 14.) und wahrscheinlich wird im Vestalenthum damals eine ähnliche Veränderung eingetreten sein, was nicht auffallen darf, nachdem bereits 501 ein Plebejer pontifex maximus, und 544 Curio maximus geworden. Zu den nicht durch dieses Motiv veranlassten Erweiterungen gehört das dritte Collegium der Luperci Juliani im J. 709 (Cooptation S. 108 fg., Dionys. A. R. 1, 80. p. 208. R. Tρixñ

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