Page images
PDF
EPUB

ähnlichen unverständlichen Werken des Alterthums zuzuweisen, wenn ihr nicht durch eine doppelte Eigenthümlichkeit eine besondere Aufmerksamkeit gesichert würde.

Einer Seits dürfte sie, während jene häufig gefundnen ähnlichen Werke der spätesten Kaiser-Zeit angehören, bis gegen das zweite Jahrhundert vor der christlichen Zeitrechnung zurückreichen. Dafür sprechen die Formen der Buchstaben, namentlich das Schwanken der Schenkel des M und Σ zwischen einer genau senkrechten oder horizontalen und einer entschieden schrägen Richtung, welches Werken gerade dieser Zeit eigenthümlich ist, und hier in den meisten Wiederholungen dieser Buchstaben gefunden wird. Dafür spricht das leichte, natürliche Formengefühl, welches namentlich in der Behandlung der architectonischen Verzierungen und des in der Mitte angebrachten Idols zu erkennen ist. Dafür spricht endlich der Mangel jener zahlreichen Attribute, mit denen die spätre Zeit das Ephesische Cultus - Bild oder wenigstens seine Copieen mehr, als jedes andre überhäufte, während es leicht zu beweisen ist, dass die Copieen desselben in der Regel um so älter sind, je mehr sie sich hiebei nur auf das Nothwendigste beschränken. Wollte man die Kleinheit des Maasstabs für die Ursache davon halten, so würden wir unter Anderem auf die Münzen der römischen Kaiser - Zeit hinweisen, welche uns dasselbe Bild in weit kleinerem Maasstab und doch mit reicheren Attributen versehen bieten.

Andrer Seits gehören jene ähnlichen Werke der spätern Kaiser-Zeit ganz andern Religions - Kreisen, namentlich dem ägyptischen und syrischen in ihrer Vermischung mit griechischen, römischen und andern Vorstellungen an; diese kleine Platte aber, wie die in der Mitte angebrachte weibliche Figur beweist, dem Cultus der Ephesischen Artemis, aus welchem mir bisher nur noch ein andres, weit weniger umfangreiches Amulett dieser Art (Collezione di tutte le antichità, che si trovano nel Museo Naniano. Ven. 1815. No. 401) bekannt geworden ist. Denn dass die zwei geschnittnen Steine und das Goldplättchen,

welche K o p p hieher zu ziehen geneigt war, wenigstens zunächst nicht im Cult dieser Göttin, sondern in der Lehre von den idäischen Dactylen wurzeln, hat er selbst später (Palacogr: crù. III., p. 596.) richtig bemerkt. Dass uns aber die Syrakusische Terracotta nicht etwa die Nachbildung irgend eines andern alterthümlichen Idols, wie sie namentlich in Vasen-Bildern häufig vorkommen, sondern des Ephesischen ArtemisBildes biete, daran wird man nicht zweifeln können, wenn man bedenkt, dass hier zu den geschlossnen Beinen, dem enganliegenden langen Gewand, den rechtwinklich abstehenden Armen, dem Polos und dem Schleier auf dem Kopf, was Alles die Ephesische Göttin mit vielen Andern gemein bat, noch die Kettchen, welche von beiden Händen herabhängen, die drei Sterne nebenbei und der sich in ihrem Rücken wölbende Halbkreis hinzukommen. Von diesen drei Attributen habe ich bisher das erste nur noch an einigen Nachbildungen der Samischen Hera, die beiden letzten aber nur an denen der Ephesischen Artemis gefunden. Sollte aber Jemand andre häufige Zuthaten derselben, etwa die zahlreichen Brüste, ungern vermissen, so würde theils auf andre sichre Copieen, theils auf die aufmerksam zu machen sein, welche sich an der bekannten in Neapel befindlichen Basis einer dem Kaiser Tiberius errichteten Ehren-Statue neben der Stadt Ephesos angebracht findet (Gronov. Thes. Antiqu. Gr. T. VII. p. 432). Diese sichre Wiederholung jenes Cultus - Bildes stimmt mit Ausnahme der drei Sterne vollständig (wenngleich dies aus den bisher veröffentlichten ungenauen Abbildungen nicht erkannt werden kann) mit der unsrer Thon-Platte überein und hat weder die zahlreichen Brüste, noch andre der gewöhnlichen Zuthaten, die dem Bild der Thon-Platte fehlen.

Dazu kommt, dass die gerade mit diesem Cultus verbundne und im Alterthum unter dem Namen der γράμματα Εφέσια so berühmte Geheim - Schrift, so wie ihre Verwendung zu Amuletten und Talismanen eine vielfach bezeugte Thatsache ist. Allerdings sind uns als die ursprünglichen Zauberformeln

dieses Cultus die Worte: Ασκιον, Κατάσκιον, Λίξ, Τέτραξ, Aiotov und Aauvaμeveúç überliefert; auf der Platte aber würde man davon nur etwa das zuletzt genannte Wort am Anfang der vorletzten Zeile der grössern Inschrift abgekürzt, und das Wort Katάoxiov in seiner von Androkydes gegebnen Uebersetzung in die Vulgär-Sprache qug in der ersten Zeile wiederzufinden versuchen können. Allein durch die Worte des Hesychios: Ἐφέσια γράμματα· ἦν μὲν πάλαι ς', ὕστερον δὲ προςμèv έθεσαν τινες ἀπατεῶνες καὶ ἄλλα, wird auch das, was ohnediess erwartet werden dürfte, ausdrücklich bezeugt, dass die ursprünglichen einfachen Zauberformeln im Laufe der Zeit in ähnlicher Weise, wie die beinahe zahllosen Attribute der Göttin, mehrfache Veränderungen und Zusätze erhielten; so wie dasselbe auch durch das oben erwähnte kleine Amulett bestätigt wird...

Ich fürchte also nicht von der Wahrheit abzuirren, wenn ich in der Syrakusanischen Terracotta ein in Ephesos gefertigtes Amulett erkenne, welches etwa ein Jahrhundert vor Beginn der christlichen Zeitrechnung ein frommer Syrakusaner von dort mit in seine Heimath brachte, um es in seinem Hause aufzuhängen und sich so gegen alles Unglück zu schützen. Ich begnüge mich aber, ihr hiemit diesen Platz angewiesen zu haben, und überlasse eine weitre Untersuchung des Princips, auf welchem die Zusammenstellung der Buchstaben beruht, denen, welche Lust haben, ihre Zeit daran zu wenden *). Zur Vergleichung wiederhole ich hier die bekannte

*) Ohne mir über diese Inschrift, an der sich auch G. Herrmanns Scharfsinn, so lange er noch wirkte, vergeblich versucht haben soll, ein eigentliches Urtheil zu erlauben, möchte ich doch auf den Umstand aufmerksam machen, dass, nach meiner Ansicht, die ganze erste Zeile und das letzte Wort der letzten einfach Griechisch sind. Wäre diess wahr, so dürfte kaum an mystische unverständliche Zauber- Worte zu denken sein. Ich meine näm

lich die erste Zeile sollte so aussehen: ATEM ÞAo2 ÉPON,

[merged small][merged small][ocr errors][merged small][ocr errors][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][ocr errors][merged small][merged small][merged small][merged small][ocr errors][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][merged small]
« PreviousContinue »