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at pius Aeneas ingenti mole sepulcrum

imponit suaque arma viro remumque tubamque
monte sub aërio, qui nunc Misenus ab illo
235 dicitur aeternumque tenet per saecula nomen.
His actis propere exsequitur praecepta Sibyllae.
spelunca alta fuit vastoque immanis hiatu,
scrupea, tuta lacu nigro nemorumque tenebris,
quam super haud ullae poterant impune volantes
240 tendere iter pinnis: talis sese halitus atris
faucibus effundens supera ad convexa ferebat.
[unde locum Grai dixerunt nomine Aornon.]
quattuor hic primum nigrantis terga iuvencos
constituit frontique invergit vina sacerdos,
245 et summas carpens media inter cornua saetas
ignibus imponit sacris, libamina prima,

voce vocans Hecaten caeloque Ereboque potentem.
supponunt alii cultros tepidumque cruorem

Schluß der Bestattung, d. i. nach Errichtung des Grabhügels, von allen Leidtragenden zugerufen. Vgl. v. 506.

233. imponit. Da, wo der Leichnam verbrannt worden war, errichtete er einen Grabhügel. sua: Die eigenen Waffen, das Ruder und die Trompete des Misenus schmücken den Grabhügel; vgl. Homer u 13.

234. monte sub aërio, unten am hochragenden Vorgebirge, das von ihm den Namen erhielt. (Jetzt noch Punta di Miseno).

236-263. Aneas und die Sibylle bringen der Proserpina vor dem Gang in die Unterwelt ein Opfer dar.

236. praecepta Sibyllae: Äneas vollzieht die dritte Vorschrift der Sibylle (v. 153) und begibt sich von der Küste nach dem Averner See zurück. Unterwegs nimmt er die Priesterin und den goldenen Zweig, den er ihr übergeben hatte (v. 211), wieder mit.

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241. supera convexa, das Himmelsgewölbe. Vgl. v. 128 und IV, 451.

242. Dieser Vers fehlt in den besten Handschriften.

243. nigrantis iuvencos, vgl. v. 153.

terga, Akkusativ der Beziehung. 244. constituit, nämlich ante aram. Vgl. Aen. V, 237. invergit. Bei Opfern an die Unterirdischen wird die Opferschale so ausgegossen, daß ihr Inneres noch unten gekehrt ist.

sacerdos, die Priesterin, die Sibylle; vgl. v. 35. 117flg.; von ihr wird Hekate angerufen v. 247; ihre Gehilfen werden v. 248 genannt.

246. libamen, eigentlich der Opferguß, dann Opfergabe überhaupt. Das erste, was vom Tiere geweiht wird, sind die Stirnhaare, welche in das Feuer geworfen werden.

247. voce vocans, vgl. Aen. IV, 680. caeloque Ereboque, vgl. Aen. IV, 510. Hekate ist Unterweltsgöttin, am Himmel herrscht sie als Mondgöttin.

248. supponunt. Dem Tier, das den oberen Göttern geopfert wurde, hielt man den Kopf aufrecht und rückwärts gebeugt, dem für die Götter der Unterwelt bestimmten abwärts; daher imponere und supponere cultrum.

succipiunt pateris. ipse atri velleris agnam 250 Aeneas matri Eumenidum magnaeque sorori ense ferit sterilemque tibi, Proserpina, vaccam. tum Stygio regi nocturnas incohat aras

et solida imponit taurorum viscera flammis pingue oleum super infundens ardentibus extis. 255 ecce autem primi sub lumina solis et ortus

sub pedibus mugire solum et iuga coepta moveri silvarum visaeque canes ululare per umbram adventante dea. 'procul o procul este, profani', conclamat vates, totoque absistite luco, 260 tuque invade viam vaginaque eripe ferrum; nunc animis opus, Aenea, nunc pectore firmo.' tantum effata furens antro se immisit aperto; ille ducem haud timidis vadentem passibus aequat. Di, quibus imperium est animarum, umbraeque silentes 265 et Chaos et Phlegethon, loca nocte tacentia late,

249. succipiunt, altertümlich für suscipiunt, sie fangen unten das Blut auf, vgl. supponunt, setzen von unten die Messer an.

250. matri Eumenidum, der Nacht, der Tochter des Chaos. Ihre Schwester ist Tellus. Inzwischen ist die Nacht eingetreten, die von der Opferhandlung ausgefüllt wird. Vgl. v. 252.

251. sterilem vaccam, wie bei Hom. λ 30 στεῖραν βοῦν, weil Proserpina die Königin des Totenreiches ist.

252. Stygio regi, Pluto, Iuppiter Stygius. nocturnas, vgl. IV, 303.

incohat. Mit der ausgegrabenen Erde der Grube, in die das Blut der Opfertiere gegossen wurde (vgl. Homer x 517. 2 25), legt er den Altar an, d. h. schüttet er ihn auf, auf dem dann die Opfertiere die Nacht über ganz verbrennen sollen.

253. viscera, hier das Fleisch zwischen Haut und Knochen; daher solida (alles Fleisch).

254. extis. Eine besondere Aufmerksamkeit wurde beim Opfer den Eingeweiden (kynata) zugewendet. Diese heißen hier exta im Gegensatz zu viscera.

255. primi sub lumina solis, gegen das erste Morgengrauen hin. solis

et ortus =

solis orientis.

Mit dem

ersten Morgengrauen tritt Äneas den Gang in die Unterwelt an.

257. visaeque canes ululare. Man gewahrt (visae passiv), d. i. man hört, wie die Hunde der herannahenden Hekate bellen.

258. adventante dea. Hekate naht, um das Tor der Unterwelt zu öffnen.

procul este, profani, ruft die Sibylle denen zu, denen es nicht beschieden war einzutreten. Als solche heißen sie profani, im Gegensatz zu Äneas, der unter göttlicher Fügung kommt. Die profani sind die Gehilfen beim Opfer.

260. eripe ensem. Die Alten glaubten, daß die Schatten sich vor dem gezückten Schwerte fürchten. 262. tantum, nur so viel. antro aperto, v. 127.

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264-267. Anrufung der Götter. 268-892. Die Unterwelt.

264. Weihevolle Anrufung der Götter der Unterwelt, wie auch sonst bei wichtigen Abschnitten der Erzählung göttliche Wesen, bes. die Musen, angerufen werden (vgl. VII, 641) nach dem Vorgange Homers, vgl. B 484 flg.

265. Chaos, der wüste, leere Raum der Unterwelt, vgl. IV, 516, der Tartarus, mit dem Feuerstrom, vgl. v. 550 flg.

sit mihi fas audita loqui, sit numine vestro
pandere res alta terra et caligine mersas.

Ibant obscuri sola sub nocte per umbram
perque domos Ditis vacuas et inania regna:
270 quale per incertam lunam sub luce maligna
est iter in silvis, ubi caelum condidit umbra
Iuppiter et rebus nox abstulit atra colorem.
vestibulum ante ipsum primisque in faucibus orci
Luctus et ultrices posuere cubilia Curae,

275 pallentesque habitant Morbi tristisque Senectus
et Metus et malesuada Fames ac turpis Egestas,
terribiles visu formae, Letumque Labosque;

tum consanguineus Leti Sopor et mala mentis
Gaudia mortiferumque adverso in limine Bellum

sit

=

266. sit mihi fas. Der Dichter bittet die Götter, die Schatten und die weiten Räume der Unterwelt, daß er ihre Geheimnisse den Menschen offenbaren dürfe. liceat, vgl. v. 596. VIII, 676. — numine vestro, mit eurer Zustimmung. 267. pandere mersas, absichtliche Stellung zu Anfang und Ende des Verses. caligine, vom Standpunkt der Oberwelt, steht nicht in Widerspruch mit der folgenden Beschreibung der Unterwelt. ,,Tief unten im Dunkel der Erde."

268-294. Erstes Bild. Die Gestalten der todbringenden Mächte und der Hüter des Eingangs.

268. sola sub nocte, sie hatten nichts um sich als einsame Nacht. 269. inania regna, Ergänzung zu vacuas domos. inanis, wesenlos, körperlos.

270. per incertam lunam.

Wenn

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die Gestalten; primis in faucibus ist Ergänzung zu ante vestibulum, sogleich vorn am tiefen, engen Zugang.

274. Luctus, Trauer um liebe Verstorbene. ultrices Curae, die personifizierten Gewissensbisse. Beide nagen todbringend am Herzen. 275. Morbi Senectus lösen die Kräfte des Körpers auf.

276. Metus. Vgl. Georg. III, 551 flg.: Stygiis emissa tenebris pallida Tisiphone Morbos agit ante Metumque. malesuada. Vgl. dazu die Schilderung Homers ę 286 flg. Der Dichter hat das hungernde, zu allem fähige Proletariat Roms im Auge. - turpis, in ihrer äußeren Erscheinung. Egestas, die darbende Armut des Bettlers.

277. Letumque Labosque, alliterierend zusammengestellt, Tod und Mühsal, die die Lebenskraft frühzeitig aufreibt. letum ist nicht einfach = mors (der naturnotwendige Tod), sondern der Tod gewaltsamer Vernichtung (deleo).

278. Sopor, der bleierne Schlaf des betäubt und bewußtlos Daliegenden, eine Folge übermäßiger Sinnenlust oder Erschöpfung, daher in Verbindung mit mala mentis gaudia, die sündhaften Freuden verderbten Sinnes. Auch hier hat der Dichter die Sittenlosigkeit seiner Zeit im Auge.

279. adverso in limine, gemeint ist die Schwelle des riesigen Tor

Vergils Aeneis v. Kappes. II. 3. Buch VI.

2

280 ferreique Eumenidum thalami et Discordia demens, vipereum crinem vittis innexa cruentis.

in medio ramos annosaque bracchia pandit

ulmus opaca ingens, quam sedem Somnia vulgo vana tenere ferunt, foliisque sub omnibus haerent. 285 multaque praeterea variarum monstra ferarum,

Centauri in foribus stabulant Scyllaeque biformes et centumgeminus Briareus ac belua Lernae

horrendum stridens, flammisque armata Chimaera, Gorgones Harpyiaeque et forma tricorporis umbrae. 290 corripit hic subita trepidus formidine ferrum

Aeneas strictamque aciem venientibus offert
et, ni docta comes tenuis sine corpore vitas

gebäudes, das zum Orcus führt. adverso, gegenüber dem, der von der Oberwelt kommt. Bellum, der Menschen vernichtende Krieg der Völker. Eumenides, die unerbittlichen Rächerinnen der Blutschuld in den Familien. Discordia, die Tod und Verderben bringende Zwietracht.

280. ferrei thalami, an der einen Seite des oben bezeichneten Einganges, wo im römischen Hause der Pförtner seine Zelle hat. ferrei, wie v. 554 ferrea turris. Die Behausung der Furien gleicht nicht einer freundlichen Wohnung, sondern die Wände ihrer Zellen sind eisenbeschlagen. Lies ferrei zweisilbig.

282. in medio, erg. vestibulo, mitten in dem Vorraum, vgl. v. 273.

283. Somnia, Kinder der Nacht, hängen allenthalben (vulgo) wie Nachtfalter unten an den Blättern (foliis sub omnibus) einer riesigen Ulme.

284. foliisque haerent, parataktisch an den Relativsatz angeschlossen wie Aen. V, 288.

286. in foribus. Das Doppeltor des Torgebäudes steht zwar offen (v. 127), ist aber von den Schreckgestalten der verschiedenen Ungeheuer der Sage wohl bewacht. Diese werden 286-289 aufgezählt. stabulant, mit Bezug auf die Doppelgestalt der Zentauren, die halb Mensch, halb Pferd sind. - Scyllae biformes, Ungeheuer, wie

V.

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die doppelgestaltige Scylla, deren Leib oben die Gestalt eines Mädchens hat, unten in ein Seeungeheuer ausgeht.

287. Briareus, in der Sage auch Ägäon, einer der hundertarmigen Riesen, von den Göttern des Olymp gegen die himmelstürmenden Titanen aus der Tiefe der Erde herbeigerufen. belua Lernae aus der Herkulessage bekannt.

288. horrendum stridens, vgl. v. 50.

flammis armata Chimaera, ein feuerspeiendes Ungeheuer, das Lycien verwüstete. Sein Körper war zusammengesetzt aus einem Löwenkopf und einem Ziegenleib, der in einen Drachen endete. Bellerophon tötete die Chimära.

an

Zahl,

289. Gorgonĕs, drei Stheno, Euryale, Medusa, furchtbar blickende Schreck bilder. Die griech. Form (Fogyóves) wie v. 225 crateres.

Harpyiae, Celäno, Okypete, Aello, die Plagegeister des Königs Phineus von Thrazien, dem sie zur Strafe, weil er die Geheimnisse der Götter verraten hatte, alle Speisen verunreinigten. Vgl. III, 211, wo sie der Dichter auf der Oberwelt wohnen läßt. forma tricorporis umbrae, Geryoneus, ein mythischer König in Spanien, dessen Rinder Herkules wegnahm. Die Sage gibt ihm drei Körper.

290. corripit ferrum, vgl. v. 260. 292. tenuis vitas, luftige körperlose Wesen.

295

admoneat volitare cava sub imagine formae,
inruat et frustra ferro diverberet umbras.

Hinc via, Tartarei quae fert Acherontis ad undas. turbidus hic caeno vastaque voragine gurges aestuat atque omnem Cocyto eructat harenam. portitor has horrendus aquas et flumina servat terribili squalore Charon, cui plurima mento 300 canities inculta iacet, stant lumina flamma, sordidus ex umeris nodo dependet amictus. ipse ratem conto subigit velisque ministrat et ferruginea subvectat corpora cumba, iam senior, sed cruda deo viridisque senectus. 305 huc omnis turba ad ripas effusa ruebat,

matres atque viri defunctaque corpora vita magnanimum heroum, pueri innuptaeque puellae impositique rogis iuvenes ante ora parentum: quam multa in silvis autumni frigore primo 310 lapsa cadunt folia, aut ad terram gurgite ab alto quam multae glomerantur aves, ubi frigidus annus

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fer dargestellt, mit der gouis angetan, d. h. mit kurzer Tunika ohne Ärmel, die auf der linken Schulter durch eine Spange (fibula) befestigt die rechte Schulter und die Brust frei ließ. Hier wird die Spange durch einen Knoten ersetzt.

302. subigit, zwingt den Kahn mit der Ruderstange zu der von ihm gewollten Richtung. velis ministrat, bedient ihn mit den Segeln.

303. subvectat, er fährt die Schatten stromaufwärts (vgl. subveho) etwa bis zur Mitte des reißenden Flusses, dann treibt der Nachen hinab ans andere Ufer.

=

304. cruda, roh, in unverändertem Naturzustand, hier frisch, kräftig, bei Homer o 357 ὠμὸν γῆρας. viridis senectus, vgl. V, 295. 305. huc, ad cumbam, d. h. zur Abfahrtstelle.

310. lapsa cadunt, malt den Vorgang. Die Blätter gleiten leise von den Ästen herab (labi), bis sie den Boden erreichen (cadere); labi entspricht dem mhd. risen: sin loup ist geneiget, nû rîset ez balde. Daher louprise der Abfall des Laubes im Herbst. gurgite ab alto, vom hohen Meere her.

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