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aut ante ora deum pinguis spatiatur ad aras instauratque diem donis pecudumque reclusis pectoribus inhians spirantia consulit exta. 65 heu vatum ignarae mentes! quid vota furentem, quid delubra iuvant? est mollis flamma medullas interea et tacitum vivit sub pectore vulnus. uritur infelix Dido totaque vagatur

urbe furens qualis coniecta cerva sagitta, 70 quam procul incautam nemora inter Cresia fixit pastor agens telis liquitque volatile ferrum nescius, illa fuga silvas saltusque peragrat Dictaeos, haeret lateri letalis harundo.

62. Mit aut geht der Dichter zu der Vorbereitung neuer Opfer am folgenden Tage über. Dido bewegt sich feierlich nach vorgeschriebenem Brauch vor Beginn des Opfers um die Altäre. Diese standen vor den Tempeln im Angesicht der Götterbilder, die von ihnen aus in ihrer Cella erblickt werden konnten (ante ora deum). pinguis ad aras, triefend vom Fett der Opfer, stehendes Beiwort.

63. instauratque diem. Nach der einleitenden Handlung erneuert sie den vorangegangenen Festtag (dies feriatus, vgl. I, 632) durch weitere Opfer (donis). Instaurare bezeichnet das Wiederholen von Spielen oder Festtagen (feriae) an einem anderen Tage infolge dabei vorgefallener Versehen. Über eintägige feriae vgl. Wissowa, Rel. u. Kult. der Römer 375.

64. inhians, mit offenem Munde, bezeichnet ihre leidenschaftliche Spannung. spirantia, die noch zuckenden. consulit exta. Durch die haruspices befragt sie die Eingeweide der Opfertiere, wie Tags vorher bei dem Opfer der weißen Kuh. Die Opferschau fällt immer wieder ungünstig aus.

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Cretensis knüpft lebendig das Bild an eine bestimmte Örtlichkeit. Die Kreter waren berühmte Bogenschützen.

72. nescius, mit Betonung ans Ende des Satzes und zu Anfang des Verses gestellt: „ohne es zu wissen"; der Schütze konnte aus der Ferne den Erfolg des Schusses nicht erkennen.

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nunc media Aenean secum per moenia ducit
75 Sidoniasque ostentat opes urbemque paratam,
incipit effari mediaque in voce resistit;
nunc eadem labente die convivia quaerit
Iliacosque iterum demens audire labores
exposcit pendetque iterum narrantis ab ore.
80 post, ubi digressi lumenque obscura vicissim
luna premit suadentque cadentia sidera somnos,
sola domo maeret vacua stratisque relictis
incubat. illum absens absentem auditque videtque
aut gremio Ascanium, genitoris imagine capta,
85 detinet, infandum si fallere possit amorem.
non coeptae adsurgunt turres, non arma iuventus.
exercet portusve aut propugnacula bello

tuta parant: pendent opera interrupta minaeque
murorum ingentes aequataque machina caelo.

mandes steter Begleiter sein' mit dem Dativ verbunden.

74. ducit. Dido folgt dem Rat der Schwester (v. 51) und ist zuvorkommende Wirtin. Mit nunc,

nunc, post sind nicht die Vorkommnisse eines Tages bezeichnet, sondern Handlungen, die in die Zeit nach den fehlgeschlagenen Opfern fallen.

75. Sidonias, von der alten Heimat Sidon auf die neue Niederlassung übertragen. paratam, nur in dem Gedanken der Dido; denn so wie sie aussprechen will (incipit effari), daß die Stadt für Äneas zu bleibender Aufnahme bereit stehe, hält sie der pudor wieder zurück (media in voce resistit).

77. nunc eadem, bald ebenso, bald wiederum, auf Dido zu beziehen; demselben Subjekt wird ein zweites Prädikat beigelegt.

=

78. demens furens. Vgl. v. 65. 79. audire exposcit. Exposco nach dem Vorgang des Griechischen hier mit dem Infinitiv verbunden, mit dem Akk. und Inf. IX, 193.

80. ubi digressi, von der Mahlzeit, die gegen Abend (labente die, v. 77) begonnen und bis tief in die Nacht hinein gedauert hat.-vicissim, seinerseits, wie vorher das Licht des Tages erloschen war. Der erblassende Mond (obscura, sich verdunkelnd) dämpft sein Licht, d. i. verliert seinen Glanz vor dem nahenden Tag.

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90

Quam simul ac tali persensit peste teneri cara Iovis coniunx nec famam obstare furori, talibus aggreditur Venerem Saturnia dictis: 'egregiam vero laudem et spolia ampla refertis tuque puerque tuus; magnum et memorabile numen, 95 una dolo divum si femina victa duorum est. nec me adeo fallit veritam te moenia nostra suspectas habuisse domos Karthaginis altae.

sed quis erit modus, aut quo nunc certamine tanto? quin potius pacem aeternam pactosque hymenaeos 100 exercemus? habes tota quod mente petisti:

ardet amans Dido traxitque per ossa furorem.
communem hunc ergo populum paribusque regamus
auspiciis, liceat Phrygio servire marito

höher erheben, je höher die Mauern steigen. aequata coelo „himmelhoch", dichterische Hyperbel.

90-128. Iuno sucht die Venus für den Plan zu gewinnen, daß Äneas durch die Vermählung mit Dido zurückgehalten werde.

91. nec famam — furori. Die üble Nachrede ist kein Hindernis mehr für ihre Leidenschaft, denn den haruspices hatte Dido aus Scham den Grund der Opfer noch verschwiegen. Vgl. v. 65.

92. Saturnia: Iuno, die Tochter des Saturnus, wie Hera die Tochter des Kronos, dem man den altitalischen Gott Saturnus gleichstellte.

93. vero, wie das deutsche,,wahrhaftig" in der Ironie.

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94. puerque tuus. Ironische Bezeichnung des Cupido. numen, die Außerung göttlicher Macht. Ein denkwürdiges göttliches Machtstück ist es, wenn usw." Vgl. I, 8. Die Lesart nomen (= Ruhm) wird empfohlen durch Ovid Metam. X, 608: habebis Hippomene victo magnum et memorabile nomen.

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101. per ossa, bis ins innerste Mark.

103. paribus auspiciis, unter gleichem Anteil an der höchsten Macht. Nach römischem Gesetz und Brauch konnte ein Imperium nur nach vorher angestellten Auspizien angetreten werden. Daher steht auspicium metonymisch für imperium. servire. In der Auslassung des Pronomens und in der Wahl von servire (als Magd dienen) gibt sich die bittere Stimmung der Göttin kund.

105

dotalisque tuae Tyrios permittere dextrae.'
Olli sensit enim simulata mente locutam,
quo regnum Italiae Libycas averteret oras

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sic contra est ingressa Venus; 'quis talia demens
abnuat aut tecum malit contendere bello?

si modo, quod memoras, factum fortuna sequatur. 110 sed fatis incerta feror, si Iuppiter unam

esse velit Tyriis urbem Troiaque profectis, miscerive probet populos aut foedera iungi. tu coniunx, tibi fas animum temptare precando. perge, sequar.' tum sic excepit regia Iuno: 115 mecum erit iste labor. nunc qua ratione quod instat confieri possit, paucis, adverte, docebo.

venatum Aeneas unaque miserrima Dido

in nemus ire parant, ubi primos crastinus ortus

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illi, olle und ollus altille, vgl. I, 254.

106. regnum Italiae, die künftige Herrschaft Italiens. averteret, von Italien weg nach Libyen.

107. sic est ingressa (olli), ihr entgegnend hob Venus also an; vgl. VI, 867. quis demens abnuat, wer möchte so töricht sein, daß er usw. 108. contendere bello, sich im Kampf, also feindlich messen, wie VI, 643 ludo.

109. factum fortuna sequatur. Der Ausdruck (beachte die Alliteration) ist formelartig geprägt; aus f. sequitur erklärt sich f. secunda. Der Sinn: wenn nur das, wovon du sprichst, wenn es geschehen, einen glücklichen Verlauf nimmt.

110. incerta feror, ich bin im ungewissen. Feror steht von jeder Art schneller oder heftiger Bewegung, wie φέρομαι. Daraus ergibt sich die

Bedeutung: ich bewege mich, bin, wie ἀνὴρ καλῶς oder εὖ φερόμενος (bei Thukydides), ein Mann, der gut fährt, der glücklich ist. fatis, infolge der Schicksalsbestimmungen, die ihr früher von Iuppiter enthüllt worden sind, wonach es unabänderlich feststeht, daß Äneas der Gründer der Weltherrschaft in Italien werden soll. si, „ob" wie nach „erwarten, zweifeln".

114. perge, verfolge dein Ziel, geh du voran. excepit, fiel ihr ins Wort, deutet die Eile an, mit der Iuno den weiteren Plan ausgeführt haben will, nachdem sie die Venus gewonnen zu haben glaubt.

=

115. mecum labor τοῦτ ̓ ἐμὸν toyov total, das wird (das laẞ) meine Sache sein; iste: das, wovon du sprichst, nämlich den Iuppiter umzustimmen. apud quod instat, was drängt, was Eile hat, die Ehe.

me.

mecum =

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extulerit Titan radiisque retexerit orbem.
120 his ego nigrantem commixta grandine nimbum,
dum trepidant alae saltusque indagine cingunt,
desuper infundam et tonitru caelum omne ciebo.
diffugient comites et nocte tegentur opaca:
speluncam Dido dux et Troianus eandem

125 devenient. adero et, tua si mihi certa voluntas,
conubio iungam stabili propriamque dicabo;
hic hymenaeus erit.' non adversata petenti
adnuit atque dolis risit Cytherea repertis.
Oceanum interea surgens Aurora reliquit.
130 it portis iubare exorto delecta iuventus;
retia rara, plagae, lato venabula ferro,
Massylique ruunt equites et odora canum vis.
reginam thalamo cunctantem ad limina primi
Poenorum exspectant, ostroque insignis et auro
135 stat sonipes ac frena ferox spumantia mandit.
tandem progreditur magna stipante caterva,
Sidoniam picto chlamydem circumdata limbo.

Hyperion, nur hier bei V., öfter bei
Ovid, wohl nach Vorgang der alexan-
drinischen Dichter.

121. trepidant bezeichnet die hastige Eile der Jagenden. alae, die Reiterei auf beiden Flügeln der Legion, hier die berittenen Jäger, die von Äneas und Dido nach rechts und links sprengend mit Jagdnetzen den Wald umstellen (indagine cingunt). Bei dieser Jagd wird das Wild aus dem eingehegten Teil des Gebirgswaldes in die offene Ebene getrieben.

122. ciebo, werde erzittern machen.

125. devenient mit Akkusativ des Ziels wie I, 365. voluntas, Willfährigkeit; certa ist Prädikat.

126 I, 73. Die stolze Göttin verspricht mehr, als sie halten kann.

127. hic erit, hier wird die Hochzeitsfeier sein. Hymenaeus der Gott metonymisch für die Feier.

128. Cytherea heißt Venus von der Insel Cythera an der Südspitze der Peloponnes, wo ein uralter, auf die Phönizier zurückgehender Kultus der Göttin bestand. dolis repertis, über die von ihr entdeckte List der Iuno.

129-172. Die Jagd und der Liebesbund.

130. iubare, der sich weit am Him

mel ausbreitende Schein des Morgenrotes. Mit der Morgenröte zieht der Jagdtroß aus, etwas später folgt die Fürstin.

131. retia, weit maschige Jagdnetze, bestimmt zum Einhegen des Reviers; plăgae, die die Ausgänge des Waldes quer versperrenden dichten Fangnetze zum Auffangen größerer Tiere, z. B. der Eber. Vgl. Horaz Carm. 3, 5, 31: extricata densis cerva plagis. venabula lato ferro, vgl. Schreiber, Kulturhistor. Bilderatlas Tafel 80, nr. 5 und 8. . Zu den drei Subjekten ist aus ruunt ein Prädikat wie celeriter feruntur zu ergänzen.

132. Massyli, ein Stamm des östlichen Numidiens; spezielle Bezeichnung statt der allgemeinen. Die Numider galten für ausgezeichnete Reiter, vgl. v. 41. - ruunt, sie stürmen dahin mit usw. odora canum vis, epische Umschreibung für „tüchtige Spürhunde"; vgl. das homerische μένος, σθένος. Vergil hat diesen Versausgang dem Lucrez (6, 1220: fida canum vis) nachgebildet.

135. sonipes, altertümlicher dichterischer Ausdruck für equus. ferox, schnaubend.

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137. Sidoniam purpurn. chlamydem circumdata, eine dem Grie

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