sola sibi, semper longam incomitata videtur Eumenidum veluti demens videt agmina Pentheus 475 decrevitque mori, tempus secum ipsa modumque quae mihi reddat eum vel eo me solvat amantem: 480 Oceani finem iuxta solemque cadentem ultimus Aethiopum locus est, ubi maximus Atlas 469. Pentheus, König von Theben, wurde zur Strafe dafür, daß er sich der Einführung des Bacchusdienstes widersetzte, von dem Gott mit Wahnsinn bestraft. In diesem sah er die Sonne und die Stadt doppelt. Euripides läßt in den Bakchen v. 918f. den Pentheus sagen: καὶ μὴν ὁρᾶν μοι δύο μὲν ἡλίους δοκῶ, δισσὰς δὲ Θήβας καὶ πόλισμ' ἑπτάστομον. Dieses Stück hatte L. Accius (17094 v. Chr.) für die römische Bühne bearbeitet. 471. scaenis agitatus Orestes, nach der Darstellung in einem Drama des römischen Dichters Pacuvius (220 -132 v. Chr.), das den von Furien gehetzten Orestes auf die Bühne (vgl. scaenis) gebracht hatte. 473. cum fugit, d. i. aut veluti cum fugit, wie v. 441. 402. ultricesque sedent Dirae, parataktisch angereiht: während die Furien auf der Schwelle (des Tempels) lagern. Denn Orestes hatte sich vor dem Schatten seiner Mutter Klytämnestra und vor den Furien in den Tempel des delphischen Apollo geflüchtet. Der Vergleich greift auf v. 465 agit furentem zurück. 474-553. Dido trifft Anstalten zu ihrem Tod. 474. furias = furorem, den rasenden Entschluß, vgl. v. 452. 477. spem fronte serenat, sie zeigt heitere Hoffnung auf der Stirne. fronte entspricht vultu, spem ist Gegensatz zu consilium, serenat zu tegit. Dem entspricht die vollständig gleiche Wortfolge in den beiden Halbversen. 478. gratare sorori, wünsche mir Glück; gratari = gratulari. 479. vel, oder sogar, hier steigernd vor einem Satz, wie sonst vor Superlativen. 480. Oceani finem, durch solem cadentem näher bestimmt, bezeichnet den westlichen Saum (= ora) des Atlantischen Meeres. 481. ultimus locus est, liegt als das äußerste das Land der Äthiopen. Diese bewohnten nach der homerischen Anschauung den Südrand der Erdscheibe am Okeanos, sich ausdehnend bis zum Auf- und Untergang der Sonne (Homer a 23f. A 423f. Y 205 f.). Der Dichter denkt an Mauretanien. maximus Atlas, vgl. v. 247. Vergils Aeneis v. Kappes. II. 1. Buch IV. 5. Aufl. hinc mihi Massylae gentis monstrata sacerdos, cuncta viri monumenta iuvat monstratque sacerdos.' bei Ennius: caelum suspexit stellis fulgentibus aptum. 483. Massylae gentis, s. v. 132; wie die Zauberin (sacerdos) aus dem Hesperidengarten nach Karthago gekommen sei, braucht der Dichter nicht anzugeben. 484. Hesperidum custos. Die Hesperiden, d. i. die Töchter des Westens, nach der Sage Töchter des Atlas, hatten im fernen Westen einen Garten, in dem goldene Äpfel, der Venus oder der Iuno geweiht, von einem Drachen bewacht waren. Herkules erhielt von Eurystheus unter den zwölf Arbeiten auch die, die Äpfel der Hesperiden zu holen. 485. custos servabat, bezeichnet die drei Obliegenheiten der Priesterin, den Tempel zu hüten, den Drachen zu füttern und über die heiligen Zweige zu wachen. 486. soporiferum, Epitheton ornans zu papaver; mit dem dargebotenen Honig und Mohn beschwichtigte sie die Wildheit des Drachen, wie die Sibylle VI, 420 den Cerberus durch die offa beruhigt. 487. carminibus, durch Zaubersprüche. promittit mit Infinitiv praes., da der Dichter die langen Formen des Infin. fut. gern vermeidet. Vgl. V, 18. solvere, erg. curis amoris. 493. invitam, nach römischer Anschauung: cum multa sacra Romani susciperent, semper magica damnarunt (Servius). accingier, altertümliche Infinitivform cingi. = me ac magicas artis, eigentlich sich magische Kunst angürten, wie ὑποζώννυσθαι ξίφος, dann: sich waffnen, rüsten mit. 494. secreta, so daß dich niemand bei der Arbeit sieht. tecto interiore, im Hofraum. 496. impius, in der emphatischen Stellung der Ausdruck des bittern Schmerzes: der das nefas des Wortund Treubruchs auf sich geladen hat. Daher auch nefandus. exuviae, von exuo, alle Kleidung und Rüstung, die dem Körper abgenommen wird. 498. iuvat, ergänze me, es tut mir wohl, ich wünsche es. Das Wort ist auf die Täuschung der Schwester berechnet. 499. pallor, als Folge des Gedankens an den nahen Tod. 500 non tamen Anna novis praetexere funera sacris concipit aut graviora timet quam morte Sychaei. At regina, pyra penetrali in sede sub auras = 502. nec mente concipit, sie erfaßt nicht im Geiste, d. i. sie denkt nicht an die Möglichkeit solcher Raserei. - quam morte Sychaei quam quae viderat morte Sychaei. 504. penetrali in sede, vgl. v. 494. 505. taedis atque ilice secta, aus Fichten- und Eichenscheiten. Vgl. II, 186. 506. intendit locum sertis = intendit loco serta: überspannt, schmückt. 507. funerea fronde, mit dem Laubwerk besonders der Zypresse; vgl. VI, 215. 508. effigiem, als Symbol des abwesenden Äneas. Durch die Verbrennung seines Bildes (von Wachs) will sich Dido, wie die Priesterin und Anna meinen, von der Liebe zu Äneas befreien (v. 479. 497), in Wahrheit weiß sie besser, was geschehen wird (haud ignara futuri). 509. crinis effusa, griechischer Akkusativ, mit aufgelöstem Haar. 510. ter centum tonat: ter verbinde mit tonat, denn die Dreizahl ist in Beschwörungen üblich, vgl. Ecl. 8, 73 ff. tonat, ruft mit dröhnender Stimme an. centum, mit dichterischer Übertreibung (Tropus der Hyperbel): eine ganze Menge von Göttern wird (nach Art der Zauberer) angerufen und unter diesen insbesondere die genannten. Erebus, Personifikation des Dunkels der Unterwelt. Chaos, der wüste leere Raum der Unterwelt wie VI, 265. 511. tergemina Hecate, die dreigestaltige Hekate als Göttin der Unterwelt, alsMondgöttin und als Diana. Mit der Dreigestalt hängt ihre Verehrung an Kreuzwegen zusammen, wo ihr dreigestaltetes Bild aufgestellt war. Vgl. Roscher, Lexic. d. M. I, 1903 ff. Besonders stand sie allem Zauberund Beschwörungswesen vor. 512. simulatos. Wasser aus dem Avernus war für solche magische Opfer erforderlich. Wenn es nicht zur Hand war, gab man anderes dafür aus, also angebliches. Der lacus Avernus bei Kumä in Kampanien (hier fons Av. genannt) galt als Eingang in die Unterwelt. 513. falcibus aënis. Das Erz (Kupfer oder Bronze) galt für geeigneter zu Zauberkünsten als das Eisen. quaeruntur, ergänze: a sacerdote, die Zauberin wählt aus den bereit liegenden Zaubermitteln die genannten Giftkräuter aus, die beim Mondschein in der Nacht abgeschnitten worden waren (ad lunam messae). 514. pubentes herbae, vollsaftige (maste) Kräuter. cum lacte, von dem Pflanzensaft, vgl. unser „Wolfsmilch". 515 quaeritur et nascentis equi de fronte revulsus. et matri praereptus amor. ipsa mola manibusque piis altaria iuxta unum exuta pedem vinclis, in veste recincta, 520 sidera; tum, si quod non aequo foedere amantis at non infelix animi Phoenissa, neque umquam 530 solvitur in somnos oculisve aut pectore noctem accipit; ingeminant curae, rursusque resurgens saevit amor, magnoque irarum fluctuat aestu. sic adeo insistit secumque ita corde volutat: 'en quid ago? rursusne procos inrisa priores 535 experiar Nomadumque petam conubia supplex, quos ego sim totiens iam dedignata maritos? Iliacas igitur classes atque ultima Teucrum iussa sequar? quiane auxilio iuvat ante levatos. et bene apud memores veteris stat gratia facti? 540 quis me autem, fac velle, sinet ratibusve superbis invisam accipiet? nescis heu, perdita, necdum Laomedonteae sentis periuria gentis? quid tum? sola fuga nautas comitabor ovantis? an Tyriis omnique manu stipata meorum 545 inferar et, quos Sidonia vix urbe revelli, dem Schlafe hin, eigentl.: nimmer macht sie sich los (von der Qual des Tages) für den Schlaf, d. i. um zu schlafen. Einen Absichtsatz vertritt in mit Akkusativ öfter bei Vergil, z. B. v. 647, besonders VII, 12: (Circe) tectis superbis urit odoratam nocturna in lumina cedrum, auch XII, 854. Über den 'sorgenlösenden' Schlaf vgl. Homer v 56: τὸν (Οδυσσέα) ὕπνος ἔμαρπτε λύων μελεδήματα θυμοῦ λυσιμελής. pectore noctem accipit, nimmt die Ruhe der Nacht in ihr Herz auf. - |