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aber liegt auch hier nichts weiter vor als der Irrthum eines Grammatikers.

S. 130 stellt Curtius die meines Wissens neue Behauptung auf, dass die mit v beginnenden Verba in der Regel nicht augmentirt werden: «Von Verben mit v gibt es in den Homerischen Gedichten nicht ein einziges Beispiel einer augmentirten Form, auch in der späteren Sprache muss man sie mit der Laterne suchen. Nur zwei sichere weiss ich vorzubringen: Aesch. Prom. 558 καὶ λέχος σὸν ὑμεναίουν, Anthol. VI 265 Νοσσίδος ὕφα νεν Θευφιλὶς ὁ Κλεόχας. Denn ὕβριζες Eur. Τro. 1020 kann nicht mitzählen, da auch das Stammwort üßpes bisweilen mit langer erster Silbe vorkommt». Der Ansicht dass bei Euripides Tro. 1020: ἐν τοῖς Ἀλεξάν δρου γὰρ ὕβριζες δόμοις, die Form ὕβριζες nicht nothwendig augmentirt sei, werde ich beitreten, sobald Curtius eine entsprechende Form aus der Tragödie oder Komödie nachweist, wo das Ypsilon der ersten Silbe als kurz erscheint. Dieser Nachweis dürfte ihm jedoch schwer werden, da die mit u beginnenden Verba hinsichtlich des Augmentes durchaus keine Sonderstellung einnehmen, vielmehr in diesen Verba das Augment nur bei denjenigen Dichtern fortfällt, welche überhaupt die Abwerfung des Augmentes sich gestatten. In den zahlreichen Beispielen augmentirter Formen des Verbum ßpo die Curtius neben Eur. Tro. 1020 erwähnen konnte (aus Eur. allein mindestens zwölf), ist der Anfangsvocal, auch wo das Metrum keine Entscheidung abgibt, durchgängig lang mit derselben Nothwendigkeit wie die erste Silbe in x Jetc. Dasselbe gilt von Formen wie pnya (Eur. Aristoph.), υφασμένος (Antiphan.), ὕμνησα und ὕμνηκα (Thucyd.),

úẞpixel (Demosth.) u. a. Indess kann ich auch, obgleich es mir niemals früher in den Sinn gekommen war zu beobachten wie oft ein kurzes Ypsilon durch das Augment verlängert wird, die beiden von Curtius aufgefundenen Belege durch acht neue Belege vermehren. Ar. Lys. 400: αἱ τἆλλα 9' ὑβρίκασι κακ τῶν καλπί δων. Men. Com. 4 p. 182: νῦν πίθι, νῦν ἀφύβρισον. ἢν ἀφύβρικα). Com. anon. 4 p. 684: οὐχ ὑγίαινε, δέσποτ ̓· ἐκ μὲν γὰρ κόπου. Ar. Vesp. 1402: Δρασεῖα καὶ μεθύση τις ὑλάκτει κύων. Batrachom. 182: πέπλον μου κατέτρωξαν, ὃν ἐξύφηνα καμοῦσα. Men. Com. 4 p. 111: αὕτη συνύφαινε ῥυπαρῶς διακειμένη. Ammianus Anth. Pal. 11, 14: ἣν οὐδεὶς ὕφηνεν, ἀπέπρισε δ', ἢ πελεκήσας. Arethas Anth. Pal. 15, 32: ἡμετέρης' ἔνα ̓ ὕφηνον γενετῆρες ἅπασι (wo ὕφηνον in ὕφηναν κα ändern ist). Dass Curtius bei seinem Suchen «mit der Laterne» keine dieser Stellen wahrnahm, ist auffallend: wir möchten ihm rathen für ähnliche Wanderungen ausser der Laterne auch eine gute Alexandrinische Brille mitzunehmen.

Ueber einige Formen des Verbum epí finden wir bei Curtius höchst eigenthümliche Ansichten. S. 146 f. heisst es: «Das aus opév oder zunächst wohl aus einem vorauszusetzenden aeolisirenden *upev verkürzte épév kennt Herodian (repì pov. λég. II 930 Lentz) und belegt es mit einer anderweitig dem Kallimachos beigelegten Stelle. Dennoch will man es trotz guter Ueber

5) Damit nicht jemand meine, bei Ar. Lys. 400 und Men. Com. 4 p. 182 sei das lange Ypsilon in ὑβρίκασι und ἀφύβρικα möglicher Weise durch die nachfolgenden Consonanten bedingt, so bemerke ich dass in Formen wie üßpts oder Sẞpico das Ypsilon bei den Tragikern mittelzeitig ist, in der Komödie dagegen, falls nicht die Worte eines älteren Dichters parodirt werden, nur kurz sein kann.

lieferung und durchaus befriedigendem Sinn Soph. El. 21 jetzt nicht dulden. Mir scheint das thörichte Gleichmacherei zu sein». Es ist mir nicht möglich aus diesen Worten irgend etwas zu entnehmen was zur Rechtfertigung der Form épév bei Sophokles dienen könnte. Denn der Missbrauch des Kallimachus kann für Sophokles nichts beweisen, und das Zeugniss des Herodian, der duév zwar aus Kallimachus, nicht aber aus Sophokles anführt, spricht nicht für, sondern gegen die El. 21 überlieferte Lesart. Was Curtius «gute Ueberlieferung» nennt, ist mir nicht verständlich: meint er, im Laur. A oder in irgend einem anderen der bis jetzt bekannten Codices des Sophokles sei der Text dieses Dichters gut überliefert, so behaupte ich erstens dass dies durchaus nicht der Fall ist, zweitens dass auch die beste Ueberlieferung keineswegs überall das unverfälschte Original wiedergibt. Auch kann ich nicht einräumen, dass der Sinn der betreffenden Sophokleischen Stelle durchaus befriedigend sei: worüber es genügen mag auf die 6. Auflage der Schneidewinschen Bearbeitung zu verweisen. Welcher Grund den Sophokles bewogen haben könne statt des herrschenden ἐσμέν einmal ἐμέν zu schreiben, ist eine Frage die Curtius sich wahrscheinlich niemals vorgelegt hat, deren Beantwortung ihm jedenfalls nicht leicht werden dürfte: das Streben nach Abwechselung würde doch schwerlich als ausreichender Grund zu betrachten sein, eben so wenig der Verszwang. Thöricht also ist es, nicht dass die Philologen mit seltener Einhelligkeit épév bei Sophokles verwerfen, sondern dass Curtius zum Schutz einer schlecht beglaubigten Form sich auf die Handschriften des Sophokles beruft, über deren

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Glaubwürdigkeit er offenbar sich nicht gehörig unterrichtet hat.

Viel auffallender ist was S. 148 und 151 über čoσav gelehrt wird. An ersterer Stelle sagt der Verfasser: «ooav beruht ausschliesslich auf einem Citat des Artemidorus aus Alcaeus (fr. 91 B.) Apxάdes čoσav Baλavnpaya, das möglicherweise, worauf wir zurückkommen, anders zu fassen ist». An der zweiten Stelle wird sooav mit dueva in Verbindung gebracht: «vielleicht gehört das S. 148 besprochene šoσav ('Apxcédes tooav Baλavnpáya Alc. fr. 91) hicher, worauf die Worte des anführenden Artemidor: ταύτης γὰρ τὸν καρπὸν ἤσθιον οἱ ̓Αρκάδες führen. Die seltene Form ooav statt av findet sich als Variante Od. während sie bei Pind. Nem. 9, 17 nur auf Conjectur zu beruhen scheint. Was Curtius von Artemidor sagt. gilt vielmehr von einem Interpolator des Artemidor, wie die erste kritische Ausgabe dieses Schriftstellers lehrt, die wir Rud. Hercher verdanken. Auch kann ich es nicht als ausgemacht ansehen dass die Worte ̓Αρκάδες ἔσσαν βαλανηφάγοι von Alcaeus herrühren: als Verfasser wird nicht Αλκαίος sondern ὁ ἀρχαῖος genannt). Doch alles dies ist von untergeordneter

224,

6) Ausserdem halte ich es für höchst unwahrscheinlich dass ein Scribent wie Artemidor oder ein Interpolator dieses Scribenten ein anderweitig nicht erhaltenes Bruchstück des Alcaeus gekannt habe. Endlich war nichts natürlicher als dass die Bezeichnung der Arkader als Eichelesser belegt wurde mit demjenigen Zeugniss, dessen sich viele andere Schriftsteller in dem gleichen Falle bedienen, mit dem bekannten Orakelvers (bei Herodot I, 66 u. a.),

πολλοὶ ἐν ̓Αρκαδίῃ βαλανηφάγοι ἄνδρες ἔασιν.

Es lässt sich nicht behaupten, aber ich halte es für wahrscheinlich, dass der Interpolator des Artemidor diesen Vers im Sinn hatte. Statt des überlieferten καὶ ὁ ἀρχαῖός φησιν ̓Αρκάδες ἔσσαν βαλανηφά

Wichtigkeit. Dass aber Curtius eooav mit dueva in Zusammenhang bringen will, übersteigt allen Glauben. Ob er βαλανηφάγοι für βαλάνους nimmt oder wie er die Worte Αρκάδες ἔσσαν βαλανηφάγοι (nach der gewöhnlichen Auffassung «die Arkader waren Eichelesser») auf Grund der weiteren Umschau der neueren Sprachwissenschaft übersetzen will, vermag ich nicht zu ergründen. Den «anführenden Artemidor» aber durfte er für seine Auffassung nicht verantwortlich machen: denn die Erklärung Stov ist nicht auf eσoav zu beziehen, sondern auf den zweiten Theil des Wortes βαλανηφάγοι. Dies meinten wir wenigstens bisher und werden es wohl auch künftig meinen, da wir nun einmal die Alexandrinischen Brillen nicht los werden können und, wo solche Neuerungen uns entgegentreten, um keinen Preis los werden möchten.

Die Form note (eratis) belegt Curtius S. 148 mit zwei schon von Veitch p. 201 angeführten Stellen des Aristophanes und bemerkt, Ahrens habe bei Theocr. 1, 66 auf Grund einiger Handschriften te gesetzt. Einige andere Belege liefert das Lex. Vindob. p. 98 f. und zugleich den Beweis dass die Abschreiber das ihnen fremd gewordene ote gern in te änderten.

S. 150 wird σεuta: aus Soph. Trach. 645 angeführt, obwohl bereits Blomfield diese unbezeugte Form durch die sichere Emendation coural beseitigt hat. Dass Formen wie ἐλοῦμεν, λοῦται, λοῦνται, λούμενος einst den thematischen Vocal hatten, ist keineswegs, wie Curtius sagt, allgemein anerkannt: vielmehr unterliegt

γοι möchte ich daher vermuthen: καὶ (oder ὡς ὁ ἀρχαῖος φησι χρησμὸς ὅτι Αρκάδες ἔασιν ἄνδρες βαλανηφάγοι.

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